Bundesregierung verabschiedet den „Bau-Turbo“
Gegen das Gesetz stimmten die AfD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke 09.10.2025Mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD hat der Bundestag am Donnerstag, 9. Oktober 2025, den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung (21/781 neu) gebilligt. Der Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen hatte an dem sogenannten „Bau-Turbo“-Gesetz noch eine Reihe von Änderungen vorgenommen (21/2109). Welche das konkret sind, ist zunächst nicht zu erfahren.
Gegen das Gesetz stimmten die AfD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Zu dem Gesetz hat der Haushaltsausschuss einen Bericht gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages über die finanziellen Auswirkungen der Regelung (21/2110) abgegeben. Entschließungsanträge der Grünen (21/2113) und der AfD (21/2114) sowie Änderungsanträge der Grünen (21/2111) und Linken (21/2112) fanden keine Mehrheit im Parlament.
Gewerbebauten nun mitten drin, auf innerstädtischer Brache möglich?
Foto: Benedikt Kraft
Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen
Mit der Neuregelung soll die Schaffung von Wohnraum in Deutschland deutlich beschleunigt werden. Als weitgehende Flexibilisierung für den Wohnungsbau wird ein neuer Paragraf 246e in das Baugesetzbuch (BauGB) eingefügt. Erlaubt werden soll damit für einen Zeitraum von fünf Jahren ein Abweichen von bauplanungsrechtlichen Vorschriften.
Wenn eine Kommune sich entscheide, den „Bau-Turbo“ anzuwenden, könnten zusätzliche Wohnungen bereits nach einer dreimonatigen Prüfung durch die Gemeinde zugelassen werden. Aufstellungen oder Änderungen von Bebauungsplänen sollen dann nicht mehr notwendig sein. Bauanträge gelten als genehmigt, wenn die Kommune nicht binnen drei Monaten ablehnt.
Einfacher möglich wird auch der Bau von Wohnungen im Außenbereich. Innovative Lärmschutzlösungen sollen mehr Wohnbebauung in der Nähe von Gewerbebetrieben ermöglichen. Der Schutz von Mietwohnungen in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt vor Umwandlungen in Eigentumswohnungen soll um fünf Jahre verlängert werden.
Keine Mehrheit für Linke-Antrag
Im Zuge der Abstimmung über den Gesetzentwurf der Koalition wurde ein gleichlautender Entwurf der Bundesregierung (21/1084) für erledigt erklärt. Abgelehnt mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und AfD hat der Bundestag einen Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Bauwende jetzt – Stadtumbau sozial, demokratisch und nachhaltig planen und gestalten“ (21/1753). Die Grünen enthielten sich bei der Abstimmung, zu der der Bauausschuss eine Beschlussempfehlung vorgelegt hatte (21/2109).
Bauen auch an exponierter Position ohne große Diskussion? The One, Europa City Berlin (Grüntuch Ernst)
Foto: Benedikt Kraft
Ministerin: Mehr und schneller bauen
Bauministerin Verena Hubertz (SPD) erklärte in der Debatte: „Ich will, dass wir mehr bauen. Ich will, dass wir schneller bauen.“ Bisher habe eine Bauplanung bis zu fünf Jahre dauern können, nun könne einem Bauvorhaben binnen drei Monaten zugestimmt werden. „Jetzt haben wir eine neues, ein mutiges Instrument, das unser Land wirklich nach vorne bringen kann“, freute sich die Ministerin. „Wir stellen den Turbo – und gemeinsam füllen wir ihn mit Leben“, so ihr Angebot an die Kommunen und die Bauwirtschaft.
SPD: Endlich mehr Tempo beim Bauen
Esra Limbacher (SPD) nannte den Bau-Turbo einen „Möglichmacher“, der „endlich Tempo“ beim Bauen ermögliche. Er gelte auch für Umbauten, Anbauten und das Bauen in der zweiten Reihe, sagte Limbacher.
