Bauen – aber wie?
Konventionelle Bauart versus Modulbauweise

Wir brauchen Raum, um zu planen und zu bauen und jeder Planungs- und Realisierungsvorgang nimmt unterschiedlich viel Zeit in Anspruch. Somit stehen Raum und Zeit in einer engen Beziehung und Wechselwirkung zueinander.

Aber gerade in dichtbebauten Innenstadtbereichen steht uns häufig wenig Raum zur Verfügung. Dies trifft für fast alle Bauaufgaben im Bestand zu und Planen und Bauen im Bestand bildet in Deutschland inzwischen den größten Teil der gesamten Architektentätigkeit. Die daraus resultierenden Baustellenbelastungen lassen sich in direkte und indirekte unterteilen:

– zu den direkten zählen im Wesentlichen Lärm, Staub, Abgase und Vibrationen

– zu den indirekten Absperrungen, Umwege und Interimslösungen

Das sind Belastungen, denen die Nutzer der Bestandsbauten, die unmittelbare Nachbarschaft, aber auch unsere Umwelt zum Teil über einen längeren Zeitraum ausgesetzt sind. Dies trifft insbesondere auf komplexe Anlagen zu, wie z. B. Krankenhäuser und  Hochschulen. So werden Krankenhäuser permanent saniert, umgebaut, modernisiert oder erweitert, um den sich ständig änder­nden Anforderungen an räumliche und technische Standards nachzukommen. Auch die immer größer werdende Konkurrenz auf dem Markt zwingt viele Betreiber, zusätzliche Angebote zu schaffen und höhere räumliche Qualitäten zu etablieren.

Die Reduktion der Baustellenzeiten, auch unter dem Kostenaspekt, ist somit eine logis-tische Herausforderung bei allen Baumaßnahmen. Dennoch lassen sich viele Unvorhersehbarkeiten, wie bspw. ungünstige Witterungseinflüsse oder Insolvenzverfahren, nicht im Vorfeld einer baulichen Maßnahme prognostizieren. Einen Lösungsansatz beschreibt die Modulbauweise. Vor diesem Hintergrund stellen sich folgende Fragen: – Gibt es beim Modulbau signifikante ge- stalterische, konstruktive und monetäre Unterschiede gegenüber dem konventio- nellen Bauen?

– Wo hat der Modulbau seine Grenzen im Hinblick auf Konstruktion und Wirtschaftlichkeit?

– Sind Modulbauten wirklich nur als Interimslösungen anzusehen oder haben sie inzwischen den Anspruch als Langzeitimmobilien?

Bevor unser Büro vor über 15 Jahren die ersten Modulbauten realisierte, mussten wir harte Überzeugungsarbeit leisten, da unsere Auftraggeber dieser Bauweise sehr skeptisch gegenüber standen. Modulbauten der ersten Generation, besser bekannt als Containerbauten, waren fast ausschließlich für temporäre Nutzungen konzipiert. Räumliche und architektonische Qualitäten waren nicht ansatzweise erkennbar. Erst durch die Realisierung qualitativ hochwertiger Modulbauten, die nicht einmal mehr von Fachleuten als solche identifiziert werden konnten, wurden die meisten Vorurteile abgebaut. Inzwischen steigt die Nachfrage nach Modulbauten kontinuierlich. Die heute auf dem Markt ange­botenen Systeme sind baukonstruktiv aus­gereift, energietechnisch optimiert und architektonisch gleichgestellt mit den konventionell errichteten Bauten.

Inzwischen ist es selbstverständlich, dass bei anstehenden Projekten mit einem engen Zeitfenster oder sehr beengten Baustellenverhältnissen viele Auftraggeber auch über die Möglichkeit mit Modulen zu bauen diskutieren wollen. Ein weiterer Grund für den Einsatz von Modulen liegt vor, wenn es sich um technisch hoch installierte Gebäude handelt oder um Bauten mit vielen identischen Nutzungseinheiten. Hierzu zählen bspw. Intensivstationen, OP-Abteilungen, allgemeine Pflegebereiche sowie Laboreinheiten. Wir können auch sagen, je höher die technische Gebäudeausstattung, umso sinnvoller der Einsatz von Modulbauten.

