Meinhard von Gerkan gmp Architekten

Meinhard von Gerkan (1935-2022)

Der Gründungspartner (mit Volkwin Marg) von gmp Architekten verstarb am 30.11.2022 in Hamburg

Er wollte noch ein Buch schreiben. Noch eines zu den beiden Bänden Biografie, die ein anderer geschrieben hatte. Und sicher danach noch eins. Es gibt wohl kein Architekturbüro in dieser Welt, das mehr Bücher über das eigene Werk aber auch Bücher über das Bauen und eine Haltung dazu publiziert hat, als gmp das bis heute macht. Und morgen sicher auch noch. Einer der beiden Schreiber und Büchermacher, Meinhard von Gerkan, wird den dritten Band seiner Biografie wohl nicht mehr vollenden. Vor fast genau drei Jahren sprachen wir mit ihm und da war, obwohl schon Müdigkeit den damals 85-Jährigen zeichnete, noch alles voller Vorhaben.

Meinhard von Gerkan ist nun nicht mehr, es bleibt die schier unübersehbar große Zahl von großen und kleineren Bauten auf der ganzen Welt. Und die schon angesprochenen Bücher. Und natürlich - auch dafür ist das Büro bekannt - bändeweise Geschichte. Geschichten vom Erfolg - erster Wettbewerb Tegel 1968 - und dem Scheitern (BER und Hauptstadtbahnhof, beide Berlin). Oder schreiben wir statt Scheitern lieber: großem Ärger, juristischen Auseinandersetzungen, offen in den Medien ausgetragenen Fehden mit der Bauherrschaft. Oder auch mal mit KollegInnen.

Meinhard von Gerkan (1935-2022), im Dezember 2019 in seinem Le Canard
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Meinhard von Gerkan (1935-2022), im Dezember 2019 in seinem Le Canard
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Ich traf Meinhard von Gerkan zum ersten Mal im Jahr 2000, in Hannover, an seinem Christus-Pavillon, der von seiner ganzen Art ein gmp-Urtyp ist: gerade Linien, sichtbares (zur Schau gestelltes?!) Tragwerk, Stahl/Glas mit hölzernen Minimalakzenten (Handläufe!) und die ausgekreuzten Fachwerke mit nachspannbaren Seilen. Auch besonders war der Pavillon, weil er als einer der ganz wenigen die EXPO-Auflage erfüllte, ein Nachleben im Tragwerk und den Materialien möglich zu machen; er wurde in Hannover abgebaut und im Kloster Volkenroda in Thüringen wiederaufgebaut. Damals spazierte der gutgelaunte von Gerkan mit der ganzen Familie über die EXPO, die Familie hat ihn in all seinem Tun und bis zuletzt begleitet. Wie überhaupt er die Balance zwischen beruflichem und privatem angestrebt aber wohl selten erreicht hat: „Auf das Berufliche und das Familiäre bezogen wünsche ich mir eine bessere Balance zwischen diesen beiden Welten. Ich habe immerhin sechs erwachsene Kinder – eine meiner Töchter lebt in New York, eine andere in Berlin. Die vier Kinder meiner zweiten Frau leben hier in Hamburg. Diese Balance hinzubekommen, ist eine große Aufgabe. Beruflich bin ich noch täglich gefordert." Das sagte er in einem Gespräch mit mir anlässlich seines 85. Geburtstags.

Geboren am 3. Januar 1935 in Riga musste Meinhard von Gerkan ohne Eltern nach Westen fliehen, er landete in Hamburg und wuchs bei Pflegeeltern auf. Studierte erst Jura und Physik, entschied sich dann für ein Studium der Architektur, zuerst in Berlin, wo er seinen späteren Büropartner Volkwin Marg kennenlernte, Diplom machte er an der TU in Braunschweig. Nach dem Diplom dort 1964 gründete er in Hamburg bereits ein Jahr später zusammen mit Volkwin Marg das Büro gmp – Architekten von Gerkan, Marg und Partner, dessen internationale Bekanntheit mit dem Wettbewerbsgewinn zum Flughafen Tegel die nationale Bekanntheit gleichsam übertraf.

