Die Zukunft in Potsdam ist historisch
In der Diskussion um den (halb) vollzogenen Wiederaufbau der Garnisonkirche melden sich wieder einmal Prominente zu Wort. Ob das irgendetwas bewegt? Ein Aufruf 21.04.2023 |Wir berichteten selbst immer wieder über das Projekt an der Bundesstraße 2, Breite Straße in Potsdam. Der Resurrektion des umstrittenen Hauses haben sich einige wenige erfolgreich angenommen, Parallelen zur Wiederauferstehung des Schlosses in Berlin alias Humboldt Forum sind hier deutlich. Ob das Projekt, das mit dem Wiederaufbau des Turms gestartet ist, nun doch in ganzer Größe (mit Kirchenschiff also) umgesetzt wird, liegt in den Händen wieder einmal weniger, und die Frage, wem gehört die Stadt, wem die Vergangenheit und wem die Zukunft stellt sich gerade in Potsdam noch einmal und sehr nachdrücklich.
Vor fast 20 Jahren wurde der „Ruf aus Potsdam“ veröffentlicht, um für den Wiederaufbau der Garnisonkirche zu werben. Heute treten 100 namhafte Personen aus Kultur, Wissenschaft und Zivilgesellschaft mit dem „Potsdamer Appell“ an die Öffentlichkeit, um für die Koexistenz von Garnisonkirchturm und Rechenzentrum Potsdam zu plädieren. Das direkte Nebeneinander dieser beiden entgegensetzen Bauten mache die deutsche Geschichte in ihrer Widersprüchlichkeit anschaulich. Zugleich sei ihre Koexistenz Ausdruck einer liberalen und vielfältigen Stadtgesellschaft, stünden doch beide Bauten für unterschiedliche Akteure und Haltungen in der Gegenwart. Hierin läge das einzigartige Potenzial dieses seit Jahrzehnten umstrittenen Ortes, der nicht einer Bereinigung der Geschichte geopfert werden solle.
Lernort (altes Rechenzentrum) mit Baustelle Garnisonkirche. Der Turm hat bereits seine endgültige Höhe erreicht
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Zu den 100 Erstunterzeichner des vom Lernort Garnisonkirche initiierten Appells gehören Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie Inken Baller, Max Czollek, Andreas Dresen, Brigitte Franzen, Hans Ulrich Gumbrecht, Thomas Heise, Kasper König, Matthias Sauerbruch und Stefanie Schüler-Springorum. In bemerkenswerte Breite sind Kulturschaffende und WissenschaftlerInnen an dem Appell beteiligt, die wichtige Institutionen in Potsdam leiten. Zu ihnen gehören Frank Bösch (Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung), Oliver Günther (Universität Potsdam), Bettina Jahnke (Hans Otto Theater), Katja Melzer (Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte), Susan Neiman (Einstein Forums), Miriam Rürup (Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien), Hans Joachim Schellnhuber (Bauhaus Erde, Potsdam), Julius H. Schoeps (Moses Mendelssohn Stiftung), Christoph Martin Vogtherr (Stiftung Preußische Schlösser und Gärten), Sophie Wolfrum (Gestaltungsbeirats Potsdam) sowie die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats Lernort Garnisonkirche. Ferner unterzeichneten auch einige heutige und ehemalige Amtsträgern der evangelischen Kirche Berlin Brandenburg Oberalusitz (EKBO) den Aufruf.
2017 war der heutige Bauplatz noch ein symbolischer Ort, der alles geboten hat, auch das, was jetzt dort steht. Chance vertan?
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Devotionalienschrein vor dem geliebten/ungeliebten Rechenzentrum mit Wandkunst
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Die Initiatoren hoffen, dass die Stiftung Garnisonkirche nicht weiter an ihren im Februar diesen Jahre formulierten Bedingungen festhält und die vor zwei Jahren begonnen Gespräche mit Stadt Potsdam und Kunst- und Kreativhaus Rechenzentrum konstruktiv fortsetzt. Die zukünftige Entwicklung des Ortes sollte die Koexistenz von Garnisonkirchturm und Rechenzentrum zum Ausgangspunkt haben. Folglich sollten die Pläne für den Abriss des Rechenzentrum endgültig aufgegeben werden.
Der Aufruf kann auf der Website des Lernort Garnisonkirche mitunterzeichnet werden: https://lernort-garnisonkirche.de/petition/
Unter diesem Link findet sich auch der Wortlaut des Aufrufs incl. der Nennung aller Erstunterzeichner.