Ein Faktencheck, der keiner ist

Bei Stuttgart 21 ist es wie bei vielen Großprojekten. Aufgrund von Annahmen wird geplant. Und letztlich kommt ein Projekt dann, wenn es politisch gewollt ist. Von Rüdiger Sinn, Stuttgart

Die Schlichtungsverhandlungen über Stuttgart 21 (S21) laufen seit vier Wochen. Es waren bislang aufreibende, lange Sitzungstage, die neben Fakten auch einiges an dem Politikverständnis zu Tage brachten, was vor 15 Jahren im Ländle vorherrschte. Selbst Ministerpräsident Mappus fordert deshalb heute ein Ende der „Basta“-Politik, die damals üblich war. Den medienwirksamen „Basta“-Satz hatte Mappus von Schlichter Heiner Geißler aufgegriffen, der vor der Schlichtung schon die richtigen Worte gefunden hatte.

Was aber bringt die Schlichtung wirklich? Ein Faktencheck ist vorgesehen, „alles muss auf den Tisch“, sagt der Vorsitzende Geißler. Wenn aber die Fakten, wie im Fall des Baus der Neubaustrecke nach Ulm keine Fakten sind, sondern Spekulationen, dann wird es schwierig mit der Wahrheitsfindung.

Wirklichen Fakten hingegen legte am vierten Verhandlungstag der ehemalige Stuttgarter Bahnhofschef Egon Hopfenzitz vor. Er berief sich auf seine tägliche Arbeit und auf den jetzt gültigen Fahrplan und zeigte auf: Im Kopfbahnhof gibt es noch Ausbaupotential. Sein Vortrag war ein Teil der Vorstellung der Variante Kopfbahnhof 21 (K21). Nach 15 Jahren hatten die Projektgegner nun endlich die Chance, ihre Variante vorzustellen und über die modernen Medien detailliert zu verbreiten.

Ob am Ende der Schlichtung ein Schlichterspruch steht? Heiner Geißler möchte sich darauf nicht festlegen. „Es könnte sein, dass ich eine Empfehlung ausspreche“, sagt der CDU-Politiker mit Attac-Mitgliedsausweis. Entscheiden tun letztlich die Bürger bei der Landtagswahl im März 2011.

Die Schlichtung wird auf Phoenix und dem SWR übertragen. Im Internet ist sie auf diesen Portalen und auf www.fluegel.tv zu sehen und in der Mediathek nachzusehen. Der Bürgersender hat sich im Rahmen des Konfliktes um S21 formiert. Eine ausführliche Schilderung der Verhandlungen und ihrer Ergebnisse können Sie im hier beiliegenden PDF nachlesen; vielleicht während einer Zugreise?!

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