Auszeichnung

Hilti Innovation Center, Schaan/LIE

Vom Tal aus erscheint das Innovation Center als liegender Vorbau vor dem Gesamtareal, der sich auf die flachen Produktionsbauten bezieht und dem vertikal geprägten, höheren Hauptverwaltungsgebäude seine dominante Erscheinung überlässt.

Tragwerk

Im Herzen des Gebäudes wird die Versuchshalle angeordnet, auf die sich alle weiteren Räume beziehen. In Bezug zum Eingangsbereich wird der Hallenraum zum so genannten „Auge“ nochmals um ein Geschoss erhöht, um das darunterliegende Aufspannfeld räumlich zu inszenieren. Dieses dient Erdbebensimulationen und ist unabhängig von der Gebäudestruktur frei gelagert. Der gesamte Hallenraum ist stützenfrei, mit zwei Kränen frei bespielbar und durch die Anordnung auf Ebene der Industriestraße über Fahrgassen mit Lastwagen einfach befahrbar. Die Halle wird mit Stahlfachwerkbrücken in Quer- und Längsrichtung überspannt.

Die Fachwerkträger werden in den acht Betonkernen – die Erschließung und Technikschächte beinhalten – eingespannt und leisten damit die Horizontalaussteifung des Gebäudes. Tragwerk, Gebäudetechnik und Erschließung werden hier synergetisch verbunden. Das Raumgefüge um den Hallenraum wird getragen durch eine Stützenstruktur aus vorgefertigten, eingefärbten Betonstützen. Die Struktur basiert auf einem seriellen und flexiblen Quadratraster von etwa 6,30 x 6,30 m, das räumliche Flexibilität ermöglicht.
Gebäudetechnik und Nachhaltigkeit

Auf der Grundlage der Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut IAO, Stuttgart, entstand im Wettbewerbsprogramm die detaillierte Raumplanung mit den entsprechenden Anforderungen. Die flexibel nutzbaren Bürolandschaften in den Obergeschossen werden ergänzt durch Spezialräume wie Vortragssaal, Sitzungszimmer, Kreativraum, Fitness, Ruheraum und Caféteria. Vor diesem Hintergrund spielte die sorgfältige und klare Anordnung der Gebäudetechnik eine bedeutende Rolle. In acht statisch und erschließungstechnisch bedingten Kernen sind gleichzeitig die Steigschächte für die vertikale Verteilung untergebracht. Die Gebäudetechnik in den Geschossen basiert grundsätzlich auf dem Prinzip der Systemtrennung. Die Erschließung wird nach den technischen Anforderungen aufgeteilt: Im durchgängigen Doppelboden werden die Elektroleitungen über Bodendosen zu den Arbeitsplätzen geführt. Um bei Bedarf überall die gewünschten Nutzungen der Bürolandschaft anordnen zu können, ist die Horizontalverteilung mit Lüftung, Kühlung, Heizung, Sprinkler und Elektro für das Kunstlicht an der Decke modulartig aufgebaut. Die Deckensegel sind vom Gebäudeautomationssystem alle einzeln zur Steuerung von Kunstlicht, Beschattung und Raumklima angeschlossen.

Die Gebäudetechnik entspricht dem neuesten Energiestandard und leistet einen entscheidenden Beitrag zur Nachhaltigkeit. Zur optimalen Bewirtschaftung des Bedarfs ist das Gebäude an den Wärme-Kälte-Verbund der benachbarten Gebäude angeschlossen. Die Kälteerzeugung erfolgt bis zu einer definierten Außentemperatur über Freecooling und die Abwärme der Kältemaschinen wird konsequent genutzt. Die Dachfläche hat Hilti für eine Photovoltaikanlage einem anderen Unternehmen zur Verfügung gestellt. Ein Regenwassertank garantiert die Grauwassernutzung. Das Gebäude erfüllt die Primäranforderungen des Minergie P Standards. Die Closed Cavity Façade entspricht einer energetisch und unterhaltstechnisch optimierten Gebäudehülle mit integrierten Rafflamellenstoren, die in der ausgeprägten Föhnlage von Schaan immer verfügbar bleiben.

Beurteilung der Jury
Bei dem Hilti Innovation Center handelt es sich um einen Erweiterungsbau des Gebäudeensembles der Firma Hilti in Schaan/Lichtenstein. Das Gebäude soll den Ausgangspunkt für die Transformation des bestehenden Produktionsstandortes zum „Innovationscampus Hilti“ bilden. Die Planer wählen hierzu einen unaufgeregten Baukörper, der auf den zweiten Blick mit seiner durchdachten Stringenz, technologischen Raffinesse und hochwertigen Materialität besticht. Die überdurchschnittliche architektonische Qualität zeigt sich schon bei der Integration des Gebäudes in die Umgebung. Zum einen respektiert der Baukörper die Vertikalität des Hauptverwaltungsbaus, zum anderen gelingt es den Architekten und Landschaftsplanern durch  die „Maßstäblichkeit und horizontale Schichtung“ des Gebäudes, einen Dialog mit der Landschaft aufzunehmen.
Inhaltlich soll das Innovationszentrum Forschung, Entwicklung und Produktion unter einem Dach vereinen. Funktionale Anordnung, bau- und tragkonstruktive Umsetzung sowie die Materialwahl zeugen von einer beispielhaften integralen Zusammenarbeit. Das Herz des Innovationszentrums bildet die zentral angeordnete Versuchshalle. Um diese Halle herum sind die Arbeitsbereiche angeordnet, wodurch alle Bürobereiche mit Tageslicht versorgt werden. Durch das auf die Arbeitsbereiche abgestimmt quadratische Stützenraster wird größtmögliche räumliche Flexibilität erreicht. Die zentrale Versuchshalle wird von brückenartigen, sichtbaren Fachwerkträgern überspannt, wodurch einerseits das zentrale Versuchsfeld „räumlich inszeniert“ und andererseits eine zweite Raumebene mit unterschiedlichen „Kommunikationsräumen“ geschaffen wird. Getragen wird diese „Kommunikationsebene“ von „acht Betonkernen“ welche auch Erschließung und Installationsführungen integrieren. Die große Flexibilität und hochwertige Gestaltung zieht sich konsequenterweise bis zur Gebäudetechnik und Innenraumgestaltung durch. Das modular aufgebaute Deckensystem mit integrierter Heizung, Lüftung, Kühlung und der durchgängige Doppelboden ermöglichen eine hochflexible Anordnung und Nutzung von Arbeitsbereichen. Im Zusammenwirken mit der Materialwahl, Möblierung und Lichtplanung wird eine zukunftsweisende Lösung für transparente Bürolandschaften mit wechselnden Anforderungen aufgezeigt.
 

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