Ein Phoenix, der an den Wolken kratzt
Burj Khalifa, Dubai/VAE

Der Anfang 2010 vollendete Burj Khalifa ist von nun an nicht nur das höchste Haus sowie der höchste freistehende Turm der Welt, es ist auch die höchste, je von Menschenhand geschaffene Konstruktion überhaupt.

So sagenumwoben wie der biblische Turm zu Babel wird er wohl auch einmal sein; als ein Weltwunder wird er gelten – wie einst die sieben Bauten der Antike. Dabei gibt es einen signifikanten Unterschied zu dem mystischen Turm-Bauwerk, das im Zweistromland noch immer gesucht wird: Den Burj Khalifa gibt es wirklich und er steht in Dubai. Je nachdem, ob man die Antenne mitrechnet oder nicht, reckt sich der Turm 828 m bzw. 830 m in die Höhe. Der Bau hat 163 nutzbare und mit Aufzügen erreichbare Etagen. Der Geschoss-Status der 43 technischen Ebenen ist dagegen strittig. So haben die obersten acht Flächen nur noch einen Durchmesser von jeweils 1,20 m. Immerhin ist der 163. Stock noch 638 m hoch und liegt damit „über“ jedem anderen Gebäude dieser Welt.

 

Der Entwurf

Mit der Planung betraut waren die für ihre Hochhäuser bekannten Architekten von SOM – Skidmore, Owings & Merrill – aus Chicago. Sie gewannen im Jahr 2002 den vorausgegangenen eingeschränkten Wettbewerb. Maßgeblich verantwortlich für den Entwurf ist Adrian Smith, der ehemalige Leiter des Hauptquartiers in Chicago. Er verließ jedoch 2003 das Büro und machte sich selbstständig.

Das Preisgericht honorierte den Bezug auf die islamischen Bau­traditionen. Dem Turm wurde eine formale Nähe zur zentralbauarti­gen Moscheenarchitektur attestiert. Tatsächlich basiert er auf einem punktsymmetrischen, Y-förmigen Grundriss mit der Spitze im Zentrum. Die drei radial angeordneten Flügel verjüngen sich gleichmäßig nach oben in einer enger werdenden Spirale, was dem Bau eine kuppelhafte Silhouette verleiht. Die terrassierten Rücksprünge erinnern zudem an den zwiebelartigen Aufbau klassischer Moscheengewölbe.

Im Kern des Wolkenkratzers befindet sich sein statisches Rückgrat, das die Höhe überhaupt ermöglicht. Es ist eine massive, über 600 m hohe, sechseckige Achse aus hochfestem Beton, die bis unter die Stahlkonstruktion der Spitze reicht. Die Turmflanken stützen diesen vertikalen Kern und garantieren zudem eine bis dato noch nicht erreichte Stabilität gegen horizontale Kräfte: So beträgt die maximale Auslenkung der Spitze gerade einmal 1,5 m. Der Chef-Statiker von SOM William F. Baker nennt die Konstruktion „Buttressed Core“ (abgestützter Kern). Auch dieses Herzstück nimmt Bezug auf die arabische Baukultur. So wird die verbleibende zentrale Schnittmenge der sich dreifach überschneidenden elliptischen Teilgrundrisse auch als Blüte einer Amaryllis interpretiert. Eine in diesen Breiten beliebte Zierblume.


Der Bauverlauf

2004 begannen die Arbeiten auf einem Grundstück, das damals noch mitten in der Wüste lag. Ungefähr 3 km entfernt vom nördlich gelegenen Stadtzentrum und ebenso weit weg vom Meer im Westen. Errichtet wurde der Turm auf einer 7 000 m² großen und 3,7 m starken Fundamentplatte, die wiederum auf 850 Betonpfählen unterschiedlicher Stärke und Länge ruht. Die größten davon haben eine Länge von 50 m und eine Stärke von 1,5 m. Sie reichen bis zu 70 m unter den Meeresspiegel. In diese Betonpfähle werden überwiegend die Druckkräfte des Turmes geleitet, nicht in die Fundamentplatte.

