Perspektivwechsel
Text: Ina Lülfsmann
Der Titel des Buches verheißt Düsteres: „Moderne Architektur: Eine Geschichte der planetaren Erwärmung“. Doch der Eindruck täuscht. Ja, es geht um den Klimawandel und welche Rolle die Architektur dabei spielt – kein heiteres Thema. Aber das Buch des niederländischen Architekturhistorikers Hans Ibelings weist nicht mit erhobenem Zeigefinger auf die Irrwege der Vergangenheit, sondern es ist