Bauer hält Hof
Sanierung einer historischen Scheune, Niederbayern

Auf einem abgelegenen, ehemaligen Bauernhof wurde eine alte Wirtschaftsscheune mit der dazugehörigen Tenne zu einem komfortablen Wohnhaus umgebaut. Dafür wurde der alte Dachstuhl samt seinem Sprengwerk zwischenzeitlich vollständig zerlegt.

Alles ist offen und gastfreundlich. Damit sich das auch in Zukunft nicht ändert, möchte der Eigentümer den genauen Standort seines neuen Heimes nicht veröffentlicht wissen. Nur so viel: in Niederbayern, irgendwo zwischen Lindau und Passau. Tatsächlich ist das dort anzutreffende, topographische Relief recht gleichförmig. Sanfte kegelartige Hügel wechseln sich mit mäandernden Bachlandschaften ab, welche in nicht übermäßig tiefen Senken verlaufen. Diese wenden sich tendenziell nach Südwesten - hin zur Donau, welche die Landschaft im Osten begrenzt.

Die Hofanlage liegt an dem nordwestlichen Übergang einer Talniederung zum eher buschwerkartigen Bewuchs einer Hügelkuppe und bildet eine C-förmige, talabgewandte Figur. Im Prinzip ist es ein traditioneller Vier-Seiten-Hof. Die fehlende nordwestliche Seite wird jedoch durch eine Böschung ersetzt, welche in der Hanglage des Hofes begründet ist. Das Ensemble besteht aus der großen, ehemaligen Scheune sowie zwei kleineren Gebäuden, seitlich im rechten Winkel dazu angeordnet. Das Südwestliche davon, welches auch näher zur erschließenden Straße liegt, ist das alte bäuerliche Wohnhaus. Dessen Sanierung und Ausbau ist ein zukünftiges Projekt.


Erdgeschoss

Der neue Eingang ist letztendlich auch der Alte und führt durch das alte Tennentor vom Hof aus hinein. Der Bereich hinter dem Tor dient als zweigeschossiges Eingangsfoyer. Diese Achse teilt den Neubau im Verhältnis 1:3. In dem größeren, südwestlichen Flügel, der einmal der Kuhstall war, findet sich eine komfortable zweigeschossige und weitgehend offene Wohnlandschaft, mit Kinderzimmern, mehreren Arbeitsräumen und der Küche. Der kleinere, nordöstliche Flügel, einst ein offener Bereich, in dem das Heu gedroschen wurde, ist nunmehr geschlossen und nimmt das Elternschlafzimmer, ein Arbeitszimmer sowie den Hauswirtschaftsraum auf. Über einen Durchgang, der sich mit einem wuchtigen Rolltor schließen lässt, gelangt man von dem Foyer in einen „Leben + Tanzen“ bezeichneten Wohnraum, der von einem offenen Kamin dominiert wird. Dieser Bereich ist zudem über ein mit Gipskarton verkleidetes Garagentor mit einem weiteren Raum verbunden. Dieses Nebenzimmer ist als zuschaltbare Bühne für hausinterne Konzerte konzipiert. Über eine Passage, die dieses saalartige Ambiente mit einem sehr geräumigen Raum über Eck verbindet, gelangt man in die andere Hälfte der vielleicht 160 m² großen Wohnlandschaft. Eine Tafel für mindestens zwölf Personen dominiert diesen Raum. Daneben gähnt einladend eine geräumige Sitz- und Liegemulde. Eine weiß lasierte Anrichte trennt diese Niederung des Müßiggangs vom Essbereich daneben. In diesem flachen Quader sind, jeweils auf der entsprechenden Seite, das Essgeschirr und die unentbehrlichen Bestandteile des elektronischen Homeentertainments untergebracht.

Erwähnenswert ist hier auch eine kaum wahrzunehmende Zimmertür im Einbauschrank gegenüber. Sie führt sehr diskret in ein weiteres Arbeitszimmer, diesmal in der Südwestecke des Hauses. Die große Tafel fluchtet auf eine große gläserne Schiebetür, die sich hin zum intimen Hof öffnet. Zum Tal hin gibt sich der Bau eher verschlossen. Für ausreichend Tageslicht ist im Erdgeschoss dennoch gesorgt: über ein durchlaufendes Lichtband von elf Fenstern.


