Dem Himmel offen
Erweiterung des Abgeordnetenhauses, Berlin

Auf eine bewegte Geschichte kann das Haus zurückblicken, das heute dem Lande Berlin als Abgeordnetenhaus dient. Als Preußisches Abgeordnetenhaus zwischen 1892 bis 1899 im Stil der Neorenaissance erbaut, diente das Gebäude im Dritten Reich als „Haus der Flieger“, der Sowjetischen Militäradministration als auch dem DDR-Ministerrat. Anfang der Neunziger Jahre wurde es wieder von der Architektengemeinschaft Rolf und Jan Rave, Walter Krüger und Marina Stankovic sensibel für parlamentarische Zwecke umgebaut.

Ein Zeitdokument der besonderen Art ist dieses Haus, das bei aller Herrlichkeit doch auch die zahlreichen Umbrüche der Berliner Geschichte widerspiegelt. Und da heute Parlamentarier weit mehr Funktionen und Assistenten besitzen als es in der Vergangenheit der Fall war, wurde in den letzten Jahren der Raum im alten Gehäuse knapp. Wo noch vor zwei Jahrzehnten das Haus inmitten einer weiten Stadtbrache stand, war nun nur noch Platz auf dem Dach für eine Erweiterung zu finden, die dort auch den strengen Auflagen des Denkmalschutzes genügen musste.

Mit den Architekten Christian Huber und Joachim Staudt fand man die geeigneten Partner, die schon in den Neunziger, damals noch als junge Mitarbeiter profunde Kenntnisse über den Bau und seine Geschichte erworben hatten. Nur innerhalb der historischen Kubatur war eine Erweiterung von knapp 2 000 m2 Nutzfläche möglich. Nur entlang der vier großen Lichthöfe ließ sich dies bewerkstelligen, indem sich unter dem Dach eine einhüftige Büroetage in eine zweihüftige verwandelte, deren Raumvolumen mit einer leichten Verschiebung des abgeknickten Daches um 22 neue Büroräume vergrößert wurde. Weder von Außen noch von den Höfen aus ist die Erweiterung sichtbar, die Huber Staudt Architekten mit einer sandfarbenen eloxierten Alu-Lamellenfassade verkleideten, die bruchlos an den historischen Sandstein und Putz anzuschließen vermag.


Der besondere Clou : Die Fensterlösungen

Außenbündig und Überkopf folgen sie ihren Dachneigungen und eröffnen dabei den Parlamentariern großzügige Ausblicke auf die Berliner Stadtlandschaft und den Himmel. Einer Überhitzung und starker Sonneneinstahlung beugt im drei Grad geneigten oberen Dachbereich ein OkaSolar lichtlenkendes Isolierglas vor, dessen Sonnenschutz-Beschichtung Arcon Sunbelt Silber 39/25 und Zwischenraumfolie einen beeindruckenden U – Wert von 0,6 W/m²K erreichen. Für die untere Dachneigung konnte man sich mit einem Wärmeschutz-isolierglas begnügen, die der Pfosten-Riegelkonstruktion einen Ucw-Wert von 0,9 W/m²K verschafft. Elegant und leicht erstreckt sich nun diese Überkopfverglasung über den neuen Arbeitsplätzen, die bei direktem Sonneneinfall nicht minder elegante Clauss Trevira CS Markisen erhielt, die geräuschlos unten und oben zugefahren werden können. Seitliche Öffnungsflügel wurden dagegen geschickt verborgen.

Diese etwas kostspieligere Fensterlösung war nur möglich, da es den Architekten mit einer leichten Stahlkonstruktion und einer etwas freier die 400 m2-Regel der Berliner Bauordnung für Brandabschnitte zu interpretieren. Kostenintensive Flurtrennwände nach BS-Anforderung konnten so vermieden werden und einige ihrer Brandabschnitte umfassen bis zu 519 m². Kompakt wurden zudem die Kabel- und Wärmekanäle entlang der Außenwände konzentriert und für eine angenehme Brüstung genutzt, die auch als Ablage dienen kann.

Obwohl die Architekten auch kompakte Möbeltrennwände entwickelten, entschieden sich dann doch die meisten Fraktionen für sehr gewöhnungsbedürftige eigene Möbelstile und Wandanstriche, die nun gewissermaßen das parlamentarische Spektrum und Stilvorlieben widerspiegeln. Unbeschadet davon kann man nun jedoch in den Korridoren frei die alte ausgefachte Stahlkonstruktion des Dachstuhls bestaunen, die auf der Höhe ihrer Zeit entstand. Allein die neue Lichtleiste knapp unter die Decke gehängt, stört etwas das Vergnügen an dieser gelungenen Erweiterung.

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