Gebaute Bewegung
Einkaufszentrum Loop 5 in Weiterstadt

Im Gewerbegebiet von Weiterstadt haben Hentrich-Petschnigg & Partner mit dem portugiesischen Pro­jektentwickler Sonae Sierra eines der ersten themenbezogenen Einkaufszentren in Deutschland gebaut. Da das urbane Umfeld fehlt, setzen die Projektpartner selbst ein Thema: das Fliegen.

Hentrich-Petschnigg & Partner beschäftigen sich schon seit den 1980er Jahren mit dem Thema „großflächiger Einzelhandel“. Bisher sind sie vor allem durch die städtebauliche Integration von Einkaufszentren aufgefallen, etwa beim Olivandenhof in Köln (1988), den Promenaden im Leipziger Hauptbahnhof (1997) oder den Köln Arcaden (2005). Nun hat das Düsseldorfer Architekturbüro ein Shoppingcenter „auf der grünen Wiese“ geplant – auf einem der letzten Standorte in Deutschland, die für zentrumsrelevanten, großflächigen Einzelhandel in Frage kommen. Das Loop 5 liegt direkt an der Autobahn A5, zwischen Frankfurt und Darmstadt, im Gewerbegebiet von Weiterstadt.
Auf 58.300 Quadratmetern vermietbarer Fläche sind 175 Läden und 25 Restaurants eingezogen, darunter zugkräftige Ankermieter wie P&C, C&A, H&M, Thalia, Saturn und McDonald‘s. Die Sorge der Darmstädter Einzelhändler, dass das neue Einkaufszentrum Kaufkraft aus der Innenstadt abzieht, ist groß. Der Betreiber rechnete bei der Eröffnung im November 2009 mit rund 100.000 Besuchern täglich. Dank der Lage nahe Darmstadt, Frankfurt und Wiesbaden wohnen im Umkreis von 30 Fahrminuten etwa eine Million potentieller Kunden.
Unabhängig von der städtebaulichen Brisanz, überzeugt das neue Einkaufszentrum durch hohe Aufenthaltsqualität und durchdachte Gestaltung. Während die meisten Shoppingcenter funktional ausgerichtet sind, wurde mit dem Loop 5 eines der ersten themenbezogenen Einkaufszentren in Deutschland gebaut. Das zentrale Motto heißt „Luftfahrt“ und leitet sich aus der Nähe zum Frankfurter Flughafen und zum European Space Operations Center (ESOC) in Darmstadt ab. Der portugiesische Betreiber und Projektentwickler Sonae Sierra hat in Spanien und Portugal schon mehrere solcher Themen-Einkaufszentren geplant. In Deutschland ist es nach dem „Alexa“ am Berliner Alexanderplatz (Motto: „Golden Twenties“) der zweite Versuch, das neue Genre zu etablieren.
Landmarke an der A5
Ein Großteil der Besucher erreicht das Shoppingcenter über die angrenzende Autobahn. Dem Einkaufszentrum ist zur A5 ein Parkhaus vorgelagert, das den Verkehrslärm abschirmt und etwa 3000 Stellplätze aufnimmt. Von dort gelangen die Besucher über Brücken in die eigentliche Mall. Zwischen beiden Gebäuden dient eine Anlieferstraße zur Ver- und Entsorgung der Läden.
„Die Signifikanz und Wiedererkennbarkeit zur Autobahn war ein wichtiges Kriterium“, sagt Werner Sübai, Projektpartner bei HPP. Das Parkhaus ist als Landmarke von weither sichtbar und weist auf das dahinterliegende Einkaufszentrum hin. Die etwa 300 Meter lange Front rhythmisieren farbige, gegeneinander versetzte vertikale Lamellen, durch die sich das Erscheinungsbild der Fassade im Vorbeifahren verändert. Abgerundete Stirnseiten, hinter denen sich die Fahrrampen verbergen, verleihen der Fassade zusätzlich Schwung.
Auch beim Einkaufszentrum wurde das Thema „Geschwindigkeit“ aufgegriffen: Vertikale,verschieden formatige Elemente aus Faserzement gliedern die Fassade und suggerieren Beschleunigung. Die Laibungen in den Zwischenräumen wurden rot, aubergine und orange lackiert und sollen den Bezug zu einem „Schatzkästchen“ herstellen. Eine markante, abends rot hinterleuchtete Gebäudekrone aus perforiertem Metall überkragt die Gebäudekante. Ihr Motiv – die Kondensstreifen eines Flugzeugs – deutet an, was im Inneren der Mall zum beherrschenden Thema wird: die Luftfahrt.
Typologisch ist das Einkaufsentrum als Ringmall organisiert – mit Ausnahme des T-förmigen Untergeschosses. Dort befinden sich neben Verkaufsflächen für Lebensmittel und Elektronik auch die Haustechnik sowie die zentralen Ver- und Entsorgungseinheiten. Während Rohbau und Treppenkern aus Stahlbeton-Fertigteilen bestehen, sind die meisten Innenwände aus Brand- und Schallschutzgründen in Kalksandstein ausgeführt. Insgesamt wurden über fünf Kilometer 17,5er KS-Wände vermauert.