Obergeschoss

Eine offene, zweiläufige Treppe führt in der ehemaligen Tenne nach oben und trifft dort auf eine brückenartige Verbindung. Diese kreuzt die Eingangshalle und ist Teil eines Flures in der Mittelachse des Obergeschosses. Spätestens hier ahnt man, dass das Haus ein Neubau ist und nicht ein sanierter Altbau: Die tragenden Wände, wie auch die vermeintlichen Dachschrägen bestehen aus Sichtbeton. Dazwischen definieren mit Eichenholz beschlagene Leichtbauwände die einzelnen Raumeinheiten. Belichtet wird die Etage über so genannte Lichtkanonen, welche im Bereich des Daches gaubenartig ausgeführt sind. Sie vergrößern augenfällig den Innenraum, sind aber nicht nach außen ausgestellt und schließen damit bündig mit dem Dach ab. Eine vielleicht 40 cm hohe Stufe trennt diese Zimmererker von dem Niveau des Fußbodens. Entsprechend werden sie vornehmlich als Spiel- und Liegewiese genutzt.


Konstruktion

Ihre konstruktive Notwendigkeit verdanken diese einladenden Orte dem Umstand, dass der Neubau eine maßgefertigte Betonskulptur ist, die quasi unter das Dach der bestehenden Scheune geschoben wurde. Tatsächlich hatte man aber während der Bauzeit das bestehende alte Dach samt dem Sprengwerk säuberlich demontiert und zur Seite gelegt. Formgebend für die neue Wohnplastik waren die alte Gebäudegröße sowie die vorgefundene Dachunterkonstruktion, was insbesondere die Schalung der Schrägen zu einer handwerklichen Zimmermannsarbeit machte. Infolge der großen Neigung musste nicht nur eine Innenschalung, sondern auch eine Außenschalung erstellt werden. Die Erker wurden erst in einem zweiten Schritt an das Volumen angeformt. Der schließlich mit Bitumenschindeln eingedeckte Baukörper ist auch die wasserführende Schicht. Das alte Dach, darauf in offener Bauweise neu errichtet, besitzt entsprechend keine Anforderung an Dichtigkeit. Weitere Lichttrichter finden sich nicht nur unter der Dachschräge, sondern auch als Durchbrüche an den Stirnseiten.

Bewusst entschied sich der Münchener Architekt Ilg für unterschiedliche Brüstungshöhen, so dass die Position der Öffnungen zunächst willkürlich anmutet, tatsächlich wurden aber so faszinierende Perspektiven, oft auf den Himmel, geschaffen. Der Beton-Nukleus weist keinen First auf, sondern ist oben abgeflacht und dort über ein vertikales Lichtgeschütz als Freisitz zugänglich. Obwohl dieser Ort direkt unter dem historischen Dach gelegen ist, überrascht hier die Helligkeit: In die Dachfläche eingestreute Glasbausteinschindeln sorgen neben den offenen Ortgängen für angenehm viel Licht.


Dach als Schirm

Ilg vergleicht das neu aufgesetzte, alte Dach gerne mit einem Sonnenschirm, da es im Sommer vor allem Schatten spendet. Die Hitze kann sich, bedingt durch die offene Konstruktion, darunter nicht stauen. Auch im Winter mildert dieser zusätzliche Witterungsschutz die Temperaturextreme und senkt so auch den Energiebedarf. Der thermische Schirm begünstigt zudem das energiesparende Heizkonzept des Hauses. Über eine Sole-Wärmepumpe, welche die Wärme des Grundwassers nutzt, wird eine Fußbodenheizung betrieben, welche grundsätzlich eine geringere Vorlauftemperatur als herkömmliche Radiatoren benötigt. Mit ihr werden alle Räume beheizt.


Fazit

Dem Architekten war eine gewisse Ambivalenz in der architektonischen Wirkung wichtig: Einerseits sollte die historische Hoffigur erhalten bleiben, insbesondere das Verhältnis und die Dimension der einzelnen Gebäudeteile zueinander. Tatsächlich wurde eigens dafür die neue Wohnskulptur ein wenig in das Erdreich versenkt. Nur so ließ sich die alte Gebäudehöhe in dieser Konstruktion bei zwei Vollgeschossen erreichen.

Andererseits sollte der architektonische Eingriff auch eine formale Entsprechung bekommen und ablesbar sein, wenn auch nicht auf den ersten Blick. Eine bescheidene und doch bemerkenswerte Intention, die letztendlich der Lehre der Denkmalpflege entspricht: Zeige und schütze das Alte und mache das neue ablesbar. Auch wenn der Bau beileibe kein Denkmal ist, denkwürdig ist er schon - da vorbildlich.

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