Was die Aufgabe des Architekten ist
Ein Gespräch mit  Till Schneider und Michael Schumacher in Frankfurt a. M.
www.schneider-schumacher.de

Zur Eröffnung ihrer ersten Retrospektive im Architekturmuseum in Frankfurt am Main trafen wir Till Schneider (TS) und Michael Schumacher (MS) und konnten die beiden Prinzipalen von schneider+schumacher für ein kleines Gespräch am Rande gewinnen. In der lebhaft lauten Kantine der von ihnen jüngst sanierten Städelschule unterhielten wir uns über die Sanierung und den unterirdischen Neubau, die Erweiterung des altehrwürdigen Städel Museums gleich in der Nachbarschaft; auch über Krisenbewältigung und Rekonstruktion.

Zur Eröffnung ihrer ersten Retrospektive im Architekturmuseum in Frankfurt am Main trafen wir Till Schneider (TS) und Michael Schumacher (MS) und konnten die beiden Prinzipalen von schneider+schumacher für ein kleines Gespräch am Rande gewinnen. In der lebhaft lauten Kantine der von ihnen jüngst sanierten Städelschule unterhielten wir uns über die Sanierung und den unterirdischen Neubau, die Erweiterung des altehrwürdigen Städel Museums gleich in der Nachbarschaft; auch über Krisenbewältigung und Rekonstruktion.


Bald wird das Städel komplett eröffnet: Seid ihr mit den Arbeiten ­zufrieden, habt ihr ein gutes Gefühl?

TS: Wir sind extrem zufrieden, das geht 100prozentig auf. Es ist tatsächlich sehr verblüffend, zu sehen, wie die ersten Ideen, die ersten frühen Vorstellungen von dem, wie die Räume werden, oder wie sie mit dem zusammenspielen, was schon da ist, am Ende aufgehen.


Trotz der Komplexität einer solchen Bauaufgabe gab es keine größeren Probleme?

MS: Ja, es gab wirklich kaum Schwierigkeiten. Wir hatten ja noch eine Wirtschaftskrise mittendrin, das hatte uns an einer gewissen Stelle etwas bange gemacht, wie das mit den Finanzen klappt ... aber sonst … gut, es hat ziemlich viel geregnet, es sind auch ein paar unterirdische Steinflöze aufgetaucht, die wir vorher nicht finden konnten. Aber mit dem Blick auf Zeit und Kosten war das ja noch ein ­reibungsloses Projekt.


Wisst ihr heute noch, wer die Idee hatte, unter den Rasen zu gehen?

TS: Die Idee hat sich entwickelt. Das war ein ganz schöner Prozess bei uns im Büro, wie wir uns da die Bälle zugespielt haben und lange Zeit auch gar nicht zufrieden waren mit den Zwischenergebnissen. Das war ein sicherer Indikator dafür, dass wir hier noch nicht am Ende waren. Als wir dann die Idee hatten mit diesem „Unter die Erde Gehen“, mit den gleichförmig gesetzten Oberlichtern und diesem Hubbel an der Stelle, hier die Schale anzuheben, da wussten wir ­beiden, wir haben es erreicht.

MS: Die Diskussion war lange, sollen wir unter die Erde gehen oder nicht? Es gab ohnehin nur zwei grundsätzliche Möglichkeiten bei dem Wettbewerb. Es hätte noch die Möglichkeit gegeben, ganz oben drauf zu gehen, aber hier gab es Restriktionen im Bezug auf die Höhe, hier hätte man das Volumen aufsplitten müssen, was zu keinen schönen Räumen geführt hätte. Andererseits gehen die Menschen ja nicht gerne unter die Erde … aber es ist genau so, wie Till es beschrieben hat: Es ist nicht genial, dass das Ding unter der Erde ist, es ist toll, wie wir das mit der Kuppel gemacht haben. Das ist der springende Punkt, und das ist auch das, worauf wir stolz sind.


Ist eine solche unsichtbare Architektur überhaupt noch Architektur oder nicht schlicht nur ein Keller?

