Nicht mal eben am Samstagnachmittag
Ein Gespräch mit Matthias Sauerbruch in Hannover, www.sauerbruchhutton.de
Hat ein Architekt, der sich professionell mit Farbe befasst, eine Lieblingsfarbe? Gibt es im Œuvre auch Gebäude, die ohne Farben auskommen? Ein Gespräch mit Matthias Sauerbruch kurz vor seinem Vortrag in Hannover über die Sinnlichkeit und das Sinnfällige in der Architektur von Sauerbruch Hutton und ein farbige Wand zuhause.
Können Sie sich denken, worüber wir gleich sprechen?
Lassen Sie mich raten … Architektur?
Gar nicht schlecht! Es soll natürlich um die Farbe in der Architektur gehen. Ihr Vater war Maler … und trotzdem scheint der Sohn die Farben zu lieben?!
Das ist aber jetzt sehr persönlich! Wir werden ja oft gefragt, warum wir uns für Farben begeistern können und wo das herkommt. Das hat sicherlich etwas damit zu tun, dass ich in einem Künstlerhaushalt aufgewachsen bin und es für mich normal war, mit Farben zu spielen.
Und als die Zeit des Spielens herum war kam Chandigarh, Le Corbusier … War das Ihr Erweckungserlebnis als arbeitender Architekt?
Ja, das war ein eindruckvolles Erlebnis. Indien generell, seine Farbigkeit, die ganze Intensität dieses Landes … ja, das hat bei uns einen tiefen Eindruck hinterlassen.
Aber Le Corbusier? Steht der nicht für eine rationale Moderne? Wie verbindet sich das mit intuitiver Farbenfindung?
Erstmal zu Le Corbusier … Chandigarh ist eine ziemlich späte Arbeit, da ist diese extreme Rationalität der frühen Arbeiten längst gemildert und freier geworden. Aber unsere Architektur würde ich ebenfalls als eine rationale bezeichnen. Die Farbfindung beruht zwar letztlich auf Intuition – wir haben also keine wissenschaftlichen, quantitativen Methoden, nach denen wir Farben auswählen, das machen letztlich das Auge und die Intuition eben, aber das ist alles andere als spontan oder schnell gefunden. Im Gegenteil ist das ein langer Prozess. Das grenzt vielleicht an Wissenschaftlichkeit, weil wir in Serien arbeiten, in denen Abweichungen protokolliert werden wie in einem Laborversuchsaufbau. Der Prozess startet mit einer ersten Idee, die wird dann geprüft, verfeinert, korrigiert, mit verschiedenen Medien geprüft, mit Zeichnungen, dann am Modell, mit Film oder animierten Simulationen, Renderings bis hin zum 1:1-Modell. Und praktisch in jeder Runde gibt es eine Verfeinerung. In vielleicht 30 Versuchen kommen wir Stück für Stück weiter und werden besser und besser und kommen so zu einem Farbkonzept. Das ist prozesshaftes Arbeiten, was auf Intuition beruht, was sich aber nicht mal eben am Samstagnachmittag erledigen lässt.
Beteiligen Sie an diesem Prozess auch Externe, also beispielsweise Maler, Fotografen, Designer …?
Nein, gar nicht. Jedenfalls bisher nicht. Aber wir beziehen meistens unsere Bauherren mit ein. Die haben ihre eigene Meinung und möchten sich am Ende in dem Farbkonzept auch wiederfinden. Hier versuchen wir mit deren Anmerkungen, Kommentaren konstruktiv umzugehen. Wir blenden das nicht aus, so nach dem Motto, der hat ja keine Ahnung von dem Thema, sondern hören zu. Und oft hat der Bauherr ja auch Recht mit seinen Fragen. Hier profitieren wir manchmal vom Auge des Laien.
Besteht da nicht aber die Gefahr, dass der Bauherr nur noch etwas schön haben möchte, vielleicht dezent bunt?
Vielleicht, aber das ist vom Einzelfall abhängig. Wir erklären natürlich den Weg, wie wir zu einem Farbkonzept gekommen sind, was wir uns vorgestellt haben. Wenn beispielsweise die Referenz zum urbanen Kontext eine wesentliche Rolle spielt …
Und wenn jetzt der Bauherr gesagt hätte, das sei ihm egal, er hätte lieber den Himmel als Referenz, oder ein Sauerbruch-Hutton-Rot?
In diesem Falle hätten wir Überzeugungsarbeit geleistet … sicherlich auch mit Erfolg. Aber nehmen wir den ADAC. Hier haben wir einen ganz anderen Ausgangspunkt über das Corporate Design: Gelb und Schwarz waren gesetzt, aber natürlich haben wir dann damit gespielt … Was nicht immer nur verstanden wurde, muss man auch sagen.
Wann haben Sie das Thema Farbe ausgeforscht?
