Die rote Linie
Altbauten luftdicht sanieren

Unsanierte Altbauten haben in der Regel eine relativ undichte Gebäudehülle. Drucktests in 80 verschiedenen Ein- und Mehrfamilienhäusern im Altbaubestand ergaben mit durchschnittlich n50 = 7,4 h-1 eine mehr als zehnmal höhere Undichtigkeit, als sie bei Passivhäusern zulässig wäre. Auch bei einer so hohen Undichtheit liefern die Fugen in der Gebäudehülle keinen zuverlässigen Beitrag zur erforderlichen Belüftung des Gebäudes. Dagegen verursachen sie eine ganze Reihe von Problemen: Im kalten Bereich der Außenbauteile anfallendes Tauwasser kann zu Schimmel und Fäulnis führen; die Behaglichkeit wird durch Zugluft und Kaltluftseen beeinträchtigt; der Luftschallschutz wird deutlich herabgesetzt; und neben der Belastung der Wohnraumluft durch eindringende Schadstoffe steigt der Heizwärmebedarf wegen des dauernden Lüftungswärmeverlusts. Daher ist eine Verbesserung der Luftdichtheit im Zuge einer Modernisierung dringend angeraten.

„Luftdichtheit“ wird im deutschen Sprachgebrauch häufig mit „Winddichtheit“ verwechselt. Tatsächlich handelt es sich aber um zwei gänzlich unterschiedliche Anforderungen. Die winddichte Ausführung der Außenseite der Wärmedämmung soll eine Durch- oder Hinterströmung der Wärmedämmung durch kalte Außenluft verhindern, welche die Wirksamkeit der Wärmedämmung deutlich herabsetzen kann. Die luftdichte Ebene dagegen ist in der Regel gleichzeitig die Dampfbremse, sie verhindert die Luftströmung zwischen innen und außen. Sie sollte daher auf der warmen Seite der Wärmedämmung angeordnet werden.

Instandsetzungsmaßnahmen oder Modernisierungen sollten daher unbedingt auch zur Verbesserung der Luftdichtheit genutzt werden, da durch die lange Lebensdauer der Bauteile ansonsten Jahrzehnte vergehen können, bis wieder Arbeiten am Bauteil anstehen.

Oberstes Prinzip ist, dass nur eine einzige luftdichte Ebene das gesamte Gebäude umschließt. Diese muss entsprechend sorgfältig ausgeführt werden. Nicht zielführend ist die Ausbildung von mehr als einer luftdichten Ebene - z. B. innenseitig und außenseitig der Mauerwerkswand. Bei der Altbaumodernisierung gibt es in der Regel keine das gesamte Gebäude umschließende, gut zugängliche und unterbrechungsfreie Ebene für die Herstellung der Luftdichtheit. Dennoch können auch im Altbau Luftdichtheitswerte ähnlich gut wie bei Passivhäusern erreicht werden. Dies beweisen eine ganze Reihe realisierter Sanierungsprojekte. Zu diesem Thema gibt es lesenswerte Forschungsberichte über Sanierungsprojekte in Frankfurt und Ludwigshafen (siehe Hinweis am Ende des Beitrags).

Für das Anstreben einer passivhaustypischen Luftdichtheit gerade im Altbau sprechen mehrere Argumente:

Bei undichten Gebäuden gelangt Feuchtigkeit aus der Raumluft durch Fugen in die kalten äußeren Bereiche der Außenbauteile und kann dort zu Schäden durch Schimmel und Fäulnis führen. Berechnungen haben gezeigt, dass beispielsweise bei einem Warmdach zur Bauschadensvermeidung ein Wert für die Luftdichtheit von q50 = 0,6 m³/(h*m²) nicht überschritten werden sollte. Der q50 – Wert bezieht sich auf die Hüllfläche A [m²] des Gebäudes (vgl. Feist, Wolfgang, Hochwärmegedämmte Dächer – Einführung, in: Hochwärme­gedämmte Dachkonstruktionen, Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser, Protokollband Nr. 29, Darmstadt 2005).

