Aus dem Gewebe der Stadt stechen
Ein Gespräch mit Paul Böhm in Köln

Das Islamische Kulturzentrum in Köln-Ehrenfeld war von Anfang an umstritten, und gerade wird vieles von dem, was es eigentlich einmal bedeuten sollte – Toleranz, Vielfalt in der Stadt und Gesellschaft etc. – durch Gutachten und Gegengutachten mürbe verhandelt. Wir trafen uns mit dem Architekten des Zentrums, Paul Böhm, auf seiner Baustelle und sprachen weniger über Mängellisten und Gutachterstreit als über Bauherrenbedürfnisse und das Problem der klaren Linie.
Herr Böhm, kommen Sie immer noch gerne hierhin?
Paul Böhm: Ja sicher. Für mich gibt es immer konkrete Themen, Anlässe, wenn ich hierher komme. Zurzeit diskutieren wir mit dem Bauherren über die Oberfläche des Platzes hier hinter uns. Wenn ich hier­hin komme habe ich immer und sofort meine ersten Skizzen vor Augen und die Gedanken und Überlegungen, die wir anfangs hatten und in den Monaten des Baufortschritts weiterentwickelt haben. Damit ist diese Baustelle für mich immer noch eine sehr lebendige Sache.
Stichwort Skizzen: Wie viel werden Sie von dem, was Sie ursprünglich einmal vor Augen hatten, umsetzen können, insbesondere im Versammlungs- und natürlich dem Gebetsaal?
Tatsächlich ist ja bereits viel fertiggestellt und vieles von dem, was wir geplant haben, wurde auch umgesetzt. Was noch spannend wird ist die mögliche Ausgestaltung des Innenraums des Gebetsaals. Da gab es vor kurzem einen spannenden Workshop, den wir begleitet haben, und in welchem sehr interessante Vorschläge erarbeitet wurden. Ich glaube, wir werden da noch gemeinsame Wege finden.
Wie verbindlich sind die Ergebnisse des Workshops?
Die sind noch gar nicht verbindlich. Der Workshop sollte erst einmal Möglichkeiten aufzeigen. Wie das jetzt weitergeht, ist nicht entschieden.
Haben Sie Angst davor, dass Ihr Entwurf am Ende verkitscht wird und gründet diese Angst auf unserer seit Adolf Loos bestehenden Ornamentphobie?
Da gibt es wohl zwei Aspekte. Einmal ist da unsere sicherlich vorhandene und vielleicht nicht genügend reflektierte Angst vor dem Ornament und dem Schmuck im Gebäude. Dann gibt es die Frage, wie kann ich etwas schmücken und mit Ornament versehen, das die moderne Sprache des Baukörpers unterstreicht und mit ihr mitgeht. Ich habe an diesem Projekt gelernt, dass Ornament nicht unbedingt schlecht sein muss. Ich kann mir mittlerweile durchaus vorstellen, dass man mit dem Ornament hier arbeitet. Aber es sollte, nein es muss eine bestimmte moderne Sprache sprechen. Das muss ja nicht immer schreierisch und grell sein, das kann auch sehr fein und dezent werden.
Mancher hat Ihnen vorgeworfen, bereits der Entwurf mit seiner Kuppel und den Minaretten biedere sich an die traditionelle Formensprache an. Was entgegnen Sie solchem?
Das ist doch Unsinn. Schauen Sie doch hin! Ist das ein osmanisches Bauwerk oder ein westeuropäisches? Woran machen Sie das Osmanische fest? An der Kuppel. An den Minaretten. Die Kuppel kommt aus der Antike. Das Minarett gibt es überall im Islam.
Vielleicht ein zeitgenössisch osmanisches? In jedem Falle sieht es aus, wie man sich eine Moschee vorstellt.
Das war aber auch unsere Absicht, dass man sofort erkennen kann, worum es sich hier handelt. Selbstverständlich hat die Formensprache mit den Bedürfnissen des Bauherren zu tun, es hat aber auch mit meiner Vorstellung von Städtebau zu tun. Ein Bauwerk, das eine besondere Funktion für eine Gemeinde hat, muss im Stadtraum eine besondere Ausgestaltung haben, die dann Inhalt und Funktion in diesen Stadtraum erkennbar vermittelt. Ein solches Bauwerk sticht immer aus dem Gewebe einer Stadt heraus.
Konnten Sie aus Ihrer Herkunft aus einer Kirchenbauerfamilie Kaptial schlagen für diesen auch sakralen Bau?
Ja. Im Grunde genommen sind die Bedürfnisse dieselben; die nach einem besonderen Raum, der zum Meditieren, aber auch zum Gebet einlädt. Dieser Raum bietet Geborgenheit und vermittelt Transzendenz. Solche Bedürfnisse haben Muslime genauso wie Christen.
Sie beschreiben Ihren Entwurf häufig als etwas Offenes, das integriert im Stadtraum eingewoben steht. Mir scheint dieses sehr dichte Ensemble aber auch etwas von einer Burg zu haben.
