Liebe Leserinnen und Leser,

dieses Mal wird es kompliziert. Zwar steht auf unserem Hefttitel wie immer und als sei alles klar unser Titelthema („Kreislauffähig bauen“), doch gleich kommen die Fragen: Was ist denn das Kreislauffähige, wie kann denn das Bauen überhaupt – als im Ergebnis Immobiles – mit dem Kreislauf zusammengehen, laufen gar? Und auch: Der Kreis ist zwar auch eine Figur, die für die Perfektion, das Absolute steht, doch gleichzeitig auch für den Zirkelschluss, das Immerselbe, Monotone.

In der Schule lernen wir bis heute, was der Wasserkreislauf ist und wirklich ist dieses hochkomplizierte System die Grundlage für alles Leben auf unserem Planeten: Wasserdampf steigt als Süßwasser aus den Meeren auf, verdichtet sich, wird über Land geführt, fällt aufs Land, bildet Bäche, Flüsse, Seen, Grund- und natürlich auch Abwässer und fließt am Ende dorthin zurück, von wo es kam. Und wieder steigt es auf und zieht über Land usw. Ein Kreislauf, der ewig zu laufen scheint, dessen Verlässlichkeit jedoch mit dem Klimawandel in Frage steht: Zu viel Wasser da, zu wenig dort, die Menschheit hatte sich über Jahrtausende diesem Kreislauf angepasst.

Nun möchten wir dieses perfekte System auch auf unser Wirtschaften übertragen. Die Gründe dafür waren einmal Notwendigkeiten, mittlerweile sind sie Zwangslagen. Zögerlich starten wir Versuche, von der Verbrauchsmentalität auf ein Gebrauchen umzuschalten, ein Gebrauchen, das verantwortlich sein soll: Häuser beispielsweise werden so geplant, dass sie sich aus dem schon Vorhandenen bedienen (gebrauchte Bauteile), dass sie selbst so geplant werden, dass man ihnen später sortenreine Bauteile entnehmen kann (Materiallager), dass sie aus Material bestehen, welches im besten Fall upcycelt wurde (z. B. Verpackung zu neuen Oberflächen). Das alles zielt darauf, die gigantischen Stoffmengen, die das Bauen mit steigender Tendenz fordert, herunterzufahren, durch Kreislaufwirtschaften.

Wir reisten nach Stuttgart, zur Werner Sobek AG, die sich bereiterklärt hatte, unsere Heftpartner für dieses Heft zu sein. Dort schauten wir mit Dr.-Ing. Stefanie Weidner und Roland Bechmann einen Stapel neuer, realisierter Projekte durch, in Deutschland, Dänemark, den Niederlanden und der Schweiz. Alle Bauten in der Schlussrunde und auch die, die wir für diese Ausgabe auswählten, zeigen den Stand der Entwicklung Kreislaufwirtschaft im Bausektor: sämtlich Anfänger. Wie auch anders, natürlich brauchen wir Zeit, in den Kreislauf einzusteigen mit Materialien, Konstruktionen, mit Mietmodellen und der digitalen Aufbereitung zukünftiger Materiallager.

Welche Aspekte unsere Projekte spielen, was aber auch in den Fachbeiträgen, den Interviews, auch einigen aktuellen Meldungen und Textbeiträgen zum Thema von uns für Sie (und, ja, auch für uns) zusammengetragen wurde, macht den Horizont unseres Verständnisses von Kreisläufen weiter. Jedenfalls wünschen wir uns das, wenn Sie am Ende das meiste gelesen, angeschaut und mit Ihren Kolleg:innen diskutiert haben. Wir sind noch sehr am Anfang, aber ohne diesen geht nichts voran. War das nun kompliziert? Wohl eher nicht. In Kreisläufen planen und dabei immer aus dem Denken im Kreis ausbrechen!

In diesem Sinne, seien Sie herzlich gegrüßt, bleiben Sie dran,

Ihr

Benedikt Kraft

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