Purpur und Gold
KIMM-Vereinshaus, Untermais

Vorbildlich sanierten Höller & Klotzner Architekten das Vereinshaus in Untermais. Sie setzten ein puristisches Stiegenimplantat aus Stahl in den mittelalterlichen Kern und einen goldverkleideten Holzleichtbau auf zarten Stützen vor den Saal im ersten Stock. Die einstige Terrasse wurde zum gläsernen Foyer, das auch als Fluchtweg fungiert.

Untermais in Meran ist eine Welt für sich: 1924 eingemeindet, liegt das durchgrünte Wohnviertel am anderen Ufer der mondänen Kur-meile an der Passer. Architekt Paolo Vietti Violi plante die Trabrennbahn. Einen Steinwurf entfernt, schlägt rund um die Kirche St. Vigil das spirituelle Herz von Untermais. Im angrenzenden Widum, fanden viele Vereine eine Heimat. Der Bauteil mit dem Saal aus den 1920ern aber hatte ein schadhaftes Dach und musste brand-, sicherheits-, sanitär- und haustechnisch erneuert werden.

Höller&Klotzner Architekten sanierten ihn vorbildlich. Sie legten historische Bauphasen frei, organisierten die Erschließung neu, setzten eine leichte Stahltreppe in den mittelalterlichen Kern und ließen an einer gläsernen Naht einen goldverkleideten Leichtbau am Saal andocken. Er beinhaltet Nebenräume, Küche und Bar. 33 Meter lang, fünf Meter breit, schwebt die Box aus vorgefertigtem Kreuz-lagenholz auf vier zarten Stahlstützen über dem Kopfsteinpflaster vor dem Bestand und wird so zum kollektiven Vorzimmer im Freien. Eine Wandscheibe aus Stahl betont den Eingang: das Vereinshaus ist wieder die soziale Drehscheibe in Mais.

Große Aura

Die Pfarrgasse umschließt einen sakralen Ort erster Güte. Die Kirche St. Vigil, deren Turm das „KIMM“ beschirmt, stammt aus dem 13. Jahrhundert, wurde nach einem Brand 1878 neu aufgebaut und in den 1930ern und 1950ern erweitert. Die Grabstätte an ihrer Südseite zum Urnenfriedhof um- gestaltet. Im Westen fasst das frühere Widum die Apsis der Kirche ein und schafft ihr so einen intimen Hinterhof, während es dem Parkplatz seine Schauseite zeigt: Hier schwebt der goldene Zubau vor dem Vereinshaus. Sein ältester Kern stammt aus der Zeit zwischen 1294 und 1302 und dürfte ein Wohnturm des niederen Adels gewesen sein. In der Renaissance baute man an seine massive Nordwand das Angerheim an: ein sechsachsiges, dreistöckiges Haus mit verschnittenen Krüppelwalmdächern und einem Erker an der Straße im Norden. An die Südseite des mittelalterlichen Mauergevierts wurde in den 1920ern das Maiser Vereinshaus angefügt, dreißig Jahre später kam eine Bühne dazu. Der Bestand steht unter Denkmalschutz, der schöne Saal mit Galerie und der gewölbeartig faconierten Gipsdecke im ersten Obergeschoss lag lange brach. Denn Decke und Dachstuhl waren leicht brennbar, es fehlte an Fluchtwegen. Im Jahr 2000 zog der Maiser Vereinsverband ein. Er gründete die Maiser Vereinshaus GmbH, die im Auftrag der Besitzer (Kloster Maria Trost, Gemeinde Meran, Raiffeisenkasse Meran) als Bauherr fungierte. Höller&Klotzner Architekten machten das verwinkelte Haus für 26 Vereine zum hochfrequentierten Treffpunkt, der auch Behinderten zugänglich ist.