AfD: Der Bau-Turbo ändert nichts
Marc Bernhard (AfD) wies darauf hin, dass in Deutschland 1,8 Millionen Wohnungen fehlen würden. Der Bau-Turbo sei nichts weiter als ein Placebo-Gesetz. „Das Problem ist nicht, dass wir zu langsam bauen, sondern dass wir gar nicht mehr bauen“, so Bernhard. Das liege an den seit 2022 um 40 Prozent gestiegenen Baukosten. Die Regierung habe Bauen durch immer neue Vorschriften und ihre Klimapolitik verteuert. Der Bau-Turbo ändere daran nichts. Und mit der Drei-Monats-Frist, nach der ein Bauantrag automatisch als genehmigt gelte, werde die kommunale Selbstbestimmung ausgehebelt.
CDU/CSU: Ein Quantensprung für die Kommunen
Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) sprach von hoher sozialer Sprengkraft durch die Wohnungsnot. Deshalb sei es wichtig, dass die Politik handele. Das tue man jetzt auch. Der Bau-Turbo sei ein „Quantensprung für die Kommunen“ sowie ein starkes und wirkungsvolles Instrument. Supermärkte dürften aufgestockt werden, was bisher nicht möglich gewesen sei. Die kommunale Planungshoheit bleibe gewährleistet, versicherte Luczak. Es sei durch Änderungen am Entwurf ermöglicht worden, dass auch kulturelle und medizinische Einrichtungen gebaut werden könnten sowie Geschäfte. Luczak kündigte außerdem eine Novelle des Baugesetzbuches an.
Grüne: Turbo ist eine Mogelpackung
Kassem Taher Saleh (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, seine Fraktion sei grundsätzlich für schnelleres Planen und einfacheres Bauen, Doch der Turbo sei eine Mogelpackung, begünstige die Bodenspekulation und treibe die Mieten in die Höhe. Außerdem sei ein Ausfransen der Städte zu erwarten. Dass Kommunen binnen drei Monaten alle Prüfungen bei Bauvorhaben durchführen können, sei nicht möglich. Deshalb wolle seine Fraktion eine Frist von sechs Monaten.
Linke: Turbo verschärft die Wohnungs- und Baukrise
„Der sogenannte Bau-Turbo wird die Wohnungs- und Baukrise verschärfen“, erwartete Katalin Gennburg (Die Linke). Die Mieten würden weiter steigen. Durch die Öffnung des Außenbereichs drohten bis 2030 300.000 Hektar Ackerflächen wegzufallen. Auch aus ökologischen Gründen müsse umgesteuert und der Umbau von Gebäuden priorisiert werden.
Antrag der Linken: Die Linksfraktion wollte mit der Priorisierung von Umbauten eine Bauwende erreichen. Umbau müsse vor dem Neubau von Gebäuden Vorrang haben, hieß es in ihrem Antrag, in dem auch Maßnahmen zur Behebung des Leerstands gefordert wurden. „Bundesweit stehen circa 1,9 Millionen Wohnungen leer und allein in den sieben größten Städten sind 8,11 Millionen Quadratmeter Bürofläche ungenutzt“, schrieben die Abgeordneten.
Zusätzlich würden bundesweit schätzungsweise 550.000 Wohnungen als Ferienunterkünfte zweckentfremdet. Daher müsse die Bundesregierung die gesetzlichen Grundlagen zur Mobilisierung dieser Raumpotenziale stärken, die kommunalen Verwaltungen in die Lage versetzen, diese umzusetzen und Investitionen über die Städtebauförderung auf den Weg bringen.
Zur Sicherung des Baubestandes sollten kommunale Abrissstopps vereinfacht sowie kommunale Umbauprogramme für bezahlbaren Wohnraum gestärkt werden. Außerdem wurden ein Bodenpreisdeckel, eine Bodenwertzuwachssteuer sowie die Ertüchtigung kommunaler Vorkaufs- und Eingriffsrechte verlangt.
Der Bundesregierung warf die Fraktion Die Linke vor, mit dem geplanten „Bau-Turbo“ zur Beschleunigung von Verfahren in Wirklichkeit die Bodenspekulation anzuheizen.
„Statt dem schnellen Bau von günstigem Wohnraum folgt damit die planlose Versiegelung von Äckern und Grünflächen, die ökologisch und städtebaulich problematische Zersiedelung der Stadtränder und des ländlichen Raums sowie der Verlust öffentlicher Räume“, wurde kritisiert. Problematisch sei auch die Schwächung der kommunalen Planungshoheit. (Quelle: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2025/kw41-de-wohnungsbau-1111794)