Architektur trifft Politik
Architektentag NRW 2012, 30. August 2012 22.01.2018Es gab viel zu sagen zum Thema „Klimaschutz braucht Baupolitik“ am späten Donnerstagnachmittag in der Turbinenhalle der Stadtwerke Düsseldorf. Geladen hatte die Architektenkammer NRW und gekommen waren viele: einerseits die Politiker, allen voran Ministerpräsidentin Hannelore Kraft mit ihrem Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr Michael Groschek. Andererseits lockte der Anlass eine große Anzahl Architekten. Angemeldet hatten sich 700, die die Turbinenhalle sowieso nicht hätte fassen können, tatsächlich gekommen sind etwas weniger – sehr gut gefüllt war es allemal. Scheinbar wollten viele hören, was die neu gewählte Landesregierung – und auch die Opposition – der Architektenschaft zu sagen hat.
Gleich zu Anfang: Für eine treffende Zusammenfassung könnte ich mich einfach dem Präsidenten der Architektenkammer NRW, Hartmut Miksch, anschließen, der am Schluss sagte, man könne diese Veranstaltung nicht zusammenfassen.
Dies ließ sich schon vorab am Untertitel des Programms erahnen: „Energiepolitik, demografischer Wandel und die Zukunft des Bauens“ viel umfassender kann man das Thema eines Architektentages nicht überschreiben – eigentlich fehlte nur das Stichwort Baukultur, aber das kam im Laufe des Abends natürlich hinzu. Aber nun gut, probieren wir es doch mal mit einer Zusammenfassung der „wichtigsten Berufspolitischen Veranstaltung der Architektenkammer NRW“ (Miksch)
Dicht gepackt, das Vortragsprogramm. Hartmut Miksch, Präsident der Architektenkammer NRW, eröffnete die inhaltliche Auseinandersetzung mit seiner Begrüßungsrede. Einig waren sich die Politiker – so stellte sich später heraus – mit dem Präsidenten der Kammer darüber, dass dem Gebäudesektor eine zentrale Rolle im Rahmen der Neuausrichtung der Energiepolitik zukommt, denn ca. 40 % des Endenergieverbrauchs und etwa 1/3 der CO2-Emissionen entfallen mittel- und unmittelbar auf diesen Bereich. Miksch forderte in diesem Zusammenhang eine Wohnungsbaupolitik, Wohnungsbauförderung und Infrastrukturplanung, die nicht das alleinige „Einpacken“ des Gebäudebestands berücksichtigt, sondern weg kommt von der Bewertung des Energieverbrauchs von Einzelbauwerken und stattdessen den Fokus stärker auf eine quartiersweise Betrachtung legt.
Neben dem Thema Energie betonte Miksch auch die Wichtigkeit der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum – auch und gerade im Neubau – und darüber hinaus von barrierefreiem oder barrierearmen Wohnraum. Um dem demografischen Wandel Rechnung zu tragen, bedarf es, allein in NRW, der sogenannten demografiefesten Umrüstung von 2,5 bis 3 Millionen Wohnungen, Kosten: ca. 50 Millionen Euro. Hinzu kommt die Notwendigkeit der energetischen Sanierung bei rund 2/3 des nordrhein-westfälischen Wohnungsbestands. Für Letzteres müssen ca. 90 Millionen Euro investiert werden.
Präsident Miksch forderte daher, die politischen Rahmenbedingungen so klar zu formulieren, dass Investitionsentscheidungen über viele Jahre Bestand haben, dass Förderprogramme und -konditionen eine langfristige und verlässliche Perspektive bieten und steuerliche Anreize privates Kapital ansprechen.
In dem, was getan werden muss, bestand seitens der Politik kein Zweifel, nur in Punkto „steuerliche Anreize“ konnte und wollte sich Ministerpräsidentin Kraft in ihrer darauffolgenden Rede der Forderung der Architektenkammer nicht anschließen.
Aber auch sie betonte die Wichtigkeit der Fokussierung auf die Wohnquartiere, einerseits für den demografischen Wandel andererseits in Sachen Energiewende.
Für diese Themen, also die Schaffung von familien- und seniorengerechtem Wohnraum, in dem Menschen sich wohlfühlen, praxistaugliche Lösungen sowie energetisch und baukulturell sinnvolle Maßnahmen zur Energieeinsparung, die dabei bezahlbar bleiben müssen, seien Architekten schließlich die Experten.
Also forderte Kraft von den Architekten, einen entscheidenden Beitrag dazu zu leisten. Nötig sei dafür eine umfassende Bauherrenberatung. Die Ministerpräsidentin plädierte daher für eine Förderung von Programmen, die eine Beratung beinhalten – und nicht rein steuerliche Vergünstigungen.
„Am Ende muss was Gutes dabei raus kommen“ sagte Kraft – und da kann ihr wohl keiner widersprechen.
In den folgenden Diskussionen mit Bauminister Groschek sowie anschließend mit den Sprechern aller Parteien des Landtags herrschte sozusagen parteiübergreifende Einigkeit darin, dass man die Themen „Energiepolitik, demografischer Wandel und die Zukunft des Bauens“ dringend anpacken muss. Unklarheit und Uneinigkeit gab es – wie könnte es anders sein – in den Detailfragen des „Wie genau?“ und vor allem „Wovon?“
Dennoch, es war ein interessanter, dicht gepackter Architektentag, der nicht trotz sondern gerade durch die Vielzahl der Vorträge, Diskussionen und Personen viel Informatives bot und sich nicht zuletzt durch die kritische und ironische Moderation von Dr. Leo Flamm und dem abschließenden Vortrag von Dominik Wichmann, stellvertretender Chefredakteur des „Stern“, obendrein unterhaltsam gestaltete.
Und so darf man gespannt sein, ob die Landesregierung bis zum nächsten Architektentag der AK NRW in 2013 schon ein paar Entscheidungen zu den großen Themen „Energiepolitik, demografischer Wandel und Zukunft des Bauens“ auf den Weg gebracht hat und sich erneut der öffentlichen Diskussion dazu stellt. SG