The Garden, Berlin
Noch deutlich vor dem Wohnungsbauboom haben wir uns gefreut, innerhalb eines Quartiers mitten in der Stadt für Mieter und Eigen-tümer gleichermaßen zu bauen. Die durchmischte Stadt mit einem kleinen Café, einem Restaurant und einem Biomarkt zur Straße und gemeinschaftlichen Gärten in den Höfen ist dabei unser Ziel gewesen. ⇥DBZ Heftpate Eike Becker
„The Garden ist wie eine Tasche in der Stadt, in der wir einen Ort der Entschleunigung geschaffen haben“, erklärt Architekt Eike Becker den Entwurfsansatz. „Einen Hof mit abgestufter Privatheit von der öffentlichen Straße über einen ersten urbaneren Hof und einen zweiten Gartenhof bis hin zu der fast dörflichen Atmosphäre an der Friedhofsmauer mit Blick auf die dazugehörige Kapelle.“
Das Grundstück an der Chausseestraße in Berlin Mitte zeichnet sich durch zwei Besonderheiten aus: Zum einen verlief ein Stück der Berliner Hinterlandmauer durch das Grundstück, was heute durch ein Cortenstahlband auf dem Boden gekennzeichnet und ablesbar ist. Zum anderen bildet der Friedhof mit seiner kleinen Kapelle, der alten Mauer und den großen Bäumen am nordöstlichen Ende die optische Fortsetzung des Grundstücks. Und so entstand auch schon sehr früh die Idee einer Achse von dem überhöhten, viergeschossigen Tordurchgang an der Chausseestraße bis zum Friedhofsgelände.
Die Vorgaben zu Höhe und Dichte der Bebauung wurde für „The Garden“ über §34 BauGB, also die umgebende Nachbarschaft, definiert. Vorbild für die Grundidee der innerstädtischen Bebauung waren für die Architekten die Berliner Hofgärten des 19. Jahrhunderts, wie beispielsweise Riehmers Hofgarten in Berlin-Kreuzberg. Auch hier wurde viel Wohnraum durch hohe Dichte in Form hoher Geschossigkeit geschaffen und auch hier bildete und bildet noch heute die Bepflanzung das notwendige Gegengewicht zur Architektur.
Sobald man das Tor an der Chausseestraße durchschritten hat, lässt man Hektik und Geräusche der Stadt hinter sich und steht in einem Hof mit hohen Aufenthaltsqualitäten – trotz der bis zu 7-geschossigen Bebauung. Das liegt zum einen an der sehr klugen Staffelung der Gebäudehöhen, den vielfältigen Vor- und Rücksprüngen von Balkonen und Staffelgeschossen, der ebenso vielfältigen Materialität der Fassaden, bei denen sich dunkelgraue und weiße Putzflächen mit Fassadenverkleidungen aus Metall und Holzimitat abwechseln, sich Muster und Rahmen ineinander schieben. Es liegt aber auch an der hochwertigen Außenraumgestaltung mit einer Vielzahl an Stauden, Blumen und Gräsern, Spielgeräten, Sitzgelegenheiten und verschiedener Bäume, deren Wuchs durch Baumtröge mit Erdanschluss gewährleistet ist, da der gesamte Bereich auf einer Tiefgarage angelegt wurde.
