design.develop.build / Guga S’Thebe Theatre in Langa, Kapstadt
gbl.arch.rwth-aachen.de/ddb, www.csstudio.co.za

Seit dem Ende der Apartheid in den 1990er-Jahren hat Südafrika eine dynamische Veränderung durchlebt. Die Demokratisierung des Landes hat unter anderem den Tourismus beflügelt, und nicht zuletzt die Fußball WM 2010 und der Weltkulturhauptstadt-Status von Kapstadt haben dazu beigetragen. Während der Wahrnehmungsfokus auf Kapstadt sich fast ausschließlich auf das Innenstadtgebiet zwischen Waterfront und Tafelberg sowie die mondänen Strände im Westen konzentriert, liegen weit über 90 % der urbanen Fläche in der Ebene östlich des Tafelberges, wo noch immer Millionen Menschen in Townships unter einfachsten Bedingungen leben.

Partizipation und Selbsthilfe war eine der Ideen

Lunga ist die älteste Township und liegt im geographischen Zentrum Kapstadts. Bereits im Jahr 1999 errichtete dort die lokale Architektin Carin Smuts das Guga S’Thebe Arts and Culture Centre, das eine Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche sowie Künstler der Township ist und mit Kulturangeboten Perspektiven in das von Gewalt und Arbeitslosigkeit geprägte Umfeld bringt. Für die Gemeinschaft Lungas ist Guga S’Thebe eine einzigartige Chance, ihre vielseitige Kunst und Kultur zu präsentieren, sowie einen internationalen Dialog zu erfahren. Im Jahr 2003 wurden im Architekturzentrum Wien Projekte von Sam Mockbee und seinem Rural Studio in Alabama gezeigt, die den Anstoß zu „Design-Build“-Projekten an der RWTH Aachen gaben. Partizipation und Selbsthilfe war eine der Ideen mit denen Sam Mockbee auf die desolate Lage im Hale County, einem der ärmsten im Süden der USA, reagierte. Mit einfachsten und recycelten (Rest-)Materialien realisierte er eine eigenständige und zeitgenössische Architektur, die Themen wie Ökologie, Nachhaltigkeit und Sozialverträglichkeit schon sehr früh verwirklichte.

design.develop.build

Seit 2006 hat die RWTH Aachen bereits vier Selbstbauprojekte in der Nähe von Johannesburg und Kapstadt fertiggestellt. Das Guga S’Thebe Childrens Theatre hingegen ist ein Gemeinschaftsprojekt der RWTH Aachen mit der Peter Behrens School of Architecture in Düsseldorf, der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur, der Georgia Tech Atlanta und der UCT Cape Town in Zusammenarbeit mit dem AIT Architektursalon. „Gemeinsam Lernen – gemeinsam Bauen“ lautet das Motto, das hinter dem Projektnamen design.develop.build steht, denn anstelle theoretischer Kurse und Workshops im Unikontext verbringen die Studierenden in den Semesterferien jeweils ein paar Wochen in Kapstadt, um vor Ort dieses Kooperationsprojekt umzusetzen. Design-Build beschreibt im Englischen einen Architekturprozess, der sich im Werden noch wandelt bzw. überhaupt erst entwickelt. Es gibt somit keine kompletten und ausschreibungsreifen Ausführungsplanungen, die dann 1:1 umgesetzt werden, sondern vielmehr eine Entwurfsidee, die sich während der Bauphase weiterentwickeln kann, und somit weitaus dynamischer ist als verbindliche Werkpläne.

Das Grundkonzept basiert auf elf Überseecontainern

Für die Studierenden und die projektbeteiligten Handwerker vor Ort erfordert diese Herangehensweise einen intensiven Austausch und Dialog, der auf kultureller wie auch auf fachlicher Ebene einen holistischen Anspruch erhebt. Es geht nicht um den „einen“ oder „besten“ Entwurf eines Studierenden oder einer Universität, der umgesetzt wird, sondern um eine Gemeinschaftsleistung, in die sich jeder Teilnehmer einbringen kann. Das Grundkonzept basiert auf elf Überseecontainern, die zweigeschossig auf Versatz gestapelt wurden, so dass sich ein zentraler Raum ergab. Dieses Konzept wurde vor Ort entwickelt und reagiert auf die Bestandsgebäude von Guga S’Thebe ebenso wie auf den Kontext der unmittelbar angrenzenden Hütten der Township. Der Neubau wurde längs eines informell gewachsenen Fußweges positioniert und steht im schrägen Winkel zum Bestand, was einen eingefassten Vorplatz schafft, der als Zuschauerraum für die Außenbühne genutzt wird.

Minderwertige Baustoffe mit Wert

Das Aufstellen der Container und des Stahlskeletts zur Abtragung der Dachlasten ging zügig, da es sich um vorgefertigte Module handelte. Schon mit Aufbringung des Daches aus Nagelplattenbindern war der Raum geschlossen und konnte für Veranstaltungen unmittelbar bespielt werden. Das wiederum führte zu direktem Nutzerfeedback, das in die sich anschließenden Planungen einfließen konnte. Im weiteren Verlauf werden nun die Fassaden mit vor Ort produzierten Stroh-Lehm-Paneelen gedämmt und mit Holz aus recycelten Obstkisten sowie Ziegeln verkleidet. Diese kleinteilige und scheinbar improvisierte Fassadenoptik erlaubt es, zum Teil „minderwertige“ Baustoffe zu verwerten und verknüpft gleichzeitig den Kulturbau formal mit den ebenfalls aufs Einfachste ausgeführten Hütten der Township.

Frank F. Drewes

Weitere Informationen zur Design- und städtebaulichen Entwicklung in Kapstadt insgesamt unter futurecapetown.com.

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