Marktanforderungen

Grundsätzlich ist die Entscheidung für eine Bauweise auch mit einer bestimmten Erwartungshaltung seitens der Auftraggeber verbunden. So wird vom Modulbau in der Regel mehr erwartet als von einem konventionell erstellten Gebäude. Neben kürzeren Bauzei­ten und qualitativ hochwertigen Details und Standards werden auch höhere Anforderungen an Termin- und Kostensicherheit gestellt. Darüber hinaus erwarten einige Kunden, dass für die Module, wie bei allgemeinen Anschaffungsgütern, vom Hersteller eine Produkthaftung übernommen wird.

Die nachfolgende bewertende Betrachtung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern konzentriert sich auf die wesentlichen Aspekte und Entscheidungskriterien.

Zeitvorteile

Mit der Entscheidung für die Modulbauweise beginnt auch die Zeit zu laufen. Der ambitionierte Terminplan fordert von den am Projekt Beteiligten, dass alle Festlegungen und die dazu erforderlichen Entscheidungen kurzfristig erfolgen. Eine baubegleitende Planung ist beim Modulbau nur begrenzt möglich. Die daraus in der Regel resultierenden Mehrkosten fallen nicht an.

Die Umsetzung erfolgt parallel, das heißt die Fundamente oder aber das Untergeschoss werden konventionell vor Ort erstellt, während gleichzeitig die einzelnen Module in den Werkhallen der Modulbaufirmen produziert werden. Die Produktion der Module ist vergleichbar mit der Produktion in der Autoindustrie. Auch hier werden in witterungs­geschützten und konditionierten Werkhallen die einzelnen Montageabschnitte durch ein eingespieltes Team erstellt. Verzögerungen durch schlechtes Wetter entfallen, die Arbeitsplatzqualität für die Bauarbeiter ist sehr hoch.

Die Module können, je nach nutzungs­spezifischen Anforderungen, einen Vorferti­gungs­grad von über 90 % erreichen. Alle Oberflächenbeläge, Sanitärobjekte, Beleuchtungselemente, Medientrassen und andere Festeinbauten werden im Werk installiert. Je nach Projektgröße werden dann die Module an einem oder mehreren Tagen vor Ort aufgestellt. Die Endarbeiten an Außenwänden, Dächern und inneren Verbindungen sind in der Regel in acht bis zwölf Wochen beendet.

Qualitätsvorteile

Insbesondere bei hoch installierten Einheiten, wie OP-Sälen, Laboren oder Intensivstationen kommt es auf eine präzise Ausführung des Innenausbaus an. Alle Innenräume können individuell gestaltet werden. Materialien, Farben und Einbauobjekte werden durch den Architekten und seine Fachberater festgelegt. In alle größeren Projekte unseres Büros werden, unabhängig von der Bauweise, bildende Künstler involviert, damit wir gemeinsam ein noch höheres Maß an Gestaltqualität innen und außen erreichen.

Jahrzehntelange Erfahrung, angereichert durch innovative Entwicklungen, begünstigt eine permanente Optimierung der Produkte. Die Detailqualität ist sehr hoch, da die Module auf einer Produktionsstraße erstellt werden. Die auf konventionellen Baustellen üblichen Maßtoleranzen treten beim Modulbau nicht auf. Die gut eingespielten Teams, die seit Jahren zusammen arbeiten, sind jeweils für einen bestimmten Produktionsabschnitt verantwortlich. Auch die Endmontagearbeiten vor Ort erfolgen in der Regel durch handverlesene Firmen, die ebenfalls regelmäßig zusammen arbeiten.

Umweltvorteile

Umweltschutz und ökologisch-ökonomischer Einsatz von Materialien und Energie wird inzwischen auch beim Bauen groß geschrieben. Der computergesteuerte Lasereinsatz beim Zuschnitt reduziert signifikant die Abfallmengen sowie den Gesamtenergiebedarf. Die Baustelle vor Ort wird auf die Erstellung der Fundamente oder eines Untergeschosses sowie die Endmontage reduziert. Baustellenbelastungen wie Lärm, Staub, Abgase und Erschütterungen werden sehr stark reduziert, ebenso der Baustellenverkehr.

Betrachtet man den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, so muss auch das Thema des Rückbaus und der Entsorgung entsprechend  bewertet werden. Aufwendige Abbrucharbeiten mit Teilsprengungen bei konventionell errichteten Bauten erzeugen erneut Belastungen für Mensch und Umwelt. Die Module dagegen können leise und staubfrei entfernt werden.

