Rotes Kreuz Krankenhaus, Bremen

Im laufenden Betrieb
Rotes Kreuz Krankenhaus (RKK), Bremen

Den Erfolg des Um- und Erweiterungsbaus des RKK verdankt der Bauherr der umsichtigen Planung des Architektur- und Ingenieurbüros agn. Aufgrund des Platzmangels am Standort mussten die Baumaßnahmen im laufenden Betrieb durchgeführt werden. Dabei vollbrachten Thomas Rettig und sein Team eine logistische Meisterleis­tung. Das kann nur gelingen, wenn Architekt, Bauherr und Fachplaner im Schulterschluss zusammenarbeiten.

„Was ist das Richtige für ein Haus?“, fragt Thomas Rettig, Projektleiter bei agn, jeden Bauherrn und sein Projektteam, wenn er eine neue Bauaufgabe übernimmt. Auch beim Um- und Neubau des Rotes Kreuz Krankenhauses (RKK) in Bremen stand zunächst eine Analyse des Krankenhauses an. Die Klinik besteht aus dem 6-geschossigen 1973 gebauten Haupthaus im Osten und dem 5-geschossigen Westhaus. Eingekeilt zwischen dem Stadtsee Piepe und dem Fluss Kleine Weser, ließ der Standort des Krankenhauses kaum Fläche für eine Erweiterung. Lediglich die südliche Fläche des Parkplatzes mit ca. 70 Stellplätzen zwischen dem Haupt- und Westhaus bot Raum für den Neubau, das Ärztehaus – Forum K.

Schwachstellen finden, Synergien schaffen

Das Synergien wichtig sind für Kliniken steht fest. Als agn den Wettbewerb 2006 gewann, sah das Raumprogramm des Neubaus noch eine Geriatrie vor. Zwar ist eine Geriatrie ein zukunftsfähiges Modell, wenn man die demografische Entwicklung in Deutschland betrachtet. Dennoch gibt es keine Überschneidungen mit den vorhandenen acht Fachbereichen des RKK. Die Schwerpunkte des RKK sind Unfall-, Viszeral- und Gefäßchirurgie, Rheumatologie, die Behandlung von Nierenerkrankungen und die Schmerztherapie. In Gesprächen mit dem Bauherrn wurden die einzelnen Stationen benannt und sinnvolle Ergänzungen gesucht.

Bei der Schwachstellenanalyse stellten die Architek­ten fest, dass die Funktionen des RKK ungünstig über mehrere Geschosse verteilt lagen. Nicht nur sind lange Wege für ein Krankenhaus unwirtschaftlich, auch für den Patienten ist jede Verlegung auf eine an­dere Station strapaziös. Aus der Schwachstellenanalyse ergaben sich des Weiteren zwei Kriterien, welche die Architek­ten aus Ibbenbüren in ihren Planungen berücksichtigten: 1. Das RKK sollte ein Krankenhaus der kurzen Wege werden.
2. Die Patienten- und Mitarbeiterwege sollten sich in Zukunft nicht mehr überschneiden, um einen ungestörten Ablauf zu gewährleisten und die Privatsphäre der Patienten zu wahren.

Eine weitere Herausforderung an die Planer war der Geländeversprung. Mit der Spange zwischen Haupt- und Westhaus mussten die Architekten ein Vollgeschoss überwinden. Daraufhin planten sie eine 5-geschossige Tiefgarage, die in Split-Leveln immer wieder zueinander verspringen. Die auf 115 Bohrpfählen gegründete Tiefgarage mit Parkdeck war der Startschuss für den 4 Jahre langen Um- und Neubau. Eine Interimslösung mit Containern während der Sanierung der bestehenden OP-Abteilung wäre sowohl teurer gewesen, als auch aufgrund des Platzmangels nicht praktikabel gewesen. Deshalb entschlossen sich die Architekten eine Interims-OP-Abteilung im 1. OG einzurichten und die Abteilungen im laufenden Betrieb umzuziehen.

