Reclam-Version

Kennen Sie noch die Reclam-Hefte? Gelbe Druckwerke in A6 Größe, Taschenbücher im wahrsten Sinne des Wortes und in Sachen Preis-/Leistungsverhältnis unschlagbar (gibt es die eigentlich noch?). Auf dem Büchermarkt, auf dem es um Architektur und/oder Design geht, sind die Behälter andere Kaliber, größer, schwerer und – Vorurteilen geschuldet? – deutlich schlanker, was die Textmenge angeht. Haben die Gestalter:innen keine Zeit mehr zum Lesen?

Nun gab es offenbar diese Zeit einmal und die bot sich offenbar dazu auch an: Architektur- und Designdiskurse der 1950er- bis 1970er-Jahre füllen heute ganze Bibliotheken, bilderarm, grafikenstark, textreich. Diese produktive Zeit brachte – fast zwangsläufig – eine Methodendiskussion auf, in der es um die Entwicklung systematischer Methoden des Entwerfens ging. Angesichts der geis-tigen wie materiellen Leere einer imaginären Stunde Null nach dem Krieg 1939-45 in Europa und der Welt gab es den Drang, entwerferische Praktiken vom Subjektiven ins Objektivierbare zu überführen. Ideologische Ansätze sollten damit durchsichtig und also vermieden werden. Andererseits gab es den Drang, die kreative Produk­tion zu mehr Effizienz zu bringen, den Output zu vergrößern. Die Hochschule für Gestaltung in Ulm spielte hier eine bedeutende Rolle, begleitet wurde sie durch das Design Methods Movement oder das Creativity Movement in Großbritannien.

Wer hier mit welchem Ziel eine Rolle spielte, wie die Protagonist:innen an welchen Plätzen mit welchen Thesen arbeiteten und was wir Heutige daraus gewinnbringend für die eigene Arbeit ziehen können, das hat Jesko Fezer mit seinen „Umstrittene Methoden“ nachvollzogen (DBZ 12|2022), er folgt damit der hier vorliegenden Arbeit, die wesentlich komprimierter „der Frage nachgeht, inwiefern der von den USA ausgehende Kreativitäts- und Methodendiskurs der Nachkriegszeit einerseits eine Gleichsetzung von Kreativität mit (vermeintlicher) Produktivität beförderte und wie andererseits die medialen Bedingtheiten und Grenzen systematischer Entwurfsmethoden in den Bereichen Design und Kunst reflektiert und kritisiert wurden.“ (Verlag) Wer sich also an den Fezer noch nicht herantraute, der kann in dieser „Reclam“-Version höchst elegant ins Thema eintauchen. Immer wieder einmal am Tag, wenn fünf oder ein paar Minuten mehr Zeit sind. Be. K.

Claudia Mareis, Michael
Rottmann, Entwerfen mit System. Adocs, Hamburg 2020, 227 S., sw- u. Farbabb.15 €, ISBN 978-3-943253-25-2
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