Nach Demontage der Außenhülle können die einzelnen Module aufgenommen und abtransportiert werden. Aufgrund der weitestgehend additiven Bauweise können Module fast vollständig und somit umweltschonend recycelt werden. Auch eine Wiederverwendung nach Runderneuerung ist möglich. Die Stahlprimärkonstruktion ist extrem langlebig. Die abgenutzten Oberflächen können demontiert und durch neue ersetzt werden, dies gilt auch für alle Installationen und Einbauten.

Grenzen des Modulbaus

Aufgrund baukonstruktiver und verkehrstech­nischer Belange sind dem Modulbau deutliche Grenzen gesetzt. Die maximale Stapelung liegt aus wirtschaftlichen Gründen zurzeit bei ca. sechs Vollgeschossen, bei einer maximalen Geschoßhöhe von 4 m.

Zu beachten sind auch die Verkehrsinfrastruktur sowie die geltende Straßenverkehrsordnung. Die Schwertransporte müssen das vorhandene Straßennetz sowie Verkehrsbauwerke wie  Brücken oder Tunnelanlagen passieren. Dies führt zu limitierten Abmessungen der einzelnen Module, die zurzeit ca. 6 m in der Breite, 4 m in der Höhe sowie ca. 20 m in der Länge betragen. Die Transporte sowie die Transportwege müssen rechtzeitig bei den zuständigen Behörden angemeldet werden und dürfen in der Regel nur zu bestimmten Tageszeiten stattfinden, teilweise auch mit Polizeibegleitung.

Konstruktionsbedingt sind die einzelnen Module in sich abgeschlossen. Die Anforderungen an die Statik beinhalten alle Lastfälle, die bei jedem Gebäude berücksichtigt werden müssen. Darüber hinaus muss die Stahlkonstruktion der Module auch für den Lastfall der Verladung durch Kräne ausgelegt werden. Durch das Aufnehmen mit einem Lastenkran auf dem Werksgelände sowie beim Entladen und Positionieren der Module auf der Baustelle darf es nicht zu Verformungen der Tragkonstruktion kommen.

Problembereiche und Nachteile

Raummodule werden, als in sich abgeschlossene Einheiten, nebeneinander und über­ein­ander aufgestellt. Die Aufstellung neben­ein­ander führt zu einer Verdoppelung der Innenwände, die Aufstellung übereinander führt zu einer Verdoppelung der Deckenkonstruktion.

Dies führt zu einer höheren Bruttogeschoßfläche BGF und zu einem höheren Bruttorauminhalt BRI. Abhängig von der Objektgröße kann es bspw. zu Längendifferenzen kommen, die gegenüber einem konventionell errichteten Gebäude mehrere Meter betragen können. Das wiederum kann Einfluss auf die Abstandsflächen, die brandschutztechnischen Belange oder auf die räum­liche Qualität der Gesamtsituation haben. An Schnittstellen zu bestehenden Baukörpern ist ein möglicher Höhenunterschied zu beachten. Zum Ausgleich müssen Differenzstufen, Rampen oder Durchladeaufzüge eingeplant werden. Bei den Fassaden muss der Höhenversatz gestalterisch gelöst werden. Die limitierten Gesamtabmessungen sowie die Primärkonstruktion aus Stahl reduzieren zum Teil die Flexibilität bei zukünftigen Nutzungsänderungen.

Bevor eine Entscheidung zugunsten der Modulbauweise fällt, sollte intensiv darüber nachgedacht werden, wie lange das Gebäude benötigt wird und welche Nachnutzung in Frage kommt. Die Errichtung größerer, stützenfreier Räume in horizontaler oder vertikaler Ausrichtung ist nur in Kombination mit konventionell erstellten Bauteilen möglich.

Resümee

Die Frage, ob mit Raummodulen oder konven­tionell gebaut werden soll, lässt sich wie so oft nicht pauschal beantworten. Jedes Bauwerk ist ein Unikat. Die Prägungen eines Ortes und die spezifischen Anforderungen der Aufgabenstellung sind stets einmalig und verlangen adäquate Entscheidungen und Lösungen. Bei einer objektiven Gesamtbetrachtung können wir jedoch feststellen, dass Modulbau deutliche Vorteile im Hinblick auf Bauzeit, Ausführungsqualität und Umweltschutz für sich verbuchen kann. Die Gesamtkosten sind im Vergleich zu einem konventionellen Generalunternehmer gleich zu setzen. Die Kosten- und Terminsicherheit ist jedoch deutlich höher.

Der Modulbau ist nicht als Ersatz für konventionelles Bauen zu sehen, sondern kann eine interessante Alternative bei bestimmten Rahmenbedingungen bieten.

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