Ich bin ein Berliner!Baustellenbesuch mit Franco Stella
www.humboldt-forum.de, berliner-schloss.de

Alle – oder schreiben wir mal fast alle – sind sich einig: Das Schloss in Berlin wird. Und zwar im Kostenrahmen, im Zeitrahmen und im Rahmen eines Konsensus, der als demokratisch legitimiert apostrophiert ist. Bis heute gibt es – trotz aller inhaltlicher Planungen – keine Intendanz für das Haus, das inhaltlich ein Humboldt-Forum darstellen soll, also eine Art Kulturmaschine für Große und Kleine, für Zugereiste und Durchreisende, für Gebildete und solche, die das gerne werden wollen. Und so gibt es auch niemanden, der mehr als nur laut aufschreit, wenn die schöne Planung, die inhaltliche, einfach mal so eben über den Haufen geworfen wird. Das machte das Land Berlin, mit Grundstücksschenkung am Projekt auch irgendwie als stimmberechtigter Eigentümer beteiligt, und erhielt schöne Negativschlagzeilen. Berlin wollte die eigentlich für die Berliner Landes- und Zentralbibliothek vorgehaltene 4 000 m²-Fläche nicht mehr für eine „Welt der Sprachen“ sondern für eine Art Stadtmuseum für die Stadt Berlin nutzen. Ob das aber wird, davon ist wohl nur die Stadt überzeugt.

Die Planer sind das nicht. Eine Umnutzung koste Geld, verzögere den Bauablauf. Was wiederum Geld koste. Negativschlagzeilen. Und immer noch die Meldungen, dass das Geld nicht zusammenkomme. Das für die historisierende Fassade. Die soll bekanntermaßen ausschließlich über Spendengelder finanziert werden. Es sei denn, die Gelder kommen nicht rechtzeitig. Denn ein Prestigeobjekt wie das Schloss könne nicht unfertig im Regen stehen.

Öffentlichkeit beruhigen

Zeit also, die Öffentlichkeit von (beinahe) höchster Stelle zu beruhigen. Und einen Pressetermin zu machen. Am 1. April 2015, 12 Uhr mittags. Was nichts heißen muss. Es kamen – außer Fotografen, Journalisten und ein paar Fach-Redakteuren – die Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD), der Architekt des Schlossneubaus, Franco Stella, der Spiritus Rektor der Schlossresurrektion und Chef des Förderverein Berliner Schloss e. V., Wilhelm von Boddien (der Verein fördert den Schlosswiederaufbau, nicht das Humboldt-Forum). Es kamen aber auch ein Lkw und einige Handwerker aus Bamberg, wo unter anderem die Fassadenelemente aus Sandstein gefertigt werden, die auf dem Lkw nun als erste angeliefert wurden.

Und dann sprach die Ministerin. Von Verschiedenem, nicht bloß Beruhigendes. Aber auch. So stamme der Sandstein wie beim Vorbild für den Neubau aus dem Elbsandsteingebirge in Sachsen und aus Schlesien. Die Ministerin zeigte sich betont zufrieden, dass die Baustelle im Plan sei. Was angesichts anderer Berliner Großprojekte wie Flughafen oder Opernsanierung tatsächlich überrascht. Und bezogen auf den Spendenstand – bisher seien mehr als 30 Mio. € gespendet worden, davon 18,4 Mio. € für die auf insgesamt 80 Mio. € geschätzten Kosten für den Fassadennachbau – verbreitete die Ministerin professionelle Zuversicht. Offensichtlich gewinnt sie Überschwang aus anderen Projekten in ihrem Haus. „Wir wissen von der Frauenkirche in Dresden“, so sprach sie im Ton des Förderverein Schloss e. V., „dass die Spenden deutlich mehr fließen, wenn die Leute sehen, wie schön es mal wird.“

Im Gespräch mit Franco Stella

Im Anschluss an den recht knapp gehaltenen Foto- und Sedationstermin ergab sich ein langes Vieraugengespräch mit Franco Stella im Baucontainer nebenan. Es ging um das Schloss, den Status eines Schloss-Architekten, die Arbeiten neben der Schlossarbeit in Vicenza und Potsdam, es ging um seine Wahlheimat Berlin („Ich bin ein Berliner!“) und natürlich ums Schloss. Er wisse nicht, warum man „an dieser Stelle“ etwas anderes bauen sollte als ein, als das Schloss. Von hier aus fokussierte sich das Gespräch auf die Rolle des alten Schlosses als wesentlicher Knotenpunkt in der Platzlandschaft Berlins, ein Knotenpunkt, den der Schlossnachbau demnächst wieder übernehmen werde; wenn die Plätze wieder würden.

Und die Plätze sollen werden. Franco Stella setzt hier zentral auf die Neuplanung der Breite Straße, die von Südosten auf das Schloss zuläuft. Und natürlich auf einen Schlossplatz, auf dem der Neptunbrunnen wieder steht. Derzeit weilt der noch vor dem Roten Rathaus. Durchgängigkeit. Öffentlicher Ort. Die von den Portalen geöffnete Masse Schloss als wortwörtlich transitorischer Ort, als Beschleuniger, Verlangsamer. Sein Wettbewerbsvorschlag, der wie kein anderer Entwurf die Auskleidung der Portale bis in die Höfe hinein vorgesehen habe, werde sich in Zukunft als perfekte Lösung für eine Reurbanisierung der Mitte Berlins herausstellen. Die offenen Portale – nur das Westportal III werde durch Glastüren geschlossen, winddicht gemacht – solle man als Stadttore begreifen.

Unvorstellbar. Tatsächlich?

Als wir schließlich den Container verlassen mussten, weil eine Baubesprechung anstand, kam es auf dem Weg über die Baustelle zum Ausgang noch zu einem wunderbar heftigen Wortwechsel. Rekon-struktion ja oder nein, die Frage nach dem Original, was ein Original ist und was eine Replik, das Thema des Weiterbauens, der Historizität, Patina als Geschichts- und Geschichtenträger etc. etc. Am Ende ein kurzer Abschied und die Zusicherung gegenseitiger Hochachtung mit dem Versprechen, hier noch einmal anzuknüpfen. Wenn die Baustelle mehr zeigt, Fassadenelemente aufgehängt und Loggien begehbar sind, wenn erste Touristen ihre ersten echten Schlossfotos in die ganze Welt versenden. Vielleicht dann in Italien auf der Piazza di S. Marco in Venedig, wo ein Campanile einst einstürzte und gleich darauf wiederaufgebaut wurde. Entgegen der Versuche von „Modernisten“ in seiner alten Erscheinung, jetzt mit Fahrstuhl. Die „Modernisten“ wollten einen Turm in zeitgenössischer Art realisieren, vielleicht als einen Tour Eiffel oder gar Blackpool Tower. Unvorstellbar. Tatsächlich? Wir bleiben dran. Be. K.

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