Mitarbeiter einbinden

Dafür ließen die Architekten die RKK-Mitarbeiter intensiv an der Planung teilhaben. „Mitarbeiter müssen unbedingt mit einbezogen werden“, sagt Thomas Rettig. Sie kennen ihre Arbeitsabläufe und wissen, was sie für einen reibungslosen Ablauf benötigen. Nachdem die Architekten ihr Konzept dem Bauherrn präsentiert hatten, veranstalteten sie Workshops mit 3 bis 4 Mitarbeitern jeder betroffenen Abteilung, die sich über 4 bis 6 Wochen erstreckten. Dabei fanden die Gespräche parallel zum Umbau statt. Insgesamt dauerten die Gespräche mit allen Abteilungen 2 bis 3 Monate, während der Umbau der Praxen im Ärztehaus vergleichsweise kurze 8 Monate in Anspruch nahm.

Das Ärztehaus – Forum K

Der Neubau, das Forum K, macht die jahrelange unterirdische Verbindung der beiden Solitäre, Haupt- und Westhaus, in einem L-förmigen Baukörper sichtbar. Klinik wie praktizierende Ärzte profitieren gleichermaßen. Im Notfall liegt der OP-Saal nur 30 Sekunden von der Arztpraxis entfernt. Zwei direkte Verbindungen im 1. OG und im 2. OG führen vom Haupthaus in das Forum K. Dessen Fläche erweitert das RKK um 12 000 m².

Im 1. UG des Forum K schließt sich an das bereits bestehende Café K ein Tagungszentrum, das auch für externe Veranstaltungen genutzt werden kann. Eine Terrasse erweitert das Tagungszentrum zur Piepe hin. Gleichzeitig entstand eine neue Wegeverbindung, die das Café K nun öffentlich zugänglich macht.

Im EG des Forum K schlugen die Architekten eine zentrale Patientenaufnahme vor. Krankenwagen können nun direkt über die Osterstraße an das Krankenhaus heranfahren. Das neu eingerichtete Diagnostikzentrum, das sich direkt an die Aufnahme im EG anschließt, versorgt die Patienten weiter. Deren Räume liegen im Bestand des Haupthauses. Über einen Aufzug können Patienten direkt in den OP-Saal der Abteilung/ITS im 1. OG des Haupthauses verlegt werden ohne den Besucherweg zu kreuzen.

Im 1. OG des Ärztehauses befindet sich die Physio K. Ein Zentrum für Physiotherapie,
Ergotherapie und medizinisches Gerätetraining. Es ist 700 m² groß, Licht durchflutet und auf dem Stand der neusten Technik. Ein Gewinn für das RKK, das bis zum Neubau des Forum K, die Physiotherapieräume im UG versteckte. Dort konnten Patienten sich in Aachen, Oeynhausen oder auch Minden behandeln lassen. Das waren die klangvollen Namen der in den Raum eingestellten Plastikkabinen.

Im 2. und 3. OG sind nun die Arztpraxen untergebracht. Da diese ihre individuelle
Vorstellung des Innenausbaus hatten, beliessen die Architekten die Gänge zu den Praxen möglichst neutral – weiße Wände und Holzboden. Dadurch sind lange Flure entstanden, um die Praxisräume entlang der Fassade anordnen zu können. Manchmal ist es schwierig sich zu orientieren, da das hauseigene Leitsystem im Haupt-, Westhaus und Forum K sukzessive angebracht und erweitert wird.

Tetris im Haupthaus

Mit dem Bau des Forum K wurde auch der Bestand des Haupthauses umstrukturiert. Vom Foyer aus können Besucher nun direkt in die Notaufnahme gelangen. Die Farbe Rot kennzeichnet sie. An sie schließt sich wiederum das Diagnostikzentrum an, das neu strukturiert wurde. Von dort gelangen Patien­ten wiederum direkt in das ebenfalls neu strukturierte Medizinische Versorgungs­zentrum (MVZ) mit Radiologie und Gefäß­medizin. Das MVZ ist eine eigene GmbH inner­halb des RKK, mit der die Klinik ihr Untersuchungsspektrum erweitert.

