Werden wir endlich modern

DBZ Heftpartner Laura Fogarasi-Ludloff, Jens Ludloff, Ludloff Ludloff Architekten, Berlin

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Laura Fogarasi-Ludloff, Jens Ludloff,
Ludloff Ludloff Architekten, Berlin
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

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Der Architekt und Kritiker Philip Johnson (1906–2005) zählt zu den Galionsfiguren der neueren Baugeschichte. Die 1932 von ihm und Henry-Russell Hitchcock kuratierte Ausstellung „The International Style“ am New Yorker MOMA stellte eine formalistische Internationalität der Architekturmoderne vor, die es so nie gab. Die bildgewaltige Präsentation, die gleichnamige Publikation und die einseitige Rezeption vergaßen zwei zentrale Ziele der modernen Bewegung, das Streben nach sozialer Gerechtigkeit bzw. Balance und das Ende der Erzählung vom „Stütze-Last-Prinzip“.

Die Ausstellung gehört bis heute zum Bildgedächtnis einer auf Amerika und Europa zentrierten Geschichtsschreibung der Moderne. Mit ihr setzte sich ein fehlerhaftes Verständnis durch, das unterschiedliche Versuche ausblendete, die Ästhetik der „Alten Welt“ aufzulösen. Zu jenen zählen unter anderem die suprematistischen Gemälde von Kasimir Malewitsch, die 1915 erstmals in Sankt Petersburg zu sehen waren. Solches Anliegen einer Balance in Gleichheit war zweifellos das politische und internationale Ziel der Moderne, in dem es nicht darum ging, architektonische Konstruktionen oder Bilder weltweit gleichzustellen.

In Johnsons Ausstellung fehlten zudem wichtige Protagonisten der Moderne wie Rudolph Michael Schindler, der in seinem Kings Road House in Hollywood die Kulturen Japans und Österreichs mit den kalifornischen Klimaumständen auf bemerkenswert einfache Weise in ein Gleichgewicht brachte: als Holzbau, im internationalen Kontext gedacht und radikal lokal in Selbstbauweise realisiert. Auch Konrad Wachsmann fehlte, dessen Caputher Sommerhaus für Albert Einstein von 1929 ein Beispiel wissenschaftlichen Arbeitens ist, das Ungenauigkeiten und Emotionen, jedoch keine Kompromisse toleriert.

Als Errungenschaft der Moderne wären nicht etwa Henry Fords Fließbänder (vgl. Le Corbusier) zu „preisen“, sondern die ­Union Stock Yards, die Schlachthäuser Chicagos, in denen ab 1865 die radikale Arbeitsteilung durch Automation optimiert wurde. So ist heute, angeblich in der Zukunft angekommen, festzustellen, dass in jenen Schlachthäusern die meiste Kinderarbeit in den USA stattfindet. Diese zweifelhaften Errungenschaften sind bis heute Sinnbild eines falsch verstandenen „International Style“, der sich gewinnmaximiert im globalen Markt durchgesetzt hat.

Im Umland Berlins entstehen aktuell riesige Montagewerke für mehrgeschossigen Holzbau; mittels optimierter Automation sollen hier banale Rahmenkonstruktionen aus Hölzern des internationalen Marktes gefertigt werden. Die Politik ist vom Versprechen einer nachhaltig hölzernen Bauproduktion begeistert. Von wirklicher Nachhaltigkeit ist diese Entwicklung jedoch so weit entfernt wie einst die Union Stock Yards. Innovationen im Holzbau vollzogen sich in den letzten Jahren nicht mit, sondern gegen jede Marktlogik. Z.B. gäbe es bis heute keinen städtischen Holzbau ohne Durchhaltevermögen und Willensstärke von Baugruppen und einigen wenigen Architektinnen und Architekten. Nur in der Zusammenarbeit mit diesen „Pionieren des Holzbaus“ kann die viel diskutierte „Bauwende“ gelingen.

Bruno Latour gibt in seinem Essay „Wir sind nie modern gewesen“ von 2008 den Hinweis auf die Untrennbarkeit von Gesellschaft und Natur. In diesem Modell hat es die Postmoderne nie gegeben. Befreien wir uns also von den formalen Dekorationen der Vergangenheit. Setzen wir das Gleichgewicht der Kohabitation in den Mittelpunkt unseren Handlungen. Werden wir endlich modern!

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