Die Böhms – Bilder einer Familienarchitektur

Wunderbar das: Gottfried Böhm, 93-jähriger deutscher Architekt und Pritzkerpreisträger, sitzt im Riesenrad. Der Mann lächelt, dann: „Toll! Das ist der Ring vom Peter, dahinten. Vom Paul die Moschee muss dahinten sein. Das ist ein verrücktes Ding!“ Viele Filmminuten später eine Szene im Garten der Architektenfamilie Böhm. Gottfried Böhm spielt Tischtennis. Mit seinem Bruder Paul Böhm. Die beiden alten Männer spielen den Ball gekonnt hin und her. Holt einer den Ball, stützt sich der andere auf der Tischplatte ab.

Oder: Gottfried Böhm in seinem Atelier, in dem sein Vater schon arbeitete. Er fertigt neue Zeichnungen, sämtlich mit der Hand. Langsam schabt die scharfe Klinge über das Papier, mit gleicher Präzision wird der Stift geführt. Detailarbeit, Arbeit am Lebenswerk.

Der Film „Die Böhms – Architektur einer Familie“ hat einen mehrdeutigen Titel. Er beschreibt tatsächlich weniger die Böhms als vielmehr den einen, durch die anderen. Und ein wenig am Rande seine Frau, die 2012 in der Filmarbeit verstorbene Architektin Elisabeth Böhm. Die Böhms, das sind also Gottfried und Elisabeth, Peter und Paul und Stefan. Einer fehlt: Markus, aber der ist kein Architekt, wenngleich er mit seiner Malerei, die er autodidaktiv ausübt, schon so manchen Böhm-Bau farblich gestaltet hat.

Also nicht die Familie, schon weil einer fehlt, eher der Vater, den die Architektensöhne liebevoll ironisch Chef nennen. Also die Architektur einer Familie, die Familienarchitektur. Es geht in dem Film von Maurizius Staerkle-Drux kaum um das Gebaute, es werden wenig Bilder von Architektur gezeigt. Eher dienen ein paar Bauten – so natürlich Neviges, das Rathaus Bensberg, aber auch die schon angesprochene Moschee, als eine Folie, auf der das Kräftespiel der Architekten vermessen wird. Die Zugewandtheiten, das Verletztsein. Die Söhne sprechen auffallend oft nur indirekt über den Vater über sich oder den Bruder. Und Elisabeth, die dem Gottfried bis zu ihrem Ende fest zur Seite stand, spricht rätselhaft und klar über lang zurückliegende Ereignisse oder das Wetter, das gerade vor den großen Fenstern des Architektenhauses in Köln-Marienburg ist.

In die schönen, oft mit langer Kameraeinstellung gemalten Porträtserien, in denen die Kinder und der Vater und auch wenige andere Menschen zu Wort kommen, hat der Regisseur Super-8-Filme eingewoben, die beispielsweise Gottfrieds Vater, Dominikus Böhm, mit seinem Sohn beim Baden im Garten zeigen. Bewegte Bilder aus intimen Familienalben also. Überhaupt überrascht, wie nah die Familie den Filmemacher an sich herangelassen hat, wie teils unverblümt gesprochen und geschaut wird, wie tief die Blicke reichen dürfen hinter die Kulissen einer Architektenfamilie, die in Deutschland, aber sicher darüber hinaus, gut bekannt ist. Vielleicht so sehr, dass man sich ihnen gar nicht anders nähern kann, als über Naheinstellungen und Nähe?

Der Film, der mit dem Ausblasen einer Geburtstagstorte endet, auf dem über 90 Kerzen stehen, hat jüngst den Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts 2014 erhalten. Das Institut für deutsche Kulturvermittlung hat die internationale Lizenz gekauft. Der Film wird in mindestens acht Sprachen untertitelt und weltweit präsentiert. Man kann davon ausgehen, dass das Architektenporträt, das sich so sehr auf das Menschliche stützt und sowohl in Bildern wie in Worten Spannung und hohes Interesse erzeugt, kulturenübergreifend verstanden wird. Das mag auch an der Böhmschen Architektur liegen, viel mehr aber an der überzeugend dichten Art der Darstellung einer Familienarchitektur, wie sie sicherlich vielfach vergleichbar und damit adaptierbar der eigenen Familiengeschichte sein kann. Be. K.

Die Böhms – Architektur einer Familie. Ein Film von Maurizius Staerkle-Drux. Deutschland / Schweiz 2014, realfiction, 86 min., Kinostart 29. Januar 2015

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