MS: Das ist kompletter Blödsinn. Schau dir beispielsweise die Louvre-Erweiterung von Pei an, sicherlich eines der bekanntesten Projekte dieser Art. Hier ist – schlicht aus Platzgründen – unterirdisch ein toller Raum entstanden. Nein, überall auf diesem Planeten gibt es solche Beispiele, wo unter der Erde geplant wurde. Wir machen das nicht um des Vergrabens willen, sondern, weil es offensichtliche Vorteile gibt mit Blick darauf beispielsweise, was man erhalten will. Bei uns den Garten, beim Louvre den Platz davor. Die Aufgabe des Architekten besteht dann darin, das zu einem angenehmen Raum zu formen.


Jetzt habt ihr aber die Gartenfläche angetastet, also perforiert und „gehubbelt“ ...

MS: Klar, wir hätten auch einen Keller mit reinem Kunstlicht machen können. Aber erstens ist das für die Menschen ja doch nicht so angenehm, allein schon zu wissen, dass das Kunstlicht ist … hier bekommt man ja auch gar nicht die Farb- und Helligkeitsschwankungen des natürlichen Lichtes rein. Im Ausstellungsraum im Garten bekommt man aber mit, wie draußen das Wetter ist.

TS: Und es ist kein Raum, der verschwindet. Diese Erhebung mitten drin ist ja eine, die den Gartenraum stark prägt, zwischen Städel und Städelschule. Das jetzt einfach nur platt abzudecken und zu sagen, wir machen jetzt da unten alles mit Kunstlicht, das entspräche auch gar nicht unserer Haltung. Wir wollten schon einen klaren Hinweis geben, hier ist etwas, ein Versprechen auf etwas, was sich da unten befindet und was auch nach draußen strebt, den Kontakt sucht.


Und dient dieser gehügelte Hinweis auf ein Versprechen nicht auch der Eitelkeit seiner Schöpfer, die zeigen wollen, dass sie hier etwas gemacht haben?

MS: Wieso Eitelkeit?! Es ist doch immer erstrebenswert, ein schönes Gebäude zu haben …


Neben der vielbesprochenen „Gartenhalle“ habt ihr ja auch in den Bestand des Museums eingegriffen. Sind die auch für diejenigen sichtbar, die das Städel vorher nicht kannten?

MS: Doch, man nimmt das schon wahr. Wir haben eine Raumfolge geschaffen, was wichtiger Teil unseres Wettbewerbsentwurfes war. Wir waren hier die einzigen, die den Durchbruch zum Haupteingang gemacht haben. Diese Verbindung war ja nie da, wirkt jetzt aber ganz natürlich. Die architektonische Intention war, einen selbstverständlichen Zugang zu einer ganz neuen Welt zu machen. Man sieht vom Foyer aus die Treppen hinauf und hinab, und man geht sozusagen ohne harte Brüche aber doch mit Hinweisen, die zeigen, da ist etwas Neues, da ist etwas Anderes. So geht man dann in die Gartenhallen, die komplett etwas anderes sind. Und die sind in der Tat auch räumlich anders. Deshalb heißen sie auch Gartenhallen, denn die ganzen anderen Ausstellungsräume sind im Grunde genommen Enfilade-Räume, immer so um 90 m² groß. Da unten finden wir einen viel größeren Raum, der durch eingestellte Boxen gegliedert ist. Und auch anders gegliedert sein könnte, wenn das in fünf Jahren oder so der dann zuständige Kurator anders haben möchte.


Die Gartenhallen sind ausschließlich für Gegenwartskunst geplant?

MS: Ja, hier zeigt das Museum Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

TS: … und des 21. Jahrhunderts! Und das trägt eben auch dazu bei, dass man sich in diesem Haus hervorragend wird orientieren können. Alle Räume sind hier sehr unterschiedlich, ob man in den Gartenhallen ist oder dem Mainflügel, die räumliche Qualität ist hier sehr unterschiedlich. Das ist erfahrbar gemacht und gibt den Besuchern immer wieder einen Ansatz, Bezüge herzustellen. Diese Unterschiedlichkeit ist eine Qualität, die einer Gleichmacherei entgegenarbeitet. Wir haben hier wohl ein Zusammenspiel hinbekommen zwischen dem, was ausgestellt wird und dem Raum, in dem die Kunst gezeigt wird.

