Die Bauwirtschaft muss in den kommenden Jahren den Gebäudebestand in großem Umfang energetisch sanieren, um die Klimaziele zu erreichen. Eine vielversprechende Möglichkeit, Sanierungsprozesse erheblich zu beschleunigen, ist das serielle Sanieren. Durch den hohen Vorfertigungsgrad von Bauelementen, wie beispielsweise Fassaden- oder Dachelementen mit integrierter Anlagentechnik, können Bauzeiten deutlich reduziert werden.
Wegen seiner Neuartigkeit sind die Kosten im seriellen Sanierungsprozess noch relativ hoch. Eine kontinuierliche Weiterentwicklung von Prozessen, Lösungen und Geschäftsmodellen eröffnet Bauunternehmen neue Möglichkeiten zur Kostensenkung. Daneben birgt das Bauen im Bestand besondere Herausforderungen durch die individuellen Gegebenheiten bestehender Gebäude . Hier setzen digitale Werkzeuge an: Building Information Modeling (BIM) und darauf aufbauende Lösungen können einen entscheidenden Beitrag leisten, indem sie mehr Planungssicherheit und eine höhere Prozessqualität ermöglichen. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), automatisierten Modellierungsprozessen und integrierten Nachhaltigkeitsbewertungen bietet zusätzliches Potenzial, die Effizienz deutlich zu steigern.
Das Fraunhofer IPK hat sich zum Ziel gesetzt, Bauprozesse durch Digitalisierung effizienter zu gestalten und setzt dabei auf die BIM-Methodik. Der hohe manuelle Arbeitsaufwand der Modellierung von Bestandsmodellen wird durch KI-gestützte Methoden begegnet. Trotz des IFC-Dateiformats sind Schnittstellen in den unterschiedlichen Softwaresystemen häufig nicht interoperabel. Dieser Herausforderung wird mit digital durchgängigen Planungsmodellen zwischen den verschiedenen Stakeholdern der Baubranche begegnet. Zudem soll die CO₂-Einsparung und Ressourcenschonung durch Ansätze der Ökobilanzierung nachgewiesen werden, um den Sanierungserfolg transparent zu machen. Hierfür bietet das Fraunhofer IPK drei Konzepte und technische Ansätze an, um den Sanierungsprozess erheblich zu verbessern:
1. Scangineering: automatisierte Bestandsmodellierung mit KI
Eine zentrale Herausforderung in Sanierungsprojekten ist die präzise Erfassung des Gebäudebestands. Klassische Aufmaßverfahren sind zeitaufwendig und fehleranfällig. Um diesen Schritt zu verbessern, hat das Fraunhofer IPK den inhouse entwickelten Softwareprototypen Scangineering erprobt.
Wie funktioniert‘s? Scangineering verarbeitet 3D Scandaten (z. B. aus Laserscannern oder Drohnenaufnahmen) und wandelt sie mithilfe von KI-Methoden in ein digitales Bestandsmodell um.Damit werden aufwendige manuelle Modellierungsarbeiten reduziert und die Grundlage für eine durchgängige digitale Planung geschaffen.
Was ist der Mehrwert?
• Schnelle und automatisierte Verarbeitung großer Datenmengen aus 3D Scans
• Erzeugung von präzisen digitalen Bestandsmodellen für Planung und Simulation
• Einheitliche Datengrundlage für alle Projektbeteiligten
2. Ecodesign Assistant: Nachhaltige Planung und Lebenszyklusbetrachtung
Die Bauwirtschaft steht vor der Herausforderung, Nachhaltigkeit in ihre Prozesse konsequent zu integrieren. Enge Terminpläne, traditionelle Bauweisen und die Befürchtung von zu hohen Investitionskosten hemmen den Einsatz nachhaltiger Bauweisen. Zusätzlich erschweren unklare rechtliche Vorgaben und fehlende Transparenz bei der Bewertung des ökologischen Fußabdrucks eine konsequent nachhaltige Planung.
Wie funktioniert‘s? Das Konzept des Ecodesign Assistant unterstützt dabei, bereits in der frühen Phase der Planung Nachhaltigkeitsaspekte einzubeziehen. Über die Integration von Ökobilanz-Daten (LCA) in das digitale Modell können unterschiedliche Sanierungsoptionen früh hinsichtlich CO₂-Emissionen, Materialverbrauch oder Energieeffizienz bewertet werden.
Was ist der Mehrwert?
• Vergleich von Sanierungsvarianten anhand ökologischer Kennzahlen
• Unterstützung modularer und standardisierter Planung
• Förderung einer ganzheitlichen, nachhaltigen Sanierungsstrategie
3. Construction Change Manager: Feedback von der Baustelle und Anpassung im CAD-System
Eine Herausforderung in der Bestandsaufnahme bei der Vorbereitung der Sanierungsmaßnahme sind unvorhergesehene Vorkommnisse am Bestandsgebäude. Diese führen zu abweichenden Planungsdaten und können den Bauprozess stark verzögern. Der Construction Change Manager adressiert dieses Problem, indem er die digitale Rückkopplung von der Baustelle in das Planungsmodell ermöglicht.
Wie funktioniert’s? Vor Ort auftretende Änderungen lassen sich unmittelbar in einer digitalen Abfragemaske aufnehmen. Die erfassten Daten werden über ein Datenmanagement System direkt zurück ins digitale Modell geführt, sodass gezielte Parameteranpassungen im CAD-System möglich sind. Damit entsteht ein kontinuierlicher Feedback Prozess, der Planungs- und Ausführungsdaten synchronisiert.
Was ist der Mehrwert?
• Echtzeit-Rückmeldung von der Baustelle in das digitale Modell
• Schnelle Reaktion auf Abweichungen und Optimierung der Planungsmodelle
• Vermeidung von Fehlern, Nacharbeiten und Kostensteigerungen
Fazit
Die vorgestellten Konzepte und Tools lassen sich in einen durchgängigen digitalen Workflow integrieren. Dafür sind Schritte wie eine Datenflussanalyse, die Definition von BIM-Zielen sowie die Erstellung einer Technologie-Roadmap zur digitalen Implementierung erforderlich. Auf Basis innovativer Forschungsergebnisse und unter Berücksichtigung künftiger Nachhaltigkeitsregularien in der Bauwirtschaft können Unternehmen zudem ihre strategischen Ziele gezielt ausrichten.