Das kann man doch nie ausforschen. Damit kann man sein ganzes Leben zubringen. Ob ich das tun will, ob wir das machen, ist ein anderes Thema. Das Thema Farbe ist unerschöpflich, womit wir wieder bei der Malerei wären!
Dann lassen wir die Farbe mal. Vorerst. … Nachhaltigkeit. Gibt es hier etwas, das zwischen Nachhaltigkeit und Farbe oszillieren kann?
Also, um das mal allgemein klar zu stellen: Das Thema Farbe steht bei uns immer so im Vordergrund, weil wir zu den wenigen Architekten gehören, die sich hierüber so offensiv Gedanken machen. Das heißt aber eben nicht, dass wir alle anderen Themen vernachlässigen! Integration in den städtischen Kontext, Raumentwicklung, Konstruktionsmethoden, Entwicklung von Nutzungsabläufen, und so weiter, all die Themen, die Architekten eben beschäftigen.
Farbe ist für uns so wie für andere Naturstein oder Backstein, also ein Material, und eine Verbindung zur Nachhaltigkeit sehe ich schon insofern, als es sich um ein besonders sinnliches Material handelt. Wir versuchen Gebäude herzustellen, die auch in 50 Jahren noch funktionieren und erhalten werden sollen – und von den Menschen, die darin leben oder arbeiten auch noch geschätzt werden! Und diese Beziehung der Nutzer zu ihrem Gebäude vollzieht sich nun einmal auf einer sehr sinnlichen-intuitiven Ebene. Hier spielen Proportionen, Räumlicheit, das Material, Licht etc. die entscheidende Rolle. Wofür kämpfen denn Bürgerinitiativen, oder Hausbesetzer? Sie kämpfen für Häuser, die einen gewissen Charakter haben, die man schön findet …
Die Geschichte haben?
Nur Geschichte genügt meistens nicht. Nur weil ein Gebäude da schon lange steht hat es nicht automatisch Charakter, oder Persönlichkeit. Meine These ist, dass wir Gebäude machen müssen, die nicht nur sparsam sind und gut funktionieren, sondern eben auch Charakter haben. Es gibt viele Methoden, das zu erzeugen, aber ich denke, Farbe ist ein Element, das die Menschen sehr unmittelbar anspricht, ohne dass wir hier großen Aufwand betreiben müssten. Das kann auch entgleisen, beispielsweise, wenn Farbe populistisch oder im Gegenteil unkontrolliert eingesetzt wird.
Ihre Partnerin Louisa Hutton schätzt die bunte Stäbchenfassade des Museums Brandhorst, weil die sich bei bestimmten Lichtverhältnissen in Nichts auflöst. Wäre das eine Antwort auf das Fatale der möglichen Zeitgebundenheit von Farbkonzepten?
Mode und Zeitgeist … Ich glaube man kann sich mit dem, was man macht nie ganz seiner Zeit entziehen, aber umgekehrt ist gebaute Architektur das falsche Medium, wenn man es auf den Zeitgeist abgesehen hat. Dafür ist das Bauen viel zu schwerfällig. … Wir arbeiten mit fundamentaleren Aspekten, dem Licht, dem Himmel, dem städtischen oder natürlichen Umfeld oder eben z. B. mit der Wahrnehmung von Schwere und Leichtigkeit.Da kann die oberflächliche Behandlung des Gebäudes seine gesamte Erscheinung in Frage stellen. Die Polychromie der Fassade produziert ein Flimmern, das unseren Erwartungen von Raum, Material und Tektonik erst mal nicht entspricht.
Gibt es in Ihrem Œuvre ein Gebäude, das auf Farbe verzichtet?
Ja, wir haben das Rathaus in Hennigsdorf (2003) gebaut. Das besteht aus einem Ziegelsockel, auf dem ein Ring in Graublau aufliegt. Als wir das dem Bauherren vorgestellten, gab es Irritationen, weil er das Gefühl hatte, wir hätten uns keine Mühe gegeben! [er lacht] Weil sie wohl etwas Buntes erwartet hatten, und dann kam bloß eine einzige Farbe.
Kann der, der in einer Farbenwelt lebt und arbeitet, eine Lieblingsfarbe haben?
Ach … das bezieht man meist ja auf die Kleidung, die man gerne trägt. Aber nein, die Lieblingsfarbe habe ich wohl nicht. Bei uns zu Hause haben wir eine durchgehend farbige Wand, die gibt es schon seit 15 Jahren. Anfangs dachten wir, wir gucken da immer auf diese Wand, und wahrscheinlich können wir das nach ein paar Jahren nicht mehr ertragen. Aber das ist nicht der Fall, die Wand ist bis heute ein interessante Oberfläche geblieben, auf die ich gerne draufschaue … Und wieder: da sind Rot-, Blau-, da sind Grautöne drin, da ist alles mögliche an Farbtönen vorhanden. Die sind in Summe – zumindest zu Hause– dann vielleicht meine Lieblingsfarben!