Brückeninstandsetzung mit System
Grundlegende Maßnahmen der Instandsetzung

Speziell für statisch hoch belastete Bereiche ist Beton der bevorzugte Baustoff unserer Zeit. Trotz hoher Qualität und Belastbarkeit treten jedoch immer wieder – teilweise durch Umweltbelastungen verursachte – Schäden auf, die eine Instandsetzung und einen umfassenden Schutz erforderlich machen, um die volle Funktionsfähigkeit des Bauwerks sicherzustellen. Es gibt letztlich kein Material, das ewig hält. Je umfangreicher dabei die Schadensermittlung im Vorfeld ist, um so besser ist die darauf basierende Qualität der Instandsetzungsmaßnahmen und um so eher können sowohl die veranschlagten Baukosten als auch die geplanten Fertigstellungstermine eingehalten und damit eine hohe Kostensicherheit erreicht werden. In der Realität jedoch werden – wie die derzeit desolate deutsche Brückeninfrastruktur beweist – viele Bauwerke, die sich im Eigentum öffentlicher Träger befinden, oft über Jahre hinweg zwar untersucht jedoch nicht im erforderlichen Umfang instand gehalten.

Bestandsaufnahme

Das bundesdeutsche Straßennetz ist mit rund 12 845 Autobahnkilometern und etwa
39 700 km Bundesstraßen, mit mehr als 39 000 Brücken und rund 51 000 Teilbauwerken (darunter versteht man Brücken mit getrennten Überbaukonstruktionen je Fahrbahn; jede Überbaukonstruktion wird für sich als Teilbauwerk bezeichnet) eines der dichtesten und leistungsfähigsten in Europa. Die tägliche Beanspruchung der Verkehrsinfrastruktur ist hoch und geht mittlerweile bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit. Tägliche kilometerlange Staus besonders in den Ballungs­zentren verdeutlichen das. Vor allem der Brückenbestand hat seine Kapazitätsgrenzen erreicht. Nach Angaben der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) wurden rund 60 % des Brückenbestandes in den Jahren zwischen 1965 und 1985 gebaut. Das hohe Alter vieler Brücken besonders in den alten Bundesländern, die starke Zunahme insbesondere des Schwerlastverkehrs, die die zum Entstehungszeitpunkt großzügig eingeplanten Be­lastungsreserven ausnutzt sowie eine Instandsetzungspolitik von Bund, Ländern und Kommunen, die sich jahrelang ausschließlich auf das Allernötigste konzentrierte, haben dazu geführt, dass die Brücken vielerorts in besorgniserregendem Zustand sind. „Abgesehen von den erheblichen sicherheitstechnischen Risiken,“ so Dipl.-Ing. Marco Götze, Vorsitzender der Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken e.V., „sind damit unnötig hohe Zusatzkosten für die Instandsetzung entstanden, die durch regelmäßige Kontrollen und durch eine unmittelbare fachgerechte Beseitigung der Schäden vermeidbar gewesen wären.“ Götze verweist darauf, dass sich gerade Schäden im Anfangsstadium mit relativ geringem Kostenaufwand beheben lassen: „Die jetzige Situation wäre vermeidbar gewesen.“

Auf der Grundlage von wissenschaftlichen Untersuchungen und Gutachten hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) bundesweit festgelegt, welche Brücken vorrangig zu untersuchen sind. Bezogen auf die vorhandene Gesamtbrückenfläche sind dies nach Angaben des Ministeriums etwa 25 % des Bestandes. Allein in Nordrhein-Westfalen, das aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens und wegen der besonders ungünstigen Altersstruktur seiner Autobahnen und Bundesstraßen das am stärksten betroffenen Bundesland ist,
stehen rund 800 Brückenbauwerke im Fokus. Von 152 bislang überprüften Bauwerken müssen laut Landesbetrieb Straßenbau NRW (Straßen.NRW) 71 Brückenbauwerke mittel- bis langfristig ersetzt werden.