Atmosphärische Qualität trotz Dichte
„Die Frage ist doch, was braucht es, um sich wohlzufühlen? Gerade, wenn sehr dicht gebaut wird, müssen die Räume und Flächen dazwischen eine hohe atmosphärische Qualität aufweisen. Dabei spielt Grün und das sinnliche Erleben von Natur eine große Rolle“, so Martin Rein-Cano, Geschäftsführer des beteiligten Landschaftsplanungsbüros Topotek1 aus Berlin. „Vor gut 100 Jahren entsprach die klare Gliederung der Stadträume den Lebensgewohnheiten ihrer Bewohner: Wohnen, Arbeiten und Erholung in angelegten Parkanlagen waren klar voneinander getrennte Bereiche. Heute haben sich die
Gewohnheiten verändert. Durch flexible und mobile Arbeitsmöglichkeiten vermischen sich die Bereiche, weshalb das sinnliche Erleben stärker in den Alltag eingestreut werden muss.“
Trotz der hohen Bebauung scheint es für die Pflanzen nicht zu schattig zu sein. „Wir haben im Vorfeld Schattenstudien gemacht und beschlossen, gerade in den Randbereichen relativ viele Pflanzen mit panaschierten Blättern, also Blätter mit hellen Flecken, einzusetzen, um möglichst viel Helligkeit in den Hof zu bringen“, erläutert Elisabeth Gruenagel, die von Seiten der Landschaftsarchitekten die Bepflanzung geplant hat. „Natürlich gibt es auch sonnige Abschnitte! Ganz besonders ist es beispielsweise, wenn am späten Nachmittag die Sonne durch das große Tor weit in den Hof hineinfällt.“ Bei der Freiraumplanung wurden durch eine lockere, durchlässige Umpflanzung der zu den Erdgeschosswohnungen gehörigen Terrassen die Privatsphäre für deren Bewohner garantiert und gleichzeitig eine durchgängige Großzügigkeit für den Innenhof bewahrt. Für die Kinder gibt es an drei verschiedenen Stellen Spielplätze, wobei auch der übrige, gesamte Innenhof als Spielfläche gedacht ist.
Auch die Feuerwehr hatte hohe Anforderungen an die notwendigen Stellflächen zur Aufstellung ihrer Löschfahrzeuge im Brandfall. Sämtliche Stellflächen sowie die Durchwegung sind mit hellem Betonstein gepflastert. Charakteristisch für die Verlegung ist, dass Wert auf eine indifferente Grenze, eine unregelmäßige Verzahnung zwischen bepflanzten und befestigten Flächen gelegt wurde.
Vielfältige Grundrisse
Diese unklaren Kanten, das Ineinandergreifen unterschiedlicher Elemente, spiegelt im Freiraum das Konzept der Architektur wider. Sowohl an der Fassade als auch in den Baukörpern wird durch das Verzahnen die Gleichförmigkeit aufgebrochen und es entstehen spannende innovative Räume. Diese Vielfalt – die auch über die Vergabe an verschiedene Architekturbüros hätte erreicht werden können – zeigt sich in den individuell optimierten Grundrissen. Die Wohnungsgrößen reichen von 2-Zimmer-Apartments über 3 − 5-Zimmer-Wohnungen bis hin zu 2-ge-
schossigen Townhouses und Penthäusern in den Staffelgeschossen. Während in den Häusern an der Straße und dem westlichen Flügel Mietwohnungen angeboten werden, handelt es sich bei den übrigen Wohneinheiten um Eigentum, beides im gehobenen Segment.
Das Projekt „The Garden“ bietet insgesamt sehr viel, was dem Begriff des „Urbanen Bauens“ gerecht wird: Es erzeugt eine enorme Dichte bei hoher Wohnqualität, holt die Natur in die Stadt und bietet Wohnraum für unterschiedliche Nutzergruppen. Innerhalb des Projekts scheint vieles im Prinzip gut zu funktionieren. (Bis auf einen DIN A 4-Zettel am Indoor-Spielplatz, der darauf hinweist, dass dieser nur den Kindern der Eigentumswohnungen vorbehalten ist!).