Nein nein! Wir haben ja nicht nur versucht, mit dieser Struktur Aspekte von Offenheit zu artikulieren … die weite Treppe, die geöffnete Kuppel, die ganze Durchwegung … Man kann diese „Burg“, wie Sie sagen, ja von allen Seiten betreten, in sie hineinschauen. Wir haben den Platz möglichst flach erschlossen und gehen davon aus, dass seine funktionale Gliederung über seine ganze Tiefe hinweg das Pub-
likum anziehen wird. Es gibt eine Caféteria, die Bibliothek, das Museum hier vorne, es gibt den Brunnen und fließendes Wasser … Das alles sind Funktionen, Elemente, die die Mitmenschen ansprechen, anziehen werden, da bin ich mir sicher.
Unter uns liegt der Bazar. Welche Geschäfte werden hier eröffnen?
Das managt der Bauherr, die DITIB. Die überlegen, glaube ich, zurzeit, ob sie hier ein professionelles Management engagieren, konkrete Pla­nungen hierzu gibt es aber meines Wissens nicht. Ganz allgemein ist aber ein sehr starker Mix von Angeboten geplant, der natürlich möglichst hochwertig sein sollte. Wunsch und Vorstellung sind jedenfalls, dass das Angebot ein möglichst breites Publikum anziehen sollte.
Können Sie jetzt schon beschreiben, was die größte Herausforderung bei diesem Projekt war?
Die größte Herausforderung ist sicherlich die, für eine Gemeinde einen Gebetsraum zu planen …
… von dessen endgültiger Fassung man aber noch nicht viel sieht …
Naja, der Bau steht, ist aber von innen immer noch mit Gerüst vollgestellt. Aber noch mal, einen öffentlichen Gebetsraum zu schaffen, ist aus meiner Sicht immer noch etwas ganz Besonderes für einen Architekten. Besonders herausfordernd war hier zudem die gesellschaftlich politische Dimension dieses Baus. Natürlich hat jedes Bauen immer eine politische Dimension, aber so wie hier habe ich das in allen vorangegangenen Projekten nicht erlebt. Wir haben mit all den Widerständen und Angriffen in einem gewissen Maße gerechnet. Diese beiden Aspekte wiegen bestimmt nicht wenig, hinzu kommt noch, dass wenn man für Vereine baut oder Gruppierungen, die einem mit wechselnden Protagonisten entgegentreten, dann ist das nicht immer so einfach, jeweils den Wünschen und Anforderungen der jeweiligen Entscheider nachzukommen und gleichzeitig eine klare Linie im Entwurf und der Realisierung beizubehalten.
Ist daran gedacht, über die beiden Minarette zum Gebet zu rufen?
Nein, das ist ausgeschlossen.
Wenn nicht über das Prinzip „Kirchenglockengeläut“, wie wird dann zum Gebet gerufen?
Es wird wohl hier in den Räumen wie auch im Bazar Lautsprecherdurchsagen geben.
Würden Sie das Projekt, heute aus der Beinaherückschau, noch einmal machen?
Ja! Klar!
Auch in gleicher Weise?
Also, wenn ich das nochmal machen würde, würde es anders. Aber das bezieht sich auf alle Bauaufgaben. Sicherlich gibt es Dinge, die ich bei gleicher Aufgabe dennoch immer irgendwie anders machen würde. Details. Anders, nicht gleich besser, eher im Ausprobieren eine andere Möglichkeit finden. Aber gäbe es einen neuen Wettbewerb für eine andere Moschee, sähe die sicherlich anders aus.
Hätten Sie Ihren Bruder gerne hier gehabt für die künstlerische Ausgestaltung der Räume?
Ich habe einmal mit Markus darüber gesprochen, aber von Bauherrenseite war das von Anfang an ausgeschlossen, der Bauherr hat für die künstlerischen Dinge einen Muslimen vorgesehen.
Wann wird eröffnet?
Die Pressesprecherin der DITIB formuliert es mittlerweile recht vorsichtig, die Eröffnung soll in einer für eine Eröffnung angemessenen Jahreszeit stattfinden … das reicht von April bis Oktober, oder?!
Fällt Ihnen dann ein Stein vom Herzen?
Eine Bauphase ist immer aufregend, und die war jetzt besonders aufregend. Ich freue mich aber darauf, wenn das alles, der Platz, die Moschee, die Schulungsräume und der Bazar mit Leben gefüllt werden.
Werden wir Sie hier dann auch mal sehen?
Ja! Ich werde dann auf diesen Platz gehen, ich werde in den Bazar gehen, ich werde auch in den Gebetsraum gehen, mir die Predigten, die Diskussionen anhören. Und ich hoffe, dass das möglichst viele andere auch tun werden.
Das Gespräch führte DBZ-Redakteur Benedikt Kraft am 31. Oktober auf der Baustelle des Islamischen Kulturzentrums in Köln-Ehrenfeld.
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