Ich bleibe gerne ein Dinosaurier
Ein Gespräch mit Volker Staab in Kassel www.staab-architekten.com

Zur Eröffnung der Neuen Galerie Kassel trafen wir deren Architekten und konnten ihn zu einem kleinen Gespräch in seinem Haus gewinnen; wir unterhielten uns über den Neubau im Altbau, über Rezepte für das Bauen, über VOF-Verfahren und ihre Nachteile, über Kunst und die Frage, welches der hier ausgestellten Werke er bei sich Zuhause an die Wand hängen würde.

Glückwunsch Herr Staab zu Ihrem Projekt! Sind Sie vielleicht ein wenig traurig, dass Sie es heute aus der Hand geben?

Ach, das hat immer auch einen wehmütigen Teil … aber wenn die Geäude gut geworden, wenn sie wohlgestaltet sind, dann übergibt man sie mit gutem Gewissen.

Wenn Sie sich noch einmal die „Neue Galerie“ anschauen: Würden Sie es genauso noch einmal machen?

Vielleicht gäbe es an der einen oder anderen Stelle Detailentscheidungen, die man sich anders überlegen würde, aber ich glaube, die Grundentscheidung von damals, das Treppenhaus beispielsweise zu verlegen oder vor allem die Eigenart der verschiedenen Räume zu stärken – so beispielsweise die dieses Raumes, in welchem wir gerade sind – finde ich nach wie vor richtig und würde es genauso wieder machen. […] Die Differenzen, die dieses Haus von seiner Struktur her ja bietet, das wieder herauszuschälen, das ist nach wie vor richtig.

Sie sind mit dem Neuen Museum in Nürnberg (1991-99) so richtig durchgestartet … muss man als Architekt viel von Kunst verstehen?

Ich glaube, man muss zumindest eine Affinität zu Kunst haben …

Die haben Sie?

Ja, die habe ich. Die hatte ich schon, bevor ich als Architekt begonnen habe. Man braucht diese besondere Beziehung, um überhaupt zu spüren, welche Bedingungen Kunst braucht, um angemessen präsentiert zu werden.

Haben Sie eine Idee davon gehabt, wie Ihre Räume mit der Kunst aussehen könnten/sollten?

In die Hängekonzeption mischen wir uns nicht ein. Aber natürlich waren wir in den Fragen, wo die Schnittstelle Architektur/Kunst betroffen ist, beteiligt, hier ging es um die Farbigkeit der Räume beispielsweise …

Trainiert das Bauen im Bestand für den Neubau?

Das glaube ich nicht unbedingt. Ich glaube eher generell, die Art, wie man Aufgaben begreift, ist ein wesentlicher Aspekt, wie das Ergebnis schließlich aussieht. Das ist dann ziemlich egal, ob das im Altbau oder Neubau ist.

Gibt es gültige Rezepte für das Bauen im Bestand?

Nein. Sicher sammelt man im häufigen Umgang mit historischen Bauten Erfahrungen. Ganz praktischer Art. Bei Bauten dieser Art gibt es ja immer das Problem des Unvorhergesehenen an jeder Stelle. Das führt dann dazu, dass man bei folgenden Projekten an bestimmte Dinge ganz anders herangeht, Stichwort: Voruntersuchung.

Sie sitzen in Berlin, aber ich habe den Eindruck, Sie favorisieren eher Projekte in Süddeutschland …

Das ist sicherlich Zufall. Wir wurden mit dem Nürnberger Museum wohl im Bayrischen Raum zuerst wahrgenommen, hier sind zudem das Museum in Schweinfurt oder der Bayrische Landtag zu nennen … Dann kam noch hinzu, dass wir in Berlin, zu Zeiten des Baudirektors Stimmann, nicht so richtig zum Zuge kamen … insofern mussten wir uns notgedrungener Maßen außerhalb Berlins um tun.

Beim Blick auf Ihr mittlerweile recht umfassendes Œuvre vermisse ich internationale Projekte … ist das gewollt oder wollen Sie noch?

Na gut, wir hatten mal ein Projekt in Sydney und eins in Mexiko-City, aber die waren alle von Deutschland aus initiiert (Deutsche Botschaft) […] Ich muss gestehen, dass ich bei diesen beiden Projekten gelernt habe, dass ich nur bedingt dafür tauge, international zu bauen. Unsere Architektur und wie wir sie betreiben ist einfach nichts für den internationalen Markt. Noch nicht?!

Ist das deutsche Ernsthaftigkeit, die Sie da mitbringen?

