Perle über Berlin
Wohnen auf acht Ebenen

Hoch oben in einem für Prenzlauer Berg so typischen Gründerzeithaus entstand ein Loft, der sich nicht in separate Räume gliedert, sondern eine große, bewegte Bühne für die Bewohner bietet

„Fluidum versus Monolith“, so fasst Architektin Prof. Ulrike Mansfeld das innenarchitektonische Konzept des Lofts zusammen. Durch die frühe Einbindung schon während der Sanierungsphase war es möglich, noch auf Zuschnitt und Lage der Wohnung Einfluss zu nehmen. So konnte die gesamte Raumkonzeption frei angelegt und aus einer normalen Geschosswohnung eine Topografie über acht Ebenen angelegt werden. In enger Zusammen-
arbeit mit dem Bauherrn wurde der gesamte Entwurf bis hin zu Materialabsprachen und Farbgebung definiert. Das Resultat sollte einzigartig sein, etwas, auf das man sich immer neu freuen kann, das überrascht und Geschichten erzählen kann, kurz: eine „Perle über Berlin“, so die Vorgabe – und die wurde, laut Bauherr, auch erfüllt.

Charakteristisch für die Gestaltung ist das Denken in Körpern. Alles entwickelt sich aus der Wand heraus oder in sie hinein, die Einbauten scheinen „gewachsen“ zu sein. Dementsprechend selbstverständlich finden sich keine harten Raumkanten, sondern fließende Übergänge. Es gibt keine Zimmer, sondern Handlungsebenen, die sich um einen Luftraum gruppieren. Drei Elemente bilden den Raum: Ein zweigeschossiger Körper mit Inlays, kleinen Rückzugsnischen in der Mitte der Wohnung, ein Vorhang, Wolke genannt, und das Kontinuum Boden, das zwischen den einzelnen Bereichen vermittelt.

Blickpunkt ist die Küche, die sich als „goldenes Schmuckstück“ an der höchsten Stelle der Wohnung präsentiert. Sie bildet eine homogene, organische Form, die vor allem durch die Materialität und Farbe im Mittelpunkt steht. Nebenan greift die Wand das Thema Schmuck wieder auf, eine handgemalte, plakative Tapete macht sie zum Kunstobjekt. Dahinter verbergen sich Bad, Toilette und Garderobe.

Die oberste Ebene ergab sich auf der Höhe des Trempelmauerwerks und bindet die Dach-
terrasse mit ein. Ziel der Erhöhung war es, von der Küche aus einen freien Blick zu haben, einen freien Blick über die Stadt. In dieses Podest wurde eine versenkbare Couch integriert. Je nach Bedarf öffnen sich, analog einer Muschel, zwei Hälften und bieten dem Bewohner einen besonderen Ort vor dem Kamin. Eingeklappt bietet sich ein freier, weitläufiger Raum. Der Kamin bildet eine Skulptur, in die auch ein Bildschirm eingefasst wurde, der sich dem Betrachter zuwenden kann oder sich unsichtbar in die Wand einfügt. Der Luftraum verläuft großzügig durch die Wohnung, aufgrund der Einfassung mit einem transparenten Geländer lösen sich die Grenzen zwischen oben und unten auf. Sogar das Bett wird in das Kontinuum mit einbezogen. Eingefasst in eine Ecke, zeigt es sich als selbstverständlicher Teil der Raum bildenden Skulpturen. Optische, aber transluzente Abgrenzung einzelner Bereiche ermög-
licht ein Vorhang. Dieser erschafft Räume, die jedoch gleichzeitig das Dahinter nicht vollständig verbergen können und wollen. Der Fußboden verschmilzt die Einzelskulpturen zu einem Ganzen. Das geräucherte Stabparkett aus Eiche bildet die bewegte, aber doch ruhige Haut des Organismus.

Die Sonderanfertigungen wie Treppe und Couch realisierten Handwerksfirmen aus dem Bregenzerwald. Während der Rohbauphase wurde das ganze Paket per Kran in das Dachgeschoss gehoben. Zu allen Möbeln, Stoffen und Kanten gab es 1:1 Musterflächen, damit ein perfektes Zusammenspiel von Materialien und Farben kreiert werden konnte.

Die Intensität der Planung und Umsetzung ist dem Projekt deutlich anzumerken, hier findet sich nichts „von der Stange“. Und genau das war das Ziel der Zusammenarbeit von Bauherr und Architektin: „Es ging darum, Orte zu schaffen und nicht darum, eine bestehende Hülle mit Möbeln zu füllen.“ – Ein passendes Zuhause für einen selbst ernannten globalen Nomaden. S.G.

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