Vorsorglich hat die Bundesregierung schon einmal ihren Investitionstopf für die Bauwerkserhaltung aufgestockt – allerdings zu Lasten der Mittel für den Neu- und Ausbau der Bundesfernstraßen. Für 2013 stehen mehr als 2,5 Mrd. € Erhaltungsmittel bereit. Sie sollen bis 2017 um rund 100 Mio. € pro Jahr und dann auf 2,85 Mrd. € aufgestockt werden. 830 Mio. € pro davon sollen dieses Jahr in die Brückeninstandsetzung fließen, 2014 soll dieser auf 950 Mio. € pro steigen und 2015 sogar auf rund 980 Mio. €. Zum Vergleich: Bis 2009 wurden im Schnitt nur rund 330 Mio. € pro Jahr in die Reparatur von Brückenbauwerken investiert.

Entsprechend der vom BMVBS gemeinsam mit den Ländern entwickelten Strategie zur Brückenerhaltung müssen nach bundesweiten Untersuchungen und Erhebungen vorrangig allein etwa 2 200 Betonbrücken einem genaueren Check unterzogen und je nach Zustand in den nächsten 10 bis 15 Jahren verstärkt, erneuert oder instandgesetzt werden.

Regelmäßige Brücken-Prüfungen

Grundsätzlich wird jede Brücke gemäß DIN 1076 „Ingenieurbauwerke im Zuge von Straßen und Wegen – Überwachung und Prüfung“ regelmäßig und systematisch durch sachkundige Ingenieure überprüft. Alle 6 Jahre steht eine umfassende Hauptprüfung mit Spezialgeräten an, 3 Jahre nach der Haupt­prüfung folgt die sogenannte einfache Prüfung. In den Jahren ohne Prüfung führt die zuständige Autobahn- oder Straßenmeisterei eine Besichtigung durch, zusätzlich erfolgt 2-mal pro Jahr eine systematische Beobachtung durch die Straßenwärter der zuständigen Meisterei. Außerdem gibt es Prüfungen aus besonderem Anlass, etwa nach Verkehrsunfällen oder Hochwasser. Bei jeder Prüfung werden sämtliche Schäden im sogenannten Brückenbuch dokumentiert. Es wird beim Bau einer jeden Brücke angelegt und enthält die wichtigsten Daten über Konstruktion, Schäden sowie Instandsetzung und begleitet das Bauwerk bis zu seinem Nutzungsende.

„Es ist keine Ermessenfrage“, betont Götze, „ob eine Prüfung gemäß den Vorgaben der DIN 1076 oder der Instandsetzungs-Richtlinie erfolgt, sondern eine Verpflichtung. Regelmäßige Bauwerksprüfungen dienen nicht nur der Sicherheit, sondern auch dem langfristigen Erhalt. Ein rechtzeitig erkannter Instandsetzungsbedarf,“ so Götze weiter, „und die damit verbundene Schadensbegrenzung minimiert die Aufwendungen und kann die Lebensdauer eines Bauwerks deutlich erhöhen.“ Gleichzeitig reduzieren Eigentümer und Nutzer so ihre haftungs- und strafrechtlichen Risiken.

Bildung der Schäden

Die Ursachen für die Brückenschäden sind vielfältig. Neben statischen und dynamischen Belastungen sind Planungsfehler (falsche Dimensionierungen, ungeeignetes Material, unzureichendes Gefälle) und Verarbeitungsfehler (ungenügende Betonverdichtung oder zu geringe Mindestbetondeckung der Bewehrung) zu nennen. Witterungs- und Umwelteinflüsse (Regen, Schnee, Frost, Tausalz) führen zu Materialveränderungen. Fugen, Anstriche und Abdichtungen altern und werden mit der Zeit spröde. Dringt nun durch schadhafte Abdichtungen über Risse und Kiesnester oder durch mangelnde Verdichtung des Betons Feuchtigkeit in das Bauwerk ein, führen Frost und eine durch Rost bewirkte Volumenvergrößerung der Bewehrung zu einer Lockerung der darüber liegenden Betonschicht, die schließlich abgesprengt wird. Teilweise freiliegende Bewehrungseisen sind so ungeschützt der weiteren Rostbildung ausgesetzt.