Ich weiß nicht, das mag mit Sicherheit eine kulturelle Prägung sein, die natürlich da ist, und die wohl auch die Differenz ausmacht. Wir werden im Zuge der Globalisierung davon sicher auch nicht verschont von dieser Art, die Dinge abzuwickeln, aber ich denke mir, dass ich hier gerne noch Dinosaurier bleibe.

Gibt es hier in diesem Haus einen Ort, den Sie besonders schätzen?

Es gibt ja einen Raum im Untergeschoss, in dem man ganz unterwartet in eine zweigeschossige Höhe hineinkommt. Ein Raum, den man im Erdgeschoss nicht wahrnimmt, weil er hier ausgespart ist hinter der Treppe.

Wie wichtig ist ein Ranking für den Architekten, für Sie?

Ach. Wichtig ist das eher nicht. Natürlich freue ich mich, wenn wir einen guten Platz dort haben, aber das hat für meine Arbeit überhaupt keine Bedeutung. Und jeder von uns weiß, dass wenn man hier veränderte Kriterien anlegen würde, sähe ein aktuelles Ranking doch auch ganz anders aus. Was man natürlich sagen muss, ist dass das Veröffentlichen zum Architektensein dazugehört. Denn natürlich hängt unsere Möglichkeit, beteiligt zu werden, bauen zu können auch an einem gewissen Bekanntheitsgrad. Und so ist für mich das Ranking doch spannend. Weil es Möglichkeiten eröffnet.

Warten Sie noch auf eine Berufung?

Ich bin gerade dabei, eine anzunehmen!

Was versprechen Sie sich von der Professorenposition?

Ich habe während meiner verschiedenen Lehrtätigkeiten die Erfahrung gemacht, dass mir der Diskurs jenseits des konkreten, ganz pragmatischen Projekts fehlt, und den fand ich immer sehr spannend in der Auseinandersetzung mit den Studenten. […]

Ich war damals – und bin es heute noch – immer so ein wenig hin und her gerissen zwischen der Arbeit als Architekt und Lehrer. Natürlich besteht die Gefahr, dass man dann das eine oder das andere nicht so richtig hinkriegt, aber ich glaube, dass sind Erfahrungen, die man mit der Zeit macht. Und ja, unser Büro ist größer geworden, es gibt Partner, so gibt es damit eine Infrastruktur, die das alles leichter ermöglicht als vor vielleicht zehn Jahren.

Stichwort „Nachhaltigkeit“: Können Sie das noch hören?

Fällt mir schwer … (er lacht).

Sie arbeiten eben immer schon nachhaltig?!

Natürlich gehört Nachhaltigkeit dazu, aber auf der einen Seite wird heute viel als „nachhaltig“ verkauft, was überhaupt nicht nachhaltig ist. Nachhaltigkeit ist ein Teilaspekt eines guten Gebäudes. … Wenn man nun versucht, dessen Komplexität auf eindimensionale Betrachtungsweisen herunter zu brechen, also ein Haus nur energetisch zu betrachten und damit die Architektur auf einen Aspekt zu reduzieren, dann fängt es für mich an, dass Architektur zur Belanglosigkeit verkommt.

Stichwort „Integrale Planung“: Wie praktizieren Sie das?

Na ja, wir machen das ja sowieso schon. Wir schließen uns bereits im Vorfeld der Planung beispielsweise in einer Generalplanung zusammen … Von Anfang an im Planungsteam zusammen zu arbeiten ist leider im Rahmen heutiger Vergabeverfahren nicht möglich. Früher konnte man den Fachplaner mit bringen, heute schließen die VOF-Verfahren aus, dass man seinen Fachplaner mitbringt, und der später dann auch eine Chance auf einen Auftrag hat. Das reduziert natürlich die Motivation enorm, wenn für den Planer keine Auftragsaussicht besteht.

Zum Schluss eine vielleicht private Frage: Wenn Sie statt Ihres Honorars für dieses Projekt sich ein Bild, eine Skulptur oder anderes aussuchen könnten: Was würden Sie mit nach Hause nehmen?

Das müsste ich mir noch mal genauer anschauen! (lacht) Zwei oder drei Arbeiten hätte ich schon gefunden, die ich mitnehmen könnte …

… eher Zeitgenössisches oder ältere Kunst? … Sie dürfen aber nur eines mitnehmen!

Also das würde mir schon schwerfallen, nur eins … ich muss gestehen, es käme bei mir ab dem 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart infrage, und weniger aus dem 19. Jahrhundert.

Das Gespräch führte DBZ-Redakteur Benedikt Kraft am 23. November in Kassel. Zur Neuen Galerie in diesem Heft auf S. 38ff.

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