Das Kreuz mit dem Schloss in Berlin

„Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.“ Das können Sie nicht über einem Kirchenportal lesen, nicht als Motto in einem katholischen Gesangbuch; dieser Spruch, eine Kombination aus zwei Bibelstellen (Apostelgeschichte 4,12 und Philipper 2,10) wurde von Friedrich Wilhelm IV. aufgesetzt und über den Tambour in den Kuppelsaum des Berliner Schlosses graviert. Der so artikulierte und in goldenen Lettern manifestierte Machtanspruch mit Verweis auf Gottesgnadentum, gekrönt von Reichsapfel und Kreuz in Gold, ist nun auf die Schlossreplika zurückgekehrt. Still und leise und mit Wohlwollen des Hausherrn, des Bundes, und mit privatem Spendergeld wurde also wieder ein Stückchen Reichsflair restituiert. Und wir dachten alle schon, dass das, was in den letzten Jahren beispielsweise in der endlich geführten und von dieser Zeitschrift lange schon geforderten Debatte um Provenienzforschung und Restitution, zu einem kritischen Blick auf ein Sammlungshaus beigetragen hätte, das doch Weltoffenheit und Multikulturalität verkörpern soll. Und eben nicht das restaurative Denken des 19. Jahrhunderts.

Als vor drei Jahren die Absicht bekannt wurde, die Kuppel wieder mit dem Marter- und Unterwerfungszeichen Kreuz zu schmücken und nicht wenige darin den Versuch erkennen wollten, das Schloss solle durch die Hintertür und stückchenweise doch wieder so hergestellt werden, wie es wohl einmal war irgendwann, kam seitens der Gründungs­intendanz (Horst Bredekamp) der Hinweis, das „Rekonstruktionen, wenn sie denn beschlossen werden, … sich vom Zeitgeist und von Stimmungen frei machen [müssen].“ Was die Schlossreplik nun in Gänze ist! Zeitgeist.

Dass sich die Rekonstrukteure mit ihrer konservativen Geldgeberklientel derart offensiv durchsetzen können, das ist der eigentliche Skandal. Dass hier die Knie gebeugt werden, weil beispielsweise die Ehefrau des Versandhändlers Werner A. Otto 1  Mio. € für das Kreuz gespendet hat (dafür steht jetzt auf dem Reichsapfel „Im Gedenken an meinen Mann Werner A. Otto 1909 – 2011. Inga Maren Otto“) erzeugt ein Geschmäckle und desavouiert den Anspruch des Humboldt-Forums, der WELTkultur einen Ort zu geben. Dass Kolonialgeschichte – ebenfalls gerade in Berlin in Arbeit – nicht vom Kreuz zu trennen ist, zeigt, wie unsensibel der Bund und seine Stellvertreter agieren. Die Kraft, die es kosten wird, das Kreuz und den schriftlich fixierten Führungsanspruch christlich geprägter Herrschaftssysteme auf dem Dach eines für weltoffen verkauften Bildungshauses zu rechtfertigen, hätte man gerne dort angewandt gesehen, wo es darum geht, ein Haus mit einem hervorragenden Ausstellungskonzept pünktlich fertig zu stellen. Auf die Knie also, Gäste aus aller Herren Länder, auf die Knie und staunet! Be. K.

www.humboldtforum.org, www.berliner-schloss.de
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