MS: Das macht das Städel so spannend. Im Gegensatz zum Louvre, in dem man unendlich durch die gleichen Räume hindurch läuft, hat man hier sehr unterschiedliche Raumlogiken. Wohl auch, weil man sehr unterschiedliche Kunst hat, deswegen ist der Bau ein höchst spannendes Museum, das hat mit unserer Arbeit dort gar nichts zu tun. Hier haben wir auf kleinem Raum eine hohe Qualiltät aus sehr vielen Bereichen.


Jetzt wird das Städel vom Hausherren als „Green-Building“ vermarktet. Ist das wichtig für eure Arbeit oder ist das eine Selbstverständlichkeit?

MS: Das Thema Nachhaltigkeit hat schon vor dem Schlagwort des Green-Building bei uns eine wichtige Rolle gespielt. Auch die gläsernen Bürogebäude standen immer unter dem ehrlichen Ehrgeiz, mit wenig Energie – wie beim Elektro-Auto* – irgendwie das Meiste draus zu machen. Das Städel ist natürlich das Super-Green-Building, allein schon, weil es konzeptionell so grün ist. Das ist jetzt nicht eine Leistung, wenn man sowieso wenig Flächen hat, die Wärme oder Kälte unpassender Weise rein oder raus lassen könnten, das ist ja perfekt. Das Städel hat überhaupt kein Heiz- oder Kühlproblem. Bei einem Museum ist heute die grünste Frage die nach der Beleuchtung.


Wie geht ihr mit der aktuellen Wirtschaftskrise um. Gibt es Strategien, spürt ihr die Winde, die um den Euro herum gemacht werden?

MS: Ob das mit der Krise wirklich so ist? Wer sagt das denn? Bloß weil ihr Journalisten die Krise immer so herbei redet … vielleicht stimmt das ja auch überhaupt nicht!


Das kann schon sein, Karl Lagerfeld jedenfalls pfeift nach eigenem Bekunden auf die Krise …

TS: Bei uns kann man die Krise im Moment nicht bestätigen. Die Aufträge, die Nachfrage, das ist alles kein Thema. Und wir sind hier wirklich sensibilisiert weil wir 2003 eine Krise hatten, die wir nicht rechtzeitig wahrgenommen hatten und die uns schon ganz schön ins Schleudern gebracht hatte. Wir haben die überstanden, sind jetzt aber sehr aufmerksam gegenüber irgendwelchen Anzeichen. Bisher aber können wir das für uns, aber auch bei den Kollegen ringsum nicht registrieren, dass hier Krisenstimmung zu spüren wäre.


Liegt das bei euch auch daran, dass ihr, trotz einer gewissen Power, eher national aufgestellt seid?

MS: Das kann schon sein. Aber schauen wir doch mal genau hin. Wir sind doch eher eine kleine Einheit, die kaum Investitionsentscheidungen hat … bei uns geht es in der Regel um Personalpolitik. Du brauchst eben soviel Personal, wie du brauchst, um die Arbeit abzuwickeln, und wenn nichts mehr nach kommt, dann kann man … na, eben nur abbauen.


Die meisten eurer Projekte sind Wettbewerben zu verdanken ... hat sich das in den letzten Jahren verändert?

TS: Ich kann da keine Veränderungen feststellen. Wir sind aber kein reines Wettbewerbsbüro, wir nutzen ganz unterschiedliche Verfahren, um an Aufträge heranzukommen, VOF-Verfahren beispielsweise, oder Direktansprache, das gibt es auch immer noch.

MS: Wir machen aber eben doch schon viele Wettbewerbe, so zehn bis fünfzehn im Jahr.

Was sagt ihr zum Abriss des Technischen Rathauses in eurer Stadt?

MS: Ich muss ganz ehrlich gestehen, ich halte das für eine richtige Entscheidung. Nicht weil das Gebäude schlecht war, das war ganz gut, aber die Zukunft des Areals, die das Gebäude versprochen hatte, ist nicht eingetreten. Es war auch einfach zu groß für den Ort. Ich glaube, wir beide halten die Idee, hier eine Kleinmaßstäblichkeit wiederherstellen, für eine gute Idee. Das muss nicht mit irgendwelchen Fachwerkbutzen sein, das ist nicht unser Ding. Aber das Areal in seiner Maßstäblickeit, die dem Dom und dem Rathaus angemessen ist, wiederherzustellen, fanden wir eine ganz gute Idee.


