Frankfurt hätte ihn auch gerne
Besucherandrang: Das DAM verlieh seinen Preis an Peter Zumthor

Der Jahresauftakt begann mit einem Rückblick. Am 16. Januar 2009 eröffnete das Deutsche Architekturmuseum Frankfurt seine zweite Ausstellung herausragender Architektur in Deutschland. So war am Freitagabend das Haus im Haus mit geladenen und spontan angereisten Gästen gefüllt wie lange nicht mehr. Auf den Galerien, der Sitztreppe und dem Parkett drückten sie sich aneinander, um nur ja einen Blick aufs Podium erhaschen zu können. Dies weniger wegen der Eröffnung, vielmehr wegen des Gastes, den das DAM geladen hatte: Peter Zumthor. Für das Museum Kolumba der Erzdiözese Köln wurde der Schweizer Architekt mit dem Preis für Architektur in Deutschland 2008 ausgezeichnet, seine Eifeler Bruder-Klaus-Kapelle wurde ebenfalls für die Ausstellung ausgewählt. Die Jury begründete ihre Entscheidung mit der „Konfrontation mit der Askese“ (Christian Thomas), die diesem Bauwerk innewohne. Gerhard Matzig, Mitglied der Jury, beschreibt: „Peter Zumthors Museumsbau ist eine gültige Antwort auf die zunehmende Verspektakelung der Architektur.“ Auch wenn diese Aussage paradox klingt angesichts der spektakulären Präsenz des Bauwerks in den Medien. Gelobt wurde die Einfachheit des Bauwerks, die Liebe zum Detail, die erdige Materialität.

Zumthor genoss die Aufmerksamkeit sichtlich, gut gelaunt referierte er fast zwei Stunden zum Thema „Wie kommt die Idee zur Form?“ So schickte er nicht nur Bilder seines Wohnhauses mit den Worten „man lebt, man arbeitet“ über die Mediawand, sondern auch dezente Seitenhiebe an die „Zackigkeit“ à la Hadid und an die Bauherren, die aber letztendlich „schon in Ordnung waren“. Wie Peter Zumthor zur Form findet, zeigte er anhand zahlreicher Modellfotos, Studien in Lehm und Beton, und man spürte seine Begeisterung, mit welcher er von handwerklichen Experimenten erzählte und wollte ihm zustimmen bei seinem Hinweis auf die nötige Zeit, die der Entwurf und die Umsetzung eines Bauwerks bräuchten.

Fast hätte man über diesen Rummel vergessen, dass weitere Architekten ausgewählter Projekte zum DAM gereist waren. Denn der Abend galt ja auch den 22 Architekten, welche die Jury aus Architekturkritikern und dem DAM aus rund neunzig Projekten zu den Besten wählte. Mit in der Jury war Wolfgang Lorch vom Büro Wandel, Höfer, Lorch und Hirsch, die für ihre eindrucksvolle KZ-Gedenkstätte Hinzert im letzten Jahr mit dem DAM-Preis bedacht wurden. Die ausgewählten Projekte ergeben ein resümierendes Bild zum Stand der Architektur in Deutschland, natürlich mit den Augen der Jury gesehen. So zeigt die Auswahl viele Sanierungen im Bestand von Kulturbauten. Böse Überraschungen blieben aus, die Projekte überzeugen durch ihre Ästhetik. Allerdings gab es auch keine überraschenden, neuen Ansätze, streitwürdige Formen und experimentelle Materialien. Wenn es solche Projekte in Deutschland gibt – und es gibt sie –: von der Jury wurden sie nicht bedacht.

Der große Teil der ausgewählten Projekte präsentiert sich ernsthaft, gradlinig, mate-
rialorientiert, schnörkellos. Die platzierten Büros sind Anderhalten Architekten, Barkow Leibinger Architekten, Behnisch Architekten, Bruno Fioretti Marquez Architekten, Coop Himmelb(l)au, David Chipperfield Architects, Hild und K Architekten, Kaden + Klingelbeil Architekten, Knerer + Lang, Kühn Malvezzi Architekten, Opus Architekten, Muck Petzet Architekten, Realarchitektur, Springer Architekten, Helge Sypereck, Terrain: Loenhart & Mayr Architekten, O. M. Ungers (postum), Weis & Volkmann Architekten, Zanderroth
Architekten sowie zweimal Zumthor. Und als Projekte von Deutschen im Ausland kommen hinzu LIN Finn Geipel und Giulia Andi Architects Urbanists sowie FAR Frohn & Rojas.

Von den Ausgezeichneten fällt die experimentelle Transformation eines U-Bahn-Bunkers in Saint-Nazaire von LIN Finn Geipel und Giulia Andi ins Auge, ebenso wie zwei Gebäude der sozialistischen Moderne, der Lausitz Tower, umgebaut von Muck Petzet, sowie die Sanierung der Dresdener Wohnzeile Prager Straße von Knerer und Lang. Als einzig ausgewählter Ingenieurbau sei die Olympiaschanze von Terrain Loenhart & Mayr genannt, die mit ihrer technoiden Leichtigkeit die Gediegenheiten rundum aufmischt.

Schließlich, um einer Frankfurter Tradition zu folgen, Zukunftsperspektiven an große Namen zu hängen, wünschte sich die Kulturamtsleiterin der Stadt, Carolina Romahn, ein Zumthorbauwerk. Sie bat den Architekten aus Haldenstein inständig, sich der Frankfurter Altstadt und damit des viel diskutierten Römerberges anzunehmen ... wo er doch schon einmal da ist. Rosa Grewe, Frankfurt am Main

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