Bei sehr undichten Altbauten wird die Behaglichkeit wegen Infiltration kalter Luft durch Fugen und daraus resultierende Zugluft beeinträchtigt. Dem wird durch eine Verbesserung der Luftdichtheit im Zuge der Modernisierung begegnet. Der Erfolg der Maß-
nahmen kann nur mit einem Drucktest geprüft und quantifiziert werden. Leckagen, die die Zugluft verursachen, können in der Regel bei der Leckagesuche im Zuge eines Drucktests (BlowerDoor) entdeckt werden.

Eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung kann nur bestimmungsgemäß und effizient funktionieren, wenn eine weitgehend luftdichte Gebäudehülle vorliegt.

Die Luftdichtheit ist zuallererst eine Planungsaufgabe. Lösungen, die von Handwerkern in Ermangelung einer Planung spontan selbst entwickelt werden, führen häufig zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis. Für jeden Bauteilaufbau und für jedes Anschlussdetail muss in der Werkplanung die Lage der luftdichten Ebene deutlich erkennbar eingezeichnet werden (z. B. durch eine rote Linie).

Die Beachtung der folgenden Gesichtspunkte erleichtert besonders im Altbau die erfolgreiche Verbesserung der Luftdichtheit:

– Einfachheit: Alle Konstruktionsdetails sollten so einfach wie möglich ausführbar sein, um Mängeln bei der handwerklichen Arbeit weitgehend vorzubeugen

– Durch möglichst große geschlossene Flächen mit einer einzigen, einfachen Grundkonstruktion werden weniger Wechsel im Ma­terial und somit weniger Probleme bei der Gestaltung der Anschlüsse erreicht

– Auswahl zuverlässiger und bewährter Grundkonstruktionen - es müssen keine völlig neuartigen oder exotischen Dichtprinzipien entwickelt werden

– Prinzipientreue bei der Planung von Anschlüssen: Wird ein Anschlussdetail zwischen zwei Grundkonstruktionen an einer Stelle ein­gesetzt, so wird dasselbe Detail auch überall sonst beim entsprechenden Anschluss verwendet. Grundsätzlich sollten Durchdringun­gen der dichtenden Hülle vermieden bzw. minimiert werden.

Die Erfahrung zeigt, dass neben einer sorg­fältigen Planung die umfassende Qualitätssicherung auf der Baustelle für das Erreichen einer guten Luftdichtheit unerlässlich ist. Dies ist Aufgabe der Bauleitung: Die entsprechen­den Details müssen mit den Handwerkern durchgesprochen werden, die gewissenhafte Ausführung ist regelmäßig zu kontrollieren. Für alle Bereiche der luftdichten Ebene sollte eine „Abnahme“ mindestens durch Sichtkontrolle erfolgen, bevor eventuelle Leckagen hinter Verkleidungen etc. nicht mehr zugänglich sind. Bei luftdichten Anschlüssen zwischen unterschiedlichen Gewerken müssen vorab eindeutige Absprachen über die Verantwortlichkeit getroffen werden.

Eine Verbesserung der Luftdichtheit hat den erwünschten Effekt, dass die Infiltrations­wärmeverluste sinken. Dies kann aber ohne ausreichende Belüftung zu einem Anstieg der relativen Feuchte der Innenraumluft führen. In der Folge kann sich Kondensat an kalten Innenoberflächen bilden, insbesondere im Bereich von Wärmebrücken und hinter Möbeln, was zu Schimmelbefall und der Schädigung von Bauteilen führen kann. Die Verbesserung der Luftdichtheit im Altbau muss daher zwingend mit den folgenden zwei Maßnahmen einhergehen - sonst können Bauschäden nicht ausgeschlossen werden:

– Anhebung der Innenoberflächentemperaturen durch ausreichende Wärmedämmung der Außenbauteile
– Einbau einer Lüftungsanlage, denn allein durch Fensterlüftung kann ein ausreichender Luftwechsel nicht dauerhaft und zuverlässig sichergestellt werden.

