Versorgungsmodul im Smart Grid
Aktivhaus B10, Stuttgart

Das Projekt

Das Aktivhaus B10 in Stuttgart ist ein temporärer Bau, mit dem Werner Sobek unter Beweis stellen will, dass hocheffiziente Gebäude mit ihrem erzeugten Stromüberschuss ältere Bestandsgebäude in der Nachbarschaft mitversorgen können. In einem interaktiven Energieverbund soll das energieerzeugende Wohnmodul mit nicht so energieeffizienten Bestandsgebäuden vernetzt werden. Das Ziel ist die Entlastung des öffentlichen Stromnetzes durch vorausschauende lokale Speicherung und intelligente Verbrauchssteuerung im Quartier – mit dem Gebäude als Bindeglied zwischen e-Mobil und stabilem Netz. Auf der Basis des Flying Space, einer multifunktionalen Wohnbox, die auf einen Entwurf von Lohmann Architekten BDA aus Rotenburg zurückgeht und von SchwörerHaus vertrieben wird, entwickelte Sobek eine Art Ein-Raum-Apartment mit hohem technischen Innovationsgrad. Das flexible Gebäudekonzept ist standortunabhängig und beliebig erweiterbar.

Das Energiekonzept sieht neben der hohen thermischen Qualität der Außenhülle eine höchst effiziente und ressourcenschonende Bereitstellung von Wärme und Kälte vor. Eine Wasser-
Wasser-Wärmepumpe greift auf zwei Wärmequellen zu, für die Übertragung werden Wände und Decken aktiviert. Die niedrigen Vorlauftemperaturen werden aus Photovoltaik (10,4 kWp) und Solarthermie generiert, ein Eisspeicher als Langzeit-Phasenspeicher konserviert die in der Wärme/Kälte gespeicherte Energie, eine Batterie (11 kWh) anfallenden Stromüberschuss. Als selbstlernende Gebäudesteuerung soll das vorausschauende Energiemanagement einen hohen Energieüberschuss bewirken. Die zentrale Steuereinheit koppelt die Energieströme zwischen Gebäude, e-Mobilen und Nachbarhaus und sorgt so für maximale Energieeffizienz. Der immense Technikaufwand dient dem Ziel, 200 % mehr Energie zu gewinnen als verbraucht wird und damit das Weißenhofmuseum in der Nachbarschaft zu versorgen, das nicht ohne gestalterische Einbußen saniert werden könnte.

Aus den Simulationsberechnungen zum B10 ergibt sich ein prognostizierter Überschuss an produziertem PV-Strom von ca. 4 100 kWh/a, der durch die Messergebnisse aus 2015 zum Teil bestätigt wird.

Wir fragten den Architekten und Bauingenieur Werner Sobek, der inzwischen zusammen mit dem Unternehmer Klaus Fischer drei Aktivhaus-Serien nach dem von ihm definierten Triple Zero®-Standard (zero energy-, zero emission-, zero waste-building) entwickelt hat (www.ah-aktivhaus.com), nach seinen mit dem Projekt B10 gemachten Erfahrungen.

"Wir müssen viel mehr als heute das einzelne Gebäude und gleichzeitig
das Quartier und die Stadt denken. Autonomes elektrisches Fahren
wird nicht nur den Automobilbau, sondern auch die Stadtplanung,
die Verkehrsplanung bis hin zum Wohnhaus selbst verändern.
Der Verzicht auf fossil basierte Energie erfordert zudem auch die Erzeugung
und die Speicherung von Energie aus nachhaltigen Quellen auf Quartiersebene.
Dies gilt es in die Architektur zu integrieren." Werner Sobek, Werner Sobek Engineering & Design, Stuttgart

Der Architekt

„B10 ist ein Experimentalgebäude – wir haben deshalb bewusst die Grenzen des Machbaren ausgelotet und auf materieller, konstruktiver und systemischer Ebene zahlreiche Neuerungen eingeführt, um sie in B10 auf Herz und Nieren prüfen zu können. Vieles hat sich bewährt, einiges kann sicher noch verbessert werden, manches werden wir bei künftigen Projekten nicht mehr verwenden.

Ich bin sehr dankbar für die einzigartige Chance, die sich uns durch diese Versuchskonstellation bot. Wir haben so innerhalb kürzester Zeit Erfahrungen sammeln können, für die wir sonst viele Jahre benötigt hätten. Diese Erfahrungen haben einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung unserer Aktivhaus-Serie geleistet. Das erste Projekt mit 38 Aktivhaus-Modulen der Serie 700 wurde gerade in Winnenden bei Stuttgart errichtet, weitere Projekte sind in Bearbeitung.

B10 demonstriert auf überzeugende Weise: Wir benötigen neue Produktionsmethoden: Modulare Vorfertigung mit industriellen Qualitätsstandards ermöglicht hochwertige, atemberaubend schöne Gebäude zu äußerst attraktiven Preisen. Wir benötigen bessere Technik: Selbstlernende, prädiktiv arbeitende Gebäude­automationssysteme leisten einen wesentlichen Beitrag zu mehr Nutzerkomfort und zu einer Optimierung von Gewinnung, Speicherung und Weitergabe nachhaltig erzeugter Energie.

Wir brauchen eine holistische Betrachtungsweise. Die Fixierung auf einzelne Gebäude und auf die Energieeffizienz allein ist nicht mehr sinnvoll. Wir müssen die bisherigen Systemgrenzen aufheben. Wir müssen angesichts der Bevölkerungsexplosion zukünftig für mehr Menschen mit einem Weniger an Material bauen. Wir müssen die Nutzung fossil basierter Energie schnellstmöglich, viel früher als  2050, beenden. Und wir müssen die Mobilität mit den Immobilien, also den Gebäuden, verknüpfen.
Das heißt: Wir müssen viel mehr als heute das einzelne Gebäude und gleichzeitig das Quartier und die Stadt denken. Autonomes elektrisches Fahren wird nicht nur den Automobilbau, sondern auch die Stadtplanung, die Verkehrsplanung bis hin zum Wohnhaus selbst verändern. Der Verzicht auf fossil basierte Energie erfordert zudem auch die Erzeugung und die Speicherung von Energie aus nachhaltigen Quellen auf Quartiersebene. Dies gilt es in die Architektur zu integrieren. Und der sorgfältige Umgang mit den Rohstoffen, den Baustoffen, muss viel mehr in den Mittelpunkt der Betrachtungen rücken. Schließlich ist die Rezyklierbarkeit unserer Gebäude mindestens genauso wichtig wie ihr Energieverbrauch.“
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