Feststellung der Schäden

Mit der Erhebung und Beurteilung von Schäden sowie der Planung von Schutz- und Instandsetzungsarbeiten sollte ein sachkundiger Planer beauftragt werden, der die erforderlichen Kenntnisse auf dem Gebiet von Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken hat. Die Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken e.V. bietet hier Unterstützung durch ihre Mitglieder.

Das Schadensmonitoring, also die Feststellung der Schäden, erfolgt je nach Bauwerk unter Einsatz von Brückeninspektionsgeräten, Hubarbeitsbühnen oder Einrüstungen unter Berücksichtigung von Schäden und Mängel, die bereits bei vorangegangenen Prüfungen festgestellt wurden. Aussagekräftige Prüftechniken sind:

– Abklopfen von Betonflächen mit dem Prüfhammer

– Messung der Betondeckung mit dem Profometer

– Bestimmung der Festigkeit mittels Rückprallhammer

– Feststellung der Karbonatisierungstiefe mittels Indikatortest

Sämtliche Schäden werden mittels Fotoaufnahmen und Eintragungen in die Bauwerkspläne dokumentiert. Alle im Rahmen der Bauwerksprüfung festgestellten Schäden werden in einem Prüfbericht zusammengefasst und in Bezug auf die Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit bewertet. Als Hilfsmittel für die Einordnung dient die Richtlinie zur einheitlichen Erfassung, Bewertung, Aufzeichnung und Auswertung von Ergebnissen der Bauwerksprüfung nach DIN 1076 (RI-EBW-PRÜF). Sie ermöglicht auf einer Notenskala von 1,0 bis 4,0 die einheitliche und objektive Bewertung für jeden festgestellten Einzelschaden. Zusätzlich stehen elektronische Brückenprüfprogramme zur Verfügung.

Grundlagen der Instandsetzungs­maßnahmen

Die Planung und Ausführung der Instandsetzungsmaßnahmen erfolgen nach der Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten (ZTV-ING). Um die Instandsetzungsmaßnahmen im Detail planen zu können, sind in der Regel außer den im Rahmen des Schadensmonitoring durchgeführten Untersuchungen weitere Prüfungen erforderlich. Dabei erfolgt etwa die genaue Chloridgehaltbestimmung durch die Entnahme von Betonbohrmehlproben. Für die Druck- und Haftzugfestigkeitsprüfung werden Bohrkerne entnommen. „Je umfangreicher die Voruntersuchungen,“ betont Götze, „umso besser die darauf basierende Qualität der Planung, desto eher können sowohl die veranschlagten Baukosten als auch die geplanten Fertigstellungstermine eingehalten und damit eine hohe Kostensicherheit erreicht werden.“

Kosten- und Terminsicherheit durch genaue Planung der Maßnahmen

Maßnahmen wie die Instandsetzung der Alten Brücke in Frankfurt am Main bestätigen diese These. Bei dem aus dem 1920er-Jahren stammenden Bauwerk, das im letzten Krieg schwer beschädigt wurde, hatten Untersuchungen gezeigt, dass die Pfeiler äußerst marode und in ihrer Standfestigkeit massiv eingeschränkt sind. Eindringendes Wasser hatte den Fugenmörtel teilweise ausgewaschen. Die Instandsetzung erfolgte schließlich durch Injizierung von hydraulischen Bindemitteln zur Homogenisierung und Festigkeitserhöhung des Pfeilerkörpers. Die von der Firma Arcadis, ein führender internationaler Anbieter von Beratungs-, Projektmanagement- und Ingenieurleistungen in den Bereichen Infrastruktur, Wasser, Umwelt und Immobilien entwickelte und von der Kasseler Spezialfirma w + s bau-instandsetzung gmbh, einem Mitglied der Landesgütegemeinschaft Betoninstandsetzung und Bauwerkserhaltung Hessen-Thüringen e.V. durchgeführte Lösung bot eine maximale Reduzierung der Wasserdurchlässigkeit, eine optimale Erhaltung sowie die Sicherung bzw. Erhöhung der Tragfähigkeit und war zudem von maximaler Dauerhaftigkeit.