Bei Betrieb von Feuerungsanlagen in sehr luftdichten Gebäuden müssen insbesondere bei Vorhandensein einer Lüftungsanlage Vorsichtsmaßnahmen beachtet werden, um das Austreten gesundheitsgefährdender oder lebensgefährlicher Verbrennungsprodukte (vor allem Kohlenmonoxid) auszuschließen. Auch bei Öfen, die für raumluftunabhängigen Betrieb zugelassen sind (z.B. Pelletsöfen der Dichtheitsklasse D1), sollte sichergestellt sein, dass kein Unterdruck im Gebäude durch eine Fehlfunktion (Disbalance) der Lüftungsanlage entstehen kann. Abhilfe schafft hier eine Differenzdrucküberwachung, die die Lüftungsanlage automatisch abschaltet.


Luftdichtheitsmessung - Blower-Door-Test

Als Qualitätskontrolle für die Luftdichtheit und zugleich letzte Gelegenheit, Leckagen nachzubessern, sollte bei Komplettmoderni-
sierun­gen von Gebäuden auf jeden Fall ein Drucktest (Blower-Door-Messung) durchgeführt werden. Die Durchführung solcher Tests ist in der europäischen Norm EN 13829 beschrieben. In eine Tür- oder Fensteröffnung des Hauses wird ein drehzahlgesteuertes Gebläse eingebaut, das die Luft nach außen oder innen bläst. Der so im Haus erzeugte Über- oder Unterdruck wird auf 50 pa eingeregelt. Auf diese Weise kann getestet werden, ob die luftdichte Ebene an allen Anschlüssen dicht ist. Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch die Zu- und Abluftanlage auf einfachem und kostengünstigem Weg zur Luftdichtheitsmessung eingesetzt werden. Das Gebäude wird für die Messung vorbereitet, indem alle während der Heizperiode normalerweise geschlossenen Öffnungen, wie Fenster und Türen, verriegelt werden. Rohre, wie noch nicht gefüllte Abwassersiphons und die Lüftungsrohre der Frisch- und Fortluft, werden verschlossen. Die einfachste Möglichkeit, Undichtigkeiten zu finden, ist das Fühlen mit der Hand an den typischen Leckagestellen, während das Gebäude unter Unterdruck steht. Die Luftgeschwindigkeit an den Leckagen kann während des Tests auch mit einem Strömmungsmessgerät (Anemometer) gemessen werden. Damit die Leckagen in der luftdichten Hülle während des Drucktests aufgespürt und abgedichtet werden können, sollte der Test direkt nach der Fertigstellung der luftdichten Gebäudehülle, d.h. nach dem luftdichten Einbau aller Außenfenster und Außen­türen, aber unbedingt noch vor dem Innenausbau, stattfinden. Sonst sind Anschlüsse der luftdichten Ebene durch Verkleidungen o.ä. nicht mehr zugänglich und eventuelle Schäden können nicht mehr behoben werden.

Für das Erreichen des Passivhaus-Standards ist eine Gebäudedichtheit entsprechend einem Drucktestergebnis von n50 ≤ 0,6-h erforderlich. Die Luftwechselrate (n50-Wert) mit der Einheit [h-1] bei der Prüfdruckdifferenz von
50 Pa stellt das Ergebnis des Drucktests dar. Sie errechnet sich aus dem gemessenen Volumenstrom bei 50 Pa Druckdifferenz (Mittelwert aus Unter- und Überdruck) in der Einheit [m³/h], geteilt durch das Gebäudeluftvolumen VL in [m³]. Hierbei handelt es sich um die üblicherweise verwendete volumenbezogene Luftdurchlässigkeit eines Gebäudes, die als Nachweisgröße für die Gebäudeuntersuchung verwendet wird. Bei großen Gebäuden wird der Wert manchmal auf die Hüllfläche A [m²] des Gebäudes bezogen. Dann stellt er sich als q50-Wert dar.



Mehr Infos finden Sie unter DBZ.de Webcode DBZ0E20E

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