Angemessene Zurückhaltung
Neue Schönhauser 15, Berlin Mitte

Die Spandauer Vorstadt in Berlin-Mitte ist das größte zusammenhängende Denkmalensemble Berlins. Entsprechend aufmerksam werden bauliche Aktivitäten in diesem historischen Kontext vom Denkmalschutz verfolgt. Mitten in diesem Quartier, in der Neuen Schönhauser Straße, sanierte das Architekturbüro nps tchoban voss das Wohn- und Geschäftsgebäude mit der Hausnummer 15 und ergänzte es im Hof um einen modernen, sensibel eingepassten Neubau.

Flächenerweiterung im Verborgenen

Das so genannte Scheunenviertel, zu dem auch die Neue Schönhauser Straße gehört, ist Teil des Denkmalensembles Spandauer Vorstadt und liegt in unmittelbarer Nähe zum Alexanderplatz. Der Denkmalschutz gilt in diesem Gebiet nicht nur für einzelne Gebäude, sondern zudem für den gesamten Bereich als zusammenhängendes Ensemble. Sein Erscheinungsbild darf nur mit Genehmigung der zuständigen Denkmalbehörde verändert werden. Eingriffe in die Bausubstanz einzelner Gebäude werden durch die Untere Denkmalschutzbehörde im Einvernehmen mit dem Landesdenkmalamt entschieden. Die Sanierung durch die Architekten nps tchoban voss erfolgte dementsprechend äußerlich zurückhaltend.

Das Vorderhaus stammt aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, was auch der hölzerne Laubengang an der Hofseite bestätigt, der als Erschließungsvariante typisch ist für die damalige Zeit und daher unbedingt zu erhalten war. Auch straßenseitig durften keine großen Veränderungen vorgenommen werden. Neu ist hier die vom Denkmalamt genehmigte, angenehm klare Umgestaltung der Schaufensterzone im Erdgeschoss.

Für den Denkmalschutz stehen Werterhalt und Wahrnehmung der historischen Bausubstanz selbstverständlich im Fokus jedes Projektes. Am Standort Spandauer Vorstadt wurde auf zwei weitere Aspekte besonderen Wert gelegt: Zum einen dürfen Höfe weder be- noch überbaut werden, zum anderen muss die Eigenständigkeit der Parzellen erhalten bleiben. Nutzungen dürfen sich also nicht von einem Grundstück auf das nächste ausweiten. Für das Projekt in der Neuen Schönhauser Straße 15 bedeutete das, ein alternatives Konzept für die Erweiterung der Einzelhandelsflächen zu finden, da das Bestandsvolumen dem Bauherren nicht zur Vermietung geeignet erschien. Statt also das Erdgeschoss in den Hof zu erweitern, wurden die Kellerräume in die Nutzung einbezogen. Hierfür wurde die Kellerzone sowohl in ihrer Fläche, nämlich in den Bereich unter dem Hof, als auch in ihrer Höhe, durch Absenken der Kellersohle, deutlich ausgedehnt. Um diese heruntersetzen zu können, mussten zunächst die Kellerwände unterfangen und die bestehenden Fundamente per HDI-Verfahren nach unten verlängert werden. Hierfür wird mittels einer Injektionslanze eine Bindemittelsuspension in den Boden eingebracht, die sich mit dem erodierten Boden mischt und daraus sich ein betonartiger Körper bildet. Dieser wird später durch Abfräsen in Form gebracht.

Nach dem Fertigstellen der Stützen konnte die alte Kellersohle abgetragen und herabgesetzt werden. Diese Maßnahmen stellten im Bezug auf den Denkmalschutz kein Problem dar: „Der Eingriff verändert nicht den Wert oder die Wahrnehmung des Gebäudes“, erläutert dazu Norbert Heuler vom Landesdenkmalamt Berlin. „Da hier bereits Kellerräume vorhanden waren, haben wir die Erweiterung akzeptiert.“

Anpassung an moderne Nutzung

Während die Kellererweiterung also keinen nachhaltigen Konflikt mit dem Denkmalschutz darstellte, gab es über die Größe der straßenseitigen Dachgauben im Vorderhaus unterschiedliche Vorstellungen. Um bei der Sanierung den aktuellen Anforderungen an die Belichtung gerecht zu werden, mussten die vorhandenen Gauben vergrößert werden. Hier hätte der Denkmalschutz eine kleinere Ausführung bevorzugt. Hofseitig waren aus Gründen des Denkmalschutzes keine Gauben erlaubt. Dennoch sollte hier ebenfalls eine größere Fensterfläche für mehr Licht im Innenraum sorgen. Der letztlich gefundene Kompromiss, eine eingeschnittene Dachfläche mit durchlaufender Traufkante, scheint weder die Architekten noch den Denkmalschutz wirklich zufrieden zu stellen – im Kontext der jeweiligen Ziele ist er dennoch als solcher nachvollziehbar.

