Buchrezension: Rom. Porträt einer Stadt

Rom, città eterna, ewige Stadt ... nun ja. Wenn man über die großen Städte dieser Welt spricht, kommt die ewige Stadt nicht unbedingt an erster Stelle, selbst wenn über Italien gesprochen wird steht Rom oft hinter Mailand, hinter Florenz, Palermo oder Neapel. Das mag daran liegen, dass das Ewige als eben omnipräsent aus der aktiven Wahrnehmung verschwindet weil das, was immer da ist, schnell zur unbeweglichen Bühne erstarrt. Auf welcher dann die agilen Protagonisten des International Live Style, des Modernism, des kreativ pulsierenden Chaos frei und ungezwungen neuartig agieren können. Stimmt aber gar nicht, Rom ist auch so. Aber kann man das auch sehen?

Rom, ewige Stadt, das scheint oft nur ein rieser Berg von Geschichten und Geschichte, von Legende und Mythen zu sein aus dem man sich nach Belieben bedienen kann; und so steht man nicht selten vor dieser Stadt wie man in einem Werkzeugladen steht vor über hundert Schraubendrehern, die alle ihren Zweck perfekt erfüllen, für den sie gemacht sind. Aber man weiss nicht so recht, ob der Dreher mit der leicht schmaleren Kreuzschlitzaufnahme mit stumpferem Kopf nicht doch der bessere ist ... Und dann geht man wieder aus dem so komplett ausgestatteten Laden heraus und hat nichts gekauft.

Rom ist ziemlich uralt und selbst den Römer gelingt es kaum einmal, die Stadt als einen sich rasant entwickelnden Organismus zu begreifen, der er ja ist. Aber die Last der Vergangenheit, der Geschichten und der Geschichte scheint alles zu hemmen. Nicht die Schnelligkeit und der stylische Chic Mailands, nicht der romantisierte Verfall Neapels, nicht die Kunstfülle Florenz' oder der Boom Palermos, nicht die Touristenhighlights Venedig oder Pisa, nicht die Leichtigkeit Bolognas und auch nicht der intellektuelle Ernst Urbinos, davon im Speziellen nichts und im Ganzen: alles!

Diese Stadt, die eher ein Mythos als etwas Lebendiges zu sein SCHEINT, ist möglicherweise DAS Sujet für ein Buch aus dem Hause Benedikt Taschen: großformatig, bildgewaltig, dickleibig. Und - weil Rom Thema für alle ist - in hoher Auflage und mit also vergleichsweise günstigem  Einkaufspreis. Das Buch ist - ich schreibe es hier schon - eine grandiose Hommage an die Stadt, die es zeigt. Über rund 500 Fotografien aus den ganzen frühen Zeiten als wundervolle Daguerreotypien bis hin zur zeitgenössischen Fotografie von Peter Lindbergh und dem wunderbaren William Klein (beide leben in Paris). Chronologisch geordnet und jeweils durch kurze Kapiteleinleitungen in einen weiteren Kontext gebracht, zeigen die Fotografien die Stadt, wie sie sich in den letzten knapp 200 Jahren verändert hat; oder eben auch nicht. Fotos wie Veduten zeigen Straßenbilder und Viertel, Gesichter und Möblierungen, Vorstadt und Forum, Infrastruktur und Menschen, unbekannte, sehr bekannte. Sie zeigen historische Ereignisse und nicht zuletzt setzen sie sich selbst in Szene. Womit das Stadtportrait schnell auch zu einer Fotogeschichte wird: Technik, Sujets, Standpunkte, Ansichten.

Dass dabei exakt das ausgeblendet wird, was Mailand oder Palermo auch haben, dass in diesem Band vor allem der Geschichtslast dieser Stadt gehuldigt wird ... nun ja, eine differenziertere Ansicht gibt es vielleicht anderswo, eine so komplett leise und laut feiernde eben nur hier.

Der Band schließt - und hier kommt er dem città eterna-Sein noch einmal ganz nahe - mit verschiedenen Verzeichnissen: Filme über die Stadt, Musiken, Bücher, überall Rom. Das Personenregister offenbart zudem Roms Anspruch auf Ewigkeit, zumindest in unseren Kapiteln zur europäischen Kulturgeschichte. Also: gut festhalten, Buch auf und los! Be. K.

Giovanni Fanelli, Rom. Porträt einer Stadt. Dt./engl./franz. Benedikt Taschen Verlag, Köln 2017, 486 S., mindestens ebensoviel sw- und Farbabbildungen, 50 €, ISBN 978-3-8365-6271-3

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