Umbau Schauspiel Stuttgart

Gut sehen = gut hören
Umbau Schauspiel Stuttgart

KLAUS ROTH architekten zeigen mit ihrem Umbau des Schauspiels Stuttgart, dass durch eine frühe und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Akustikplanern ein effektvolles Ergebnis erzielt werden kann. Seit 2013 erhöhen expressive Wand- und Deckenfaltungen die Sprachverständlichkeit des Zuschauerraums im Schauspiel Stuttgart.

„Was Sie gut sehen können, können Sie gut hören“, sagt Klaus Roth. So erklärt der für den Umbau des Schauspiels Stuttgart verantwortliche Architekt das Prinzip, welches er und sein Team zur Verbesserung der Akustik anwandten. Doch natürlich gehört weit mehr zu einer erfolgreichen akustischen Planung; zum Beispiel das interdisziplinäre Team aus Architekt, Akustikplaner und ausführenden Firmen, das Lösungen für den Zuschauerraum gemeinsam umsetzte.

Das 1962 erbaute Schauspielhaus glich eher einem großen Bürgersaal als einem Theater: Mit 851 Plätzen, flachen Parketträngen und ei­nem zu großen Raumvolumen litt zudem die Sprachverständlichkeit im Zuschauerraum. Die ehemals adaptiv eingesetzten Schallsegel konnten den akustischen Verlust nicht ausgleichen. Für Abhilfe sorg­ten KLAUS ROTH architekten aus Berlin mit ihrem Umbau- und Sanierungsplan, der im Zuschauerraum vorsah die Stuhlreihen anzuheben um den Direktschall zu verbessern, eine expressive Decken- und Wandfaltung anordnete, um den Schall zu lenken, neue Bühnentechnik zu integrieren, ein neues Soundsystem zu installieren und das Foyer umzustrukturieren. Ursprünglich war nur eine Restauration des Schauspiels geplant. Nach dem Fund von Asbest während der Bauarbeiten, wurde das unter Denkmal stehende Gebäude jedoch entkernt.

Direktschall

Bis zum Umbau erreichte der zu bedämpfte Zuschauerraum lediglich eine Nachhallzeit von 0,8 s, was dazu führte, dass die Zuschauer in den mittleren Sitzreihen das gesprochene Wort nur verwaschen wahrnahmen. Die Architekten hoben die Nachhallzeit auf einen optimalen Wert für Sprache an, der zwischen 1,1 und 1,2 s liegt. Nun sind die Tonschwingungen ausreichend lang, von guter Qualität und überall gut hörbar. Das erreichten die Architekten, indem sie eine mehrfach gefaltete Raumschale von der bestehenden Betonwand des hexagonalen Zuschauerraums einrückten und somit das Raumvolumen um 25 % verkleinerten. Maßgeblich für eine optimale Nachhallzeit sei das Raumvolumen x Besucherzahl, sagt Roth, zudem das Verhältnis von reflektierenden und absorbierenden Flächen. Das auf 4 500 m³ minimierte Raumvolumen ließ Platz für 24 Sitzreihen, die auf der Raumtiefe von 22 m sukzessive auf 2,6 m ansteigen. Genau diese Überhöhung des Parketts stellt nun die bis dahin fehlende Sichtbeziehung zur Bühne her, die wie Klaus Roth eingangs erwähnt, auch gutes Hören ermöglicht, da Ohren und Augen sich auf einer Linie befinden.

Energiereiche Schallreflexion

Zusätzlich verbessert die eingestellte, mehrfach gefaltete Raumschale, die in Wand und Decke übergeht, die Akustik des Raums. In der Raum­achse symmetrisch, besteht die Unterkonstruktion des Raumtragwerks aus vier von der Decke abgehängten schwarzen Stahlrahmen, die die Raumgeometrie beschreiben. Die angelaschte Primärunterkonstruktion von Stahlrohren trägt die etwa 300 schallabsorbierenden und -reflektierenden, unterschiedlich großen Dreiecksflächen aus multilaminiertem Echtholzfurnier. Die aus Wengeimitaten bestehenden Elemente sind unterschiedlich aufgebaut. Wirken sie schallreflektierend, ist ein 2 mm starkes Stahlblech integriert, um eine harte Oberfläche zu erzeugen. Sind sie hingegen schallabsorbierend, ist die dunkle Oberfläche mit 0,55 mm starken Löchern mikroperforiert. In einem Verhältnis von drei Fünftel zu zwei Fünftel, sind die Paneele im oberen und unteren Raumdrittel und an der Decke meist reflektierend, im mittleren Raumdrittel jedoch absorbierend. Dadurch lenken die Architekten den Schall gezielt in den Raum, um mit energiereicher Schallreflexion den Lautstärkeeindruck zu verbessern. Energiereiche Schallreflexion, eigentlich ein Echo, das es zu vermeiden gilt, trägt zur besseren Sprachverständlichkeit bei, wenn sie 50 ms nach dem Direktschall an das Ohr des Zuschauers trifft. Was im neuen Zuschauerraum des Schauspiels der Fall ist.

Rückkopplung

Von Anfang an waren die Akustikplaner Karlheinz Müller und Michael Wahl von Müller BBM in das Projekt mit eingebunden. Der ständige Austausch zwischen dem Architekt und den Fachplanern, die sich schon von früheren Projekten kannten, war für das gute Gelingen des Projekts verantwortlich. Zunächst arbeiteten KLAUS ROTH architekten an einem physischen Modell im Maßstab 1 : 25. In dem beschrieben sie die Dreieckselemente durch Gummibänder. Danach übersetzten sie die Daten in ein digitales, dreidimensionales Modell. Müller und Wahl übernahmen dieses, um den Raum strahlengeometrisch zu untersuchen. Ein Verfahren, das die Lenkung des Schalls im Raum darstellt. Für die raumakustischen Untersuchungen im dreidimensionalen Raum entwickeln Müller-BBM eigene CAD-Programme, die das auslesen der akustischen Qualitäten der einzelnen Elemente ermöglicht. Gleichwohl Roth nicht mit BIM arbeitet, sagt er, „Die Schnittstellen funktionierten reibungslos zu Müller-BBM.“

Höchste Präzision

Für jedes der etwa 300 Dreieckelemente waren drei Pläne notwendig –
Stahldreieck, Aluminiumdreieck und Wandelemente mussten jeweils gesondert beschrieben werden. Die vorgefertigten Wandelemente sind CNC-gefräst und mit Streifen aus Pappelholz laminiert. Zunächst an den x-, y- und z-Achsen im Raum eingemessen, wurden die Paneele anschließend mit einem Seilzug positioniert. Da die Architekten mit Bautoleranzen aus dem Maschinenbau planten, waren präzise Einmessung und Ausführung notwendig. Den Erfolg des Projekts beschreibt Karlheinz Müller so, „Wichtig ist es Akustik mitzudenken, wie es im Schauspiel Stuttgart passierte, und sie nicht auf das Projekt drauf tropfen zu lassen.“ Integrale Planung, also! S.C.

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