Auch an den beiden Seitenflügeln im Hof wurde, bis auf das Penthaus auf dem Flachdach des hinteren westlichen Flügels, auf wesentliche äußere Maßnahmen verzichtet. Große Veränderungen gab es hingegen im Inneren der Gebäude, da sämtliche Grundrisse zu modernem Wohnraum umstrukturiert wurden. Erheblicher Aufwand bedeutete dabei die Berücksichtigung der Brandschutzvorschriften in den oberen Geschossen.

Eine große Herausforderung stellen bei der Anpassung historischer Bausubstanz an die steigenden Anforderungen häufig die daraus resultierenden technischen Notwendigkeiten dar. So war es in diesem Fall in erster Linie die technische Versorgung der Ladenflächen, die im Verlauf des Projektes immer wieder zu Kompromisslösungen mit dem Denkmalschutz geführt hat. Die Klimatisierung der Ladenräume machte eine Lüftungsanlage erforderlich, die auf dem Dach des neuen Penthauses aufgestellt wurde. Eine Maßnahme, die für den Denkmalschutz eine grenzwertige Lösung darstellt, da Dachflächen als 5. Fassade des Gebäudes eine große Bedeutung zukommt. Zum anderen wurde die Entrauchung der Kellerräume über die Kellerfenster gewährleistet. Da eine konventionelle Entwässerung der Schächte nicht möglich war, wählten die Architekten ein neues Element der Innenhofgestaltung zum Schutz der Schächte gegen Regen. Ansprechende, hölzerne Sitzgelegenheiten dominieren nun die Sockelzone der Gebäude und laden bei gutem Wetter zum Ausruhen ein. Während die Sitzelemente von den Bewohnern des Hauses sehr gut angenommen werden, tut sich das Denkmalamt mit Blick auf die historischen Bilder der Hofsituation schwer mit der Lösung: „Schön ist im Denkmalschutz kein Kriterium, wenn der Dokumentarwert und das charakteristische Erscheinungsbild des Gebäudes stark beeinträchtigt wird“, erklärt Denkmalpfleger Heuler seine Position.

Der Neubau

Sehr unkompliziert war der Umgang des Denkmalschutzes mit dem neuen Anbau an den östlichen Seitenflügel im Hof. In keiner Weise historisierend wurden die bestehenden Wohnungen an dieser Stelle um einen Raum mit großzügiger Fensterfläche erweitert. Obwohl sich der Anbau in seiner Fassadenoberfläche mit übergeschlemmtem Wasserstrichklinker gegenüber der Putzfassade des Altbaus abhebt und vor allen Dingen die Fassadengliederung eine ganz neue Sprache spricht, ist dieser Bruch nicht unangenehm, da sich der Neubau gerade durch seine dezente Farbgebung nicht in den Vordergrund drängt. Lediglich die schwarzen Fensterrahmen fallen auf. „Wir verwenden Schwarz sehr gerne für

Fensterprofile, da sie in der Tagansicht mit den dann ebenfalls schwarz wahrgenommenen Glasflächen optisch „verschmelzen“ und so die manchmal notwendigen, etwas breiteren Profile nicht weiter störend auffallen“, erläutert der mit der Betreuung des Projektes betraute Architekt Frederik-Sebastian Scholz. „Aus diesem Entwurfsgedanken heraus haben wir das Konzept entwickelt, alle Metallteile des gesamten Gebäudes in dieser dunklen Farbgebung zu beschichten. Gerade bei historischen Bauteilen taucht Schwarz so gut wie nie auf, so dass sich ein deutlich ablesbarer Kontrast zwischen Bestand und moderner Addition ergibt.“

Für ein Architekturbüro ist der Umbau eines denkmalgeschützten Gebäudes, zudem in einem so sensiblen Gebiet, mit viel Aufwand und Geduld verbunden. Zuweilen muss sich der Planer Auflagen unterordnen, die bezogen auf das einzelne Projekt übertrieben erscheinen. Der Denkmalschützer hingegen hat nicht allein das einzelne Projekt im Auge. Er muss darauf achten, dass Charakteristika eines ganzen Gebietes erkennbar bleiben. Werden zu viele Zugeständnisse gemacht, gehen diese irgendwann verloren. Die Neue Schönhauser 15 ist vor diesem Hintergrund ein gelungenes Projekt, dass sich trotz seiner Zurückhaltung in moderner Architektenhandschrift mit angenehmer Klarheit präsentiert. Nina Greve, Lübeck

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