Über Rolltreppen gelangt man vom Untergeschoss in die darüber liegenden Ladenstraßen. Die beiden Passagen sind über zwei ovale Seitenatrien miteinander verbunden, so dass ein kompletter Rundgang möglich ist. Jeder der vier Erlebnisbereiche hat ein eigenes Thema: von den Anfängen der Fliegerei über die goldene Ära bis hin zum Düsenzeitalter.
Architektur zum Abheben
Das Thema „Luftfahrt“ wurde von HPP in Zusammenarbeit mit Licht- und Grafikdesignern aus NewYork und LosAngeles. konsequent umgesetzt und findet sich in zahlreichen Details im Innenraum wieder: bei den propellerförmigen Sitzbänken aus Eichenholz, den feinen Terrazzoböden in den Atrien mit Motiven aus der Welt der „Fliegerei“ oder den an Gangways erinnernden, glasverkleideten und himmelblau hinterleuchteten  Rolltreppen. Als Grafikdesign der Wand- und Bodenbeläge tauchen Propeller, Tragflächen, Ruder und Rotoren auf. Die Aufzugswände wurden mit Fototapeten wie Cockpits gestaltet. In den Ladenstraßen stehen lederne Flugzeugsitzgarnituren, auf denen sich shoppingmüde Besucher erholen. Selbst auf den Toiletten ist das Thema „Luftfahrt“ allgegenwärtig: Hinter Glasvitrinen posiert das Flugpersonal in Reizwäsche – freilich nur als Schaufensterpuppen.
Auffällig ist die großzügige Geschosshöhe von sechs Metern. Üblich sind bei Einkaufszentren eher 5 Meter. Da in Portugal häufig Galerien in die Läden eingezogen werden, gab der portugiesische Projektentwickler Sonae Sierra sechs Meter als durchgängige Geschosshöhe vor. Der Architektur hat das sichtlich gutgetan, die Einkaufspassagen wirken weiträumig und hell. Besonders gilt das für die zweigeschossigen, ovalen Seitenatrien, die über Glasdächer belichtet werden. Rotierende Holzpropeller unter dem Dach verteilen Licht- und Schattenmuster auf Böden und Wänden. Ein Rautenmotiv, das an weltweite Fluglinien erinnert, zieht sich in Blau- und Auberginetönen über die Deckenverkleidungen und setzt sich als Muster auf den Glasbrüstungen fort.
Die Terrazzoböden greifen den ovalen Grundriss der Atrien auf. Einer der Mosaikböden bildet die weltweiten Flugrouten ab. So erfährt der Besucher, dass zum Beispiel zwischen Weiterstadt und Kairo 2990 Flugkilometer liegen. „Das Einkaufen hier soll Spaß machen“, sagt José Quintela, der bei Sonae Sierra für die konzeptionelle Entwicklung und Architektur zuständig ist. Ein Glückszustand, der freilich auch den Betreibern entgegenkommt: Denn wer sich wohlfühlt, nimmt sich automatisch mehr Zeit zum Einkaufen.
Bullaugen und Flugzeugrümpfe
Einer der gelungensten Räume im neuen Einkaufscenter ist die rückwärtige Ladenstraße parallel zum Parkhaus. Eine Gewölbedecke aus Gipskarton überspannt die Passage. Darin sind kreisrunde Oberlichter in Form von Bullaugen eingelassen – mit einem inneren Tageslicht- und einem äußeren Kunstlichtring. So erhaschen die Besucher immer mal wieder ein Blick in den Himmel: Ein seltenes Erlebnis für die üblicherweise in sich abgeschlossene Welt der Shoppingcenter.
Die beiden Galerien im Obergeschoss sind über Glasbrücken verbunden. Seitlich filtern durchlaufende Glasbänder Licht herein. Die eleganten, wellenförmig geschwungenen Wandverkleidungen erinnern an die Gepäckfächer in einer Flugzeugkabine.
Insgesamt ist die Ausführung hochwertig und im Detail gut gelöst. Den Boden schmücken großformatige Eichendielen, die durch helle Natursteinplatten in überschaubare Abschnitte gegliedert werden. Teilweise federn auch Teppichböden den Gang – an Stellen, wo es Sinn macht, wie etwa vor einem Kinderspielzeugladen. „Neben der unterschiedlichen Haptik der Materialien entsteht dadurch auch akustisch Abwechslung“, sagt Werner Sübai.
Ihre Einkaufstour beenden die meisten Besucher im „Foodcourt“ über dem Eingangsatrium, einem herrlich lichten Raum, der von einem mehrfach gefalteten Glasdach überdeckt wird. Die nach unten und oben abknickenden Stahlträger bilden den Flügelschlag eines Vogels ab. Unter dem lichten Dach schwebt ein ausrangierter, hellblauer MIG-Jet. Die Esstische im Zentrum des Foodcourts überdachen skulpturale Schirme aus Gipskarton. Die Atmosphäre ist leicht und mediterran, fast wie auf einem Marktplatz. Ein wenig südländisches Flair haben die Projektentwickler aus Portugal herüber transportiert – bis ins Gewerbegebiet von Weiterstadt. Michael Brüggemann, Mainz
 
 

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