Die Aufenthaltsräume der Mitarbeiter befinden sich nun im 2. OG. Von dort gelangen die Mitarbeiter über einen sterilen Flur und ein ebenfalls steriles Treppenhaus in den OP-Saal im 1. OG. Gleichzeitig sind in der neuen OP-Abteilung u. a. zentrale Einleitungsplätze geschaffen worden, in denen Patienten für die OP vorbereitet werden.

Die Zusammenlegung von Funktionsbereichen verbessere die Wechselzeiten, erklärt  Thomas Rettig. Wechselzeiten sind das Kapital des Krankenhauses. Im Ärzte-Sprech auch „Naht-Schnitt-Zeiten“ genannt, beschreibt der Begriff die Zeit zwischen zwei Operationen. Wenn die Wechselzeiten kurz sind, dann ist das Krankenhaus ökonomisch. In der Regel sind die Operationssäle die Geldquelle eines Krankenhauses. Sind diese nicht optimal ausgenutzt, verliert das Krankenhaus hohe Summen. Darum ist es sinnvoll Wechselzeiten zu verbessern. Auch im Sinne der Patienten. Denn kurze Wechselzeiten bedeuten auch, dass Patienten nicht vor den Operationen warten müssen: vielleicht in den Patientenräumen, schlimmer noch vielleicht auf dem Krankenhausflur.

Die Umzüge der einzelnen Abteilungen glichen einem Tetris-Spiel. Den Anfang machte das Labor. Es zog vom 1. OG in das 1. UG. Danach folgte der 1. BA des Neubaus bei dem die Interims OP-Abteilung ins 1. OG zog. Heute ist dort das Ambulante-OP-Zentrum. Und obwohl ein Interims-OP-Saal vollständig abgebaut wurde, war diese Lösung die kostengünstigste.

(Baustellen-)Logistik

Zunächst wollte der Bauherr das Forum K mit dem 1. BA lediglich an das Haupthaus anschließen, ohne einen direkten Zugang zum Westhaus. Die Architekten konnten ihn jedoch überzeugen, das Grundstück komplett zu bebauen. Das hiebfeste Argument war dabei die Logistik. Entlang der Piepe, im Süden des Gebäudes, befand sich bis 2011 die Baustellenzufahrt. Wäre diese einmal bebaut, wäre eine Erweiterung des Gebäudes wesentlich schwieriger geworden. Wo einst die Baustellenzufahrt war, ist nun die Garage der Deutsche Rote Kreuz Krankenwagen und die Einfahrt des Krankentransports.

Aufgrund des beengten Grundstücks mussten die Architekten eine detaillierte Baustellenlogistik planen: Zufahrten gewährleisten, um eine pünktliche Anlieferung der Bauteile zu garantieren, Bereitstellung der Baumaschinen, Lagerflächen für die Gewerke schaffen. Alles wurde in einem detaillierten Baustellenplan festgehalten.

Im Schulterschluss zum guten Ergebnis

Zu 1/3 finanzierten städtische Gelder den Um- und Neubau des RKK mit einer Bausumme von ca. 30 Mio. €. Den Rest musste der Bauherr selbst aufbringen. Eine hohe Summe, deren Investition wohl überlegt sein sollte. Sie hat sich gelohnt. Den Architekten ist es gelungen dem RKK ein neues Gesicht zu geben. Ebenso gelungen: die Zusammenlegung der Funktionen und deren Erweiterung für Patienten und Mitarbeiter. Gemeinsam haben Architek­ten und Bauherr eine Lösung erarbeitet, die sich auch in Zukunft tragen wird. Denn die Synergien werden sich weiterhin stärken. Die Architekten scheinen die richtige Antwort auf die Frage, was ein Haus braucht, gefunden zu haben.

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