Aber wirkt das Konzept auch in die Nachbarschaft
hinein? Oder können andersherum die Bewohner des Quartiers in irgendeiner Form die Stadt-Oase nutzen? In der Erdgeschosszone an der Straße befinden sich unterschiedlich große Gewerbeeinheiten, um beispielsweise über ein kleines Café eine Schnittstelle zum öffentlichen Raum der Straße zu schaffen. „Für uns hat die EG-Zone eine große Wichtigkeit und sollte möglichst mit gemeinschaftsbildenden Angeboten, wie eben einem Café, bespielt werden“, so Eike Becker. „Aber wir als Architekten können nur ein Potential anbieten, genutzt wird es dann so, wie die Bewohner es können und wollen. Sollte das Café als Nachbarschaftstreffpunkt wirken, müsste es unserer Erfahrung nach allerdings kuratorisch begleitet werden.“
Die einladende Geste des Tordurchgangs wurde von den Eigentümern inzwischen durch ein abgeschlossenes Gittertor stark relativiert. Vielleicht damit die Kinder wirklich den gesamten Hof ohne Gefahr bespielen können, vielleicht weil der Wunsch nach Sicherheit und Privatheit größer war als zunächst gedacht. Entlang der Straße gibt es aber dennoch dank der hier angeordneten Gewerbeeinheiten eine positive, nicht zu unterschätzende Außenwirkung des Wohnprojekts in das Quartier. Nina Greve, Lübeck
Baudaten
Standort: Chausseestraße 57 – 60, 10115 Berlin
Typologie: Wohnquartier
Bauherr: Garden Projektentwicklung GmbH
Nutzer: privat und Gewerbe
Architekt/Innenarchitekt: Eike Becker_Architekten, Berlin,
www.eikebeckerarchitekten.com
Mitarbeiter: Victor Asensio, Nicole Winge-Poorbiazar, Oliver Mehl, Ken Rannoch, Ekkehard Haase, Dirk Hellbusch, Alexander Lehmann, Luis Alexandre-Galiano
Generalunternehmer: BAM Deutschland AG, Stuttgart, www.bam-deutschland.de
Bauzeit: 2008 – 2016
Fachplaner
Tragwerksplaner: AWD Ingenieurgesellschaft mbH, Köln,
www.awd-ingenieure.info
TGA-Planer: Ingenieurgesellschaft Ridder und Meyn mbH, Berlin,
www.ridder-meyn.com
Fassadentechniker: Ingenieurbüro Michael Walzer, Berlin,
www.imw-fassadenberatung.de
Akustikplaner, Energieplaner/-berater, Bauphysik: GENEST und Partner Ingenieurgesellschaft mbH, Ludwigshafen/Rhein, www.genest.de
Landschaftsarchitekt: Topotek 1 Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbh, Berlin, www.topotek1.de
Brandschutzplaner: hhpberlin Ingenieure für Brandschutz GmbH, Berlin,
www.hhpberlin.de
Projektsteuerung: Günther Fischer – Gesellschaft für Baubetreuung mbH, Köln, www.fischer-projektentwicklung.de
Vermessungsingenieure: Harald Zech und Manfred Ruth, Berlin, www.zech-ruth.de
Projektdaten
Nutzfläche: 27 420 m²
Technikfläche: 10 197 m²
Verkehrsfläche: 2 185 m²
Brutto-Grundfläche: 34 064 m²
Brutto-Rauminhalt: 107 980 m²
Energiebedarf (exemplarisch an Bauteil A: Haus 1–2)
Endenergiebedarf: 70,8 kWh/m²a nach EnEV 2009
Jahresheizwärmebedarf: 41,3 kWh/m²a nach PHPP/EnEV 2009
Hersteller
Dach: Paul Bauder GmbH & Co. KG, www.bauder.de
Fenster: Schüco International KG, www.schueco.com
Fassade: Sto SE & Co. KGaA, m.sto.de; Alucobond, www.alucobond.com
Wand: Knauf KG, www.knauf.de
Dämmung: ABAKUS bauintegrierte Technologie GmbH, www.abakus-technologie.de; Rockwool International A/S, www.rockwool.de
Sonnenschutz: WAREMA Renkhoff SE, www.warema.de
Balkonverlglasung: Solarlux GmbH, www.solarlux.de
Türen/Tore: Hörmann KG, www.hoermann.de; Tortec GmbH, www.tortec.at
Zutrittssysteme: Aug. Winkhaus GmbH & Co. KG, www.winkhaus.com
Bewässerung: Loro K.H.Vahlbrauk GmbH & Co.KG, www.loro.de
Bewegungsmelder: protec class, www.protecclass.de
Aufzug: Schindler Aufzüge AG, www.schindler.com
Sanitär: Grohe AG, www.grohe.de; Villeroy & Boch AG, www.villeroy-boch.de; VitrA Bad GmbH, www.vitra-bad.de; Bette GmbH & Co. KG, www.bette.de
Beleuchtung: Schlottfeld Licht, www.schlotfeldtlicht.de
Außenbeleuchtung BEGA Gantenbrink-Leuchten KG, www.bega.com/de