Tegel 2018, hier war noch Flugbetrieb. Mit dem siegreichen Wettbewerbsentwurf für den Flughafen Tegel begann 1968 die steile Karriere eines bis heute international bedeutenden Architekturbüros
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Tegel 2018, hier war noch Flugbetrieb. Mit dem siegreichen Wettbewerbsentwurf für den Flughafen Tegel begann 1968 die steile Karriere eines bis heute international bedeutenden Architekturbüros
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Von hier aus folgten unzählige Bauten, Museen, Bahnhöfe, Flughäfen, Messehallen, Ateliers, Theater, auch aber weniger Wohnungsbau. In China, dem Land der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten plante und baut bis heute gmp eine ganze Stadt. Selten einmal zeigt ein gmp-Entwurf etwas anderes, als das gmp-Vokabular zulässt. In dem schon genannten Gespräch mit ihm anlässlich seines 85. Geburtstags meinte er dazu: „Über die Kontinuität der Handschrift hinaus, die sich in allen Projekten von gmp manifestiert, gibt es eine Koinzidenz der Haltung, also des Inhalts, des Ausdrucks und der Mittel wie Materialien oder Maßstäblichkeit." Also nicht nur bloßes Generieren, heute würde er, so in dem Gespräch vor ziemlich genau drei Jahren, auch einmal etwas anders machen ... vorausgesetzt, es gäbe hierzu Anlass!

Die Projekte aufzählen sollen andere, der Blick auf die Webseite offenbart die große Maschine gmp, die mit mehr als 500 Mitarbeiter:innen zu den größten Architekturbüros der Welt gehört und von der regelmäßig Meldungen kommen dazu, was gerade wieder fertiggestellt wurde. Doch wie häufig ist „vom Einfachen das Beste", so von Gerkan über das Büro, das Einfache manchmal das Beste. Ihm waren der schon genannte Christuspavillon mit einem Haus in Jurmala am Rigaer Strand – also, da wo er geboren wurde, die beiden Lieblingsarbeiten. Das Haus am Strand - man muss es lange in den Publikationen suchen - ist ein villengroßes Einfamilienhaus, „das von der Bauherrin, der ich den Entwurf schenkte, mit ausgesuchter Sorgfalt genauso realisiert worden ist, wie ich es entworfen habe" (Meinhard von Gerkan im Gespräch mit mir).

Das endlich fertiggestellte Großprojekt in Berlin, der bis zum Schluss und bis heute umstrittende Flughafen BER, hier der "Willy Brand Platz", der (fast) das ganze Entwurfsprogramm von gmp offenbart
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Das endlich fertiggestellte Großprojekt in Berlin, der bis zum Schluss und bis heute umstrittende Flughafen BER, hier der "Willy Brand Platz", der (fast) das ganze Entwurfsprogramm von gmp offenbart
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Nun bleibt Volkwin Marg, mit dem der Verstorbene nach dem legendären Tegel-Projekt nichts mehr zusammen gemacht hat! Im Gespräch in Hamburg darauf angesprochen antwortete von Gerkan: Es gibt hier einen Spruch, der von Moltke stammt, den Volkwin Marg immer in diesem Kontext benutzt: Getrennt marschieren und vereint schlagen! Und mit Blick auf die Zukunft, auf die Zeit, die einmal nach von Gerkan/Marg kommen wird antwortete er: „Wir sind essentieller geworden, schon deshalb, weil wir uns – neben Volkwin Marg und mir – auf vier Partner reduziert haben. Es gibt heute eine projektbezogenere Zuständigkeit der Partner und Assoziierten für Regionen, Typologien und Bauweisen. Das ist Vielfalt unter dem Markendach." Das wird sicher bleiben wie auch Bilder und Geschichten von und über Meinhard von Gerkan. Wie sich gmp entwickelt unterm Markendach, auch das werden wir sehen.

Meinhard von Gerkan im Gespräch mit Benedikt Kraft, DBZ, im Dezember 2019, in "seinem" Le Canard mit Blick auf den Hamburger Hafen
Foto: Claudia Tiesler

Meinhard von Gerkan im Gespräch mit Benedikt Kraft, DBZ, im Dezember 2019, in "seinem" Le Canard mit Blick auf den Hamburger Hafen
Foto: Claudia Tiesler

Das Schlusswort kommt von Volkwin Marg: „Wir haben zusammen stets für gute Architektur gekämpft, sehr oft gewonnen und manchmal auch verloren. Meinhards unternehmerischer Mut und weitsichtiger Blick nach vorn stellten die Weichen für die Zukunft unseres Büros.“

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