2005 wurde mit den Hochbauarbeiten in einem Dreischichtenbetrieb begonnen. Ständig waren etwa 2 400 Personen auf der Baustelle. Aufgrund der großen Hitze am Tage konnte nur nachts betoniert werden. Etwa alle 4Tage wurde ein Rohbaugeschoss vollendet, wobei sich das Tempo nach oben hin steigerte.

Die Konstruktion besteht bis zum 160. Stock aus Stahlbeton und darüber hinaus aus Stahl. Bis zum Herbst 2007 wurden 330 000 m³ Beton verbaut. Direkt nach Abschluss des Betonrohbaus und der damit verbundenen Demontage der Kletterschalung, wurde mit der Fassadenverkleidung des Turmes begonnen. Bis zum Herbst 2009 dauerte die Montage von insgesamt 24 380 Aluminiumelementen. Das letzte wurde in einer Höhe von 632 m angebracht. Die gesamte Fassade besitzt eine Fläche von 235 190 m²; davon sind 103 000 m². aus Glas. Diese rund 26 000 Scheiben mussten infolge der abgerundeten Fassade zudem individuell angepasst werden. Um die Fassade gegen Feuchtigkeit und Feinstaub zu schützen, wurden Dichtbänder mit einer Gesamtlänge von 2 052 km verwendet.

Erschließung & Nutzung

Der Burj Khalifa besitzt keinen wirklichen Haupteingang. Erschlossen wird er – wie jedes andere zeitgenössische Gebäude in Dubai – über eine dazugehörige Tiefgarage. In dem konkreten Fall bedient sie auch eine große, direkt an den Turm angeschlossene Shopping-Mall, vollklimatisiert und ohne Fußgängereingang. Bei durchschnittlich 40 °C im Schatten mag man sich einfach nicht im Freien aufhalten, sondern bewegt sich in der Stadt grundsätzlich in klimatisierten Fahrzeugen. Dabei existieren durchaus gepflegte und mit bewässerten Palmen bestandene Gehwege. Sie sind jedoch menschenleer. Repräsentativ sind dagegen die Zugänge aus den unterirdischen Parkzonen in ein Gebäude. Wo sich in Europa nur schnöde Brandschutztüren finden, gibt es hier repräsentative Empfangsbereiche. Entsprechend liegt auch der offizielle Turmeingang in einer klimatisierten Einkaufspassage.

Die unteren 37 Etagen werden vom weltweit ersten Armani-Hotel genutzt. Es ist ein exklusives 7-Sterne-plus-Hotel mit separater Zufahrt. Diese verwechselt man leicht mit dem Turmeingang. In den Etagen 38 bis 108 befinden sich 779 private Apartments. Darauf folgen bis zum 154. Stock Büroetagen. Direkt unter der Spitze befinden sich die persönlichen Etagen des Eigentümers, inklusive dessen privater Moschee. Die eigentliche Spitze nimmt 40 Ebenen für Technik und Kommunikationsanlagen auf. Die Versorgung des Turmes wird über 6 Technikgeschosse sicherge­stellt, die alle 20 bis 30 Stockwerke ein­geschoben sind. Entsprechend dem anfallenden Bedarf von etwa 946 m³ Wasser und einer Stromleis­tung von bis zu 50 Megawatt pro Tag machte eine Bündelung in der Spitze keinen Sinn.

Vertikal erschlossen wird der Bau über drei Skylobbies, die über Expressaufzüge jeweils direkt angefahren werden. Nebenaufzüge verbinden diese dann mit den zugeordneten Etagen. Insgesamt fahren 60 Aufzüge in dem Turm, viele übereinander in identischen Schächten. Die Luft in allen muss permanent abgesaugt werden, da sonst bedingt durch die Turmhöhe und das extreme Klima ein „Hot Climate Stack Effect“ droht. Dieses bezeichnet einen gefährlichen Überdruck, der durch heiße, abfallende Winde entsteht.

Zweifelsohne hat der Burj Khalifa für die ganze Welt eine epochale Bedeutung. Darüber hinaus hat er aber einen ganz besonderen, allerdings wenig bekannten Bezug zu Deutschland: Einige Tausend Tonnen seiner Stahlspitze sind recycled und stammen aus dem abgebrochen­en Palast der Republik in Berlin. Entsprechend kann man den Turm auch als strahlenden Phoenix aus der Asche bezeichnen.

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