Ein neues Zentrum für Mais

„Untermais hat eigentlich kein Zentrum: wir wollten einen Baumtyp verwenden, den es hier schon gibt und damit einen öffentlichen Raum einfassen“, so Architekt Georg Klotzner, dessen Mutter als Mädchen im Widum wohnte. Winterlinden säumen den Parkplatz vor dem Haus, gold schimmern die Paneele der Holzbox zwischen den Bäumen hindurch und setzen so ein Zeichen für Neubeginn. Sauber abgerückt, dockt der Anbau an einer gläsernen Naht im ersten Geschoss an der Westseite des Bestands an. Der transparente Zwischenraum über der einstigen Terrasse wird vor dem renovierten Saal zum erweiterten Foyer. Einzig die Stahlträger, auf denen das Glasdach liegt, berühren den Bestand. Hier kann man sich witterungsgeschützt an der goldenen Wand mit der viereinhalb Meter langen, aufklappbaren Schanköffnung sammeln und laben. Von der angrenzenden Küche sind Feste bestens zu versorgen, die Toiletten wurden in dunkles Rot getaucht. Elegant macht die gläserne Spange, von der eine Treppe ins Freie führt, den Mangel eines Fluchtwegs wett. In den Terrazzo am Boden sind runde Glasöffnungen eingeschnitten. Sie lassen tagsüber die Sonne und nachts das Scheinwerferlicht ins Erdgeschoss dringen, wo die Glasnaht als waggonartige Veranda vor den Räumen der Jugendlichen aufsetzt.

Viele Schichten Geschichte

Die baulichen Zeugen diverser Epochen – Findlingsmauern, Fenster, Auflager alter Torbögen – sind freigelegt: die Betrachtung der Fassade im Hinterhof der Kirche wird zur Entdeckungsreise durch die Geschichte. Auch innen ist der mittelalterliche Turm wieder präsent: „Wir wollten die Qualität des Alten herausschälen und erhalten,“ so Architekt Klotzner. Alle neuen Einbauten wurden entfernt. Sie machten einem großzügigen, offenen Foyer mit einer schlichten, anthrazitgrauen Garderobe Platz. Neben dem Lift, der auch das Angerheim erschließt, ist in die neuen Betondecken ein langer Schlitz eingeschnitten. Durch ihn kann man über alle Ebenen hinweg kommunizieren und auf die gebauchte Außenwand des Angerheims blicken.

In das mittelalterliche Mauergeviert am Ende des Foyers wurde eine puristische Stahltreppe mit Stahlbrüstungen implantiert. Statisch war die leichte Konstruktion mit den eingehängten Seitenteilen, die in der Mauer verankert ist, schwierig. Sie ist von den neuen Decken abgehängt, mit schwarzer Brandschutzfarbe bestrichen, trägt sich selbst und hält Abstand zum Bestand: so kommen die Wand und das freigelegte Fenster mit Sitznische gut zur Geltung. Er sieht nun wieder so festlich aus wie in den 1920ern. Die Gipsdecke wurde gesäubert, Parkett und Fensterrahmen restauriert, die pastellgetönten Farben entsprechen dem Original. Statt dem alten Luster sind formschöne Lichtbänder aus Edelstahl von der Decke abgehängt und neue Lampen in die Kassetten eingesetzt. Stilgerecht lässt sich der Raum mit weißen Holzläden vor Sonne schützen, auch die Bühne spielt mit neuer Technik . Von Theater, Konzert, Show, Lesungen, Filmen bis zu gesezten Essen für 450 Menschen ist diesem 6,5 m hohen Saal mit Galerie und hervorragender Akustik alles drin.

Die Künstlergarderoben haben schwarzes Linoleum am Boden und runde, weiße Waschbecken. Neben dem Podium gibt es eine schmale, neue Treppe: so ist der Saal auf zwei Seiten zu entfluchten. Der pilzbefallene Balken im Dachstuhl wurde ausgetauscht und entsorgt, das Sprengwerk blieb erhalten, ist mit Brandschutzfarbe gestrichen und von einer Konstruktion aus fünf Leimbindern verstärkt. Auch die neue Deckung hält sich an alte Traditionen: Mönch- und Nonne-Ziegel.

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