Obwohl Injektionsverfahren gemeinhin als Kostenrisiko und als schwer kalkulierbar gelten, wurde dabei der kalkulierte Kostenrahmen exakt eingehalten. Ausschlaggebend waren:

– eine gründliche Voruntersuchung

– ein Instandsetzungskonzept und die Zielfestlegung der Maßnahme, basierend auf der Voruntersuchung

– die Probeinjektion nach DWA M 506

– eine Kostenberechnung, auf Basis der Probeinjektion

– die Auswahl eines geeigneten Fachunternehmens

– eine Qualitätssicherung und die Kontrolle des Unternehmens vor Ort

– die zusätzliche Kontrolle der Arbeiten durch eine dafür anerkannte Prüf- und Überwachungsstelle.

Die letztgenannte Aufgabe erfolgte durch die Prüf- und Überwachungsstelle der Bundesgütegemeinschaft, bei der die einwandfreie Arbeit entsprechend dem geltenden Regelwerk bestätigt werden konnte.

„Die Fremdüberwachung durch die Überwachungsstelle der Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken sollte bei derartigen Maßnahmen selbstverständlich sein und ist unverzichtbar“, bestätigt Dipl.-Ing. Philipp Rüsch, Bauleiter der Firma Bauschutz GmbH & Co. KG NL Nord, die in einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE) gemeinsam mit den Firmen BIB Bauen im Bestand GmbH und BIT Bauwerkserhaltung GmbH, alles Mitglieder der Landesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern, die Betoninstandsetzung an der Ostrampe der Köhlbrandbrücke durchführten. Ein ständig laufendes Instandhaltungsprogramm, das u. a. umfassende Betoninstandsetzungen vorsieht, sorgt dafür, dass diese wichtigste Ost-West-Verbindung innerhalb des Hamburger Hafens auch in Zukunft den hohen Verkehrsbelastungen ohne Einschränkungen gewachsen sein wird.

Stück für Stück wird die gesamte Brückenunterseite dabei abgeklopft und auf Hohl- und Fehlstellen überprüft. Sämtliche Schadstellen werden zunächst mit Kreide markiert, später wird der geschädigte Beton mit leichtem Stemmgerät und Druckluft entfernt. „Oftmals,“ so Dipl.-Ing. Philipp Rüsch, „stellen wir erst bei dieser Gelegenheit fest, dass die Beschädigungen deutlich größer sind, als es zunächst den Anschein hatte.“

Anschließend werden die freigelegten Bewehrungseisen mechanisch, durch Strahlen, entrostet. Dann werden ein 2-facher Korrosionsschutz sowie eine Haftbrücke aufgetragen. Diese stellt eine gute Verbundhaftung für den nachfolgenden Reparaturmörtel sicher, mit dem die Stellen wieder verschlossen werden. Abschließend wird die Schadstelle mit einem Feinmörtel verschlossen und – je nachdem, ob sich eine Bewehrung in der Schadstelle befindet oder nicht – mit einem CO2-bremsenden Anstrich versehen. Alternativ wird lediglich ein Nachbehandlungsmittel aufgetragen, um die verspachtelten Stellen vor zu schnellem Austrocknen zu schützen. Besonders große Schadstellen werden mit Spritzbeton geschlossen.

Wie ein Flickenteppich sieht die Brücke von unten aus, wenn die Instandsetzungsarbeiten abgeschlossen sind. Jede einzelne Schadstelle ist als heller Fleck gut erkennbar. Ein durchgängiger Oberflächenschutz soll jedoch nicht aufgetragen werden. „Nur so können wir erkennen, wie die Brückenunterseite sich zukünftig verhält,“ erklärt Philipp Rüsch, ob sich hier neue Risse bilden, oder ob die sanierten Bereiche weiter arbeiten und sich hier neue Fehlstellen entwickeln.“

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