Wegen Umbau geöffnet – deutscher Beitrag Architekturbiennale Venedig 2023
Als dann fast alles gesagt war – und wegen üblichem Paukenschlageffekt dann doch noch nicht alles – gab es noch diesen Satz: „Es wird noch eine Überraschung geben!“ Welcher Art die sein wird, das zu offenbaren hätte eben den Paukenschlag zu einem Pianissimo verdünnt und so blieb die Parlamentarische Staatssekretärin des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, Cansel Kiziltepe, auch auf Nachfrage standhaft und lächelte nur. Dabei wäre es ja schön gewesen, über all das längst Gewusste (aktueller politischer Diskurs) hinaus noch etwas zu erhaschen, das vielleicht all die vorhergegangenen deutschen, aber auch europäischen Beiträge zur Architekturbiennale gleichsam im Zeitenwende-Rausch in den Schatten stellte: Wir zeigen all die Bauten, die in den letzten zehn Jahren abgerissen worden sind. So etwas. Statt dessen – auf der Pressekonferenz in den Verlagsräumen von ARCH+, Teil des Kurator:innenteams 2023 – solche Sätze: „Transformation und Nachhaltigkeit in einem umfassenden Sinn sind Themen von höchster Aktualität, insbesondere auch im Bauwesen. [...] Ich freue mich, dass der Deutsche Pavillon 2023 spannende Lösungsansätze zu den komplexen Fragestellungen des klima- und ressourcenschonenden und des sozial verantwortungsvollen Planens und Bauens für die globalen Gesellschaften präsentieren wird.“ Das hatte man schon einmal gehört in den letzten Jahren. Immerhin: Man wolle mit den Nachbarn auf dem Ausstellungsgelände der Giardini kooperieren.
Überhaupt scheint in der Politik angekommen zu sein, dass die klassische Leistungsschau – im fairen Wettkampf der Nationen(-pavillons) – endgültig vorbei ist. Die anstehenden Probleme haben längst nationale Befindlichkeiten überwunden; wer nicht global denkt und lokal, regional, national, international handelt, der wird Zuschauer:in sein und Einkäufer:in des dann sehr teuren Know-hows, das heute schon nötig ist, um Hitze, Stürme und Überschwemmungen zu meis-tern. Nicht mehr das „Höher, Eleganter, Neuartiger, Noch Neuartiger“ wird die Marktführerschaft ausmachen, sondern die intelligente Resilienz, ressourcenschonendes Kreislaufwirtschaften und überhaupt, der Verzicht auf immer mehr von irgendwas.
Werden wir denn auch Architektur sehen?
Aber sind damit auch der Spaß, das Vergnügen, das subtile Ausbalancieren zwischen Raum und Material, privat und öffentlich, Kubatur und Ort, zwischen Mensch und Haus zu Ende? Dürfen wir gar nicht mehr – oder nur hinter vorgehaltener Hand – mit leuchtenden Augen über das Bauen fantasieren?
Ob denn auch Architektur zu sehen sein wird, fragten wir die Architekt:innen im Kuratorenteam, Anne Femmer, Florian Summa, Juliane (mit Petter Krag). „Ja, wieso nicht?!“ war die Antwort der drei, die überrascht waren, man könnte vermuten, in Venedig 2023 würde keine Architektur mehr gezeigt. Man werde aber anders als sonst tatsächlich keine gebauten Häuser in den Mittelpunkt des Pavillons stellen, vielmehr die nötige Ausstellungsarchitektur, die das Thema in vordergründiger wie übertragener Weise trage/transportiere. So werde nicht – wie häuftiger in der Vergangenheit – die Auseinandersetzung mit dem Pavillon(Bestand) gesucht, sondern mit der Übernahme des vorgefundenen Zustands. Und der zeigt aktuell immer noch Reste der Grabungsarbeit „Relocating a Structure“ der Künstlerin Maria Eichhorn, deren Arbeit der deutsche Beitrag zur Kunst-Biennale 2022 und der vorläufige Abschluss in der langen Reihe von Dekonstruktions- und Angriffsarbeiten auf die Substanz des ungeliebt/geliebten Ausstellungsortes war – einer jahrzehntelangen Reihe, die mit Hans Haackes Bodenplattenzersplitterung im Jahr 1993 unübersehbar gestartet wurde.
Akt der Instand(be)setzung
Über einen „Akt der Instand(be)setzung“ werde die archäologische Arbeit Maria Eichhorns aktiv in die Gesamtgestaltung des Ortes miteinbezogen, ganz im Sinne einer „diskursiven, materiellen und ökonomischen Nachhaltigkeit“. Damit werden – so auf der Pressekonferenz – Kunst- und Architekturbiennale erstmals räumlich und programmatisch miteinander verwoben. Im deutschen Pavillon. Der Ausstellungsbeitrag wird – so wie es schon die Arbeit des Architekturbiennale Kuratoren Alejandro Aravena 2016 im zentralen Pavillon vormachte – mit gebrauchtem Material der Kunstbiennale realisiert. Weiteres Baumaterial kommt aus dem Abbruch der Ausstellungen anderer Länderpavillons. Damit hätten wir eher den Hinweis auf eine grundsätzliche Problematik als die Lösung des bis heute massenhaften Ressourceneinsatzes, der mit den Biennalen jährlich hunderte Tonnen an Abfall in der Lagunenstadt produziert.
Im Zentrum des Pavillons: eine Werkstatt
Die Praxisnähe des Projekts zeigt sich, anknüpfend an den Biennale-Titel „The Laboratory of the Future“ der diesjährigen Chef-Kuratorin Lesley Lokko, vor in einer lauten, Staub und Form produzierenden Werkstatt im eigentlichen Sinn. Nach dem Motto „From Exhibition to Habitation“ des venezianischen Stadtaktivisten Marco Baravalle macht dieser als Teil des größeren Teams aus dem Ort nationaler Repräsentation einen Ort der gemeinschaftlichen Alltagspraxis. Hier in der Werkstatt sollen Dinge ge- und bearbeitet werden, die einem konkreten lokalen Bedarf zugeführt werden. Der deutsche Pavillon soll sich in eine produktive Infrastruktur verwandeln, die die Prinzipien des zirkulären Bauens ebenso wie die soziale Verantwortung der Architektur befördert.
Wie am Ende der deutsche Beitrag abschneidet, wird vielleicht nicht uns allein interessieren. Auch die Sponsor:innen werden genau schauen, neben dem Bund ist das die Volkswagen AG, der das Wort „Maintenance“ bis heute fremd ist. Aber wer weiß, vielleicht lernt die Automobilindustrie einmal von der Bauindustrie, obwohl das sogar von dieser immer genau andersherum gesehen wird. Auf nach Venedig! Be. K.