Müsst ihr da nicht fürchten, trotz aller Differenzierungen dem Retro-Mainstream das Wort zu reden?

TS: Wir waren immer ein Fan davon, die Stadtstruktur aufzugreifen und sorgfältig in eine zeitgenössische Struktur weiterzuentwickeln. Wenn man das akzeptiert, kann man eigentlich schon einen Haken dran machen. Das andere, was noch darüber hinaus gemacht wurde, also die schon angesprochene Retro-Architektur, das ist völlig überflüssig gewesen. Wenn man einfach bei den kleinen Parzellen geblieben wäre, hätte man durchaus eine viel größere Vielfalt zulassen können, als das jetzt der Fall war.

MS: Es hilft aber auch nichts. Man muss schon bestehen auf dem ­differenzierten Standpunkt. Das ist ja auch keine Haltung, wenn man sagt, du kannst nichts erhalten. Natürlich kannst du etwas erhalten. Du kannst auch was wiederaufbauen, das findet man in allen möglichen Städten. Man sollte sich aber darüber im Klaren sein, warum, ob vielleicht komische Motive dafür stehen, oder ob du etwas Qualitätvolles dafür zurück bekommst. Insofern finde ich, gerät man leicht in die Gefahr, auf einmal nicht mehr progressiv und modern zu sein, und ich finde das ist totaler Quatsch, denn man kann ganz klar das eine oder das andere machen. Bei der Altstadt hier hätte man das gar nicht historisierend machen müssen, wie man es jetzt vielleicht ohne Not macht. Man hätte hier einfach kleinteilig planen sollen, was auch sehr modern sein kann in unseren Augen. Andere Beispiele gibt es, wo ich auch wirklich finde, dass das eine gute Idee gewesen ist, ein altes Gebäude als scheinbar altes wiederaufzubauen, weil man keinen besseren Ersatz fand.


Die „Römer“-Rekonstruktionen sind also akzeptabel?

TS: Ich glaube das war sogar notwendig an dem Ort. Um hier wieder ein Zentrum zu schaffen, das von Touristen fotografiert wird, die später sagen, ich war auf dem alten Römer …

MS: Vielleicht auch hier etwas differenzierter … weil wir ja wissen, was die Alternative gewesen wäre! Der Wettbewerb damals hatte sowohl moderne, aber auch die historische Rekonstruktion zugelassen. Und das ist wirklich wahr: Es gab damals keine Alternative zur Rekonstruktion! Auch hier wieder muss die Frage nach der Qualität ­gestellt werden, was zu erzählen ist. Wenn du keine Alternative hast, die das Ensemble wiederherstellen kann, warum dann nicht in rekonstruierender Weise!?


Und das Berliner Schloss?

MS: Damit habe ich viel mehr Mühe. Vielleicht nicht, wenn man das ganze historisch und denkmalpflegerisch penibel aufbauen würde. Mit völlig unbrauchbaren Räumen darin, weil eben ein Schloss ein Schloss ist. Da hätte ich keine Mühe. Das wäre für mich ein zuge­geben etwas sentimentaler Akt, zu sagen, ich will das alte Schloss wieder haben. Ich habe etwas gegen diese homunculi, wie in Braunschweig beispielsweise, vorne Schloss, hinten Supermarkt, das ist ja grauenvoll! Aber etwas wiederherzustellen sollte prinzipiell möglich sein. Nicht immer, im Ausnahmefall und wenn es wirklich etwas bedeutet, für die Gemeinschaft, dann ist da nichts gegen zu sagen und Generationen vor uns haben das auch gemacht. Das ist eine Frage der Qualität, wie man da dran geht.


Zum Abschluss: Wie sehen sich Till Schneider und Michael Schumacher als Team, wie funktioniert ihr zusammen?

TS: Ziemlich gut!

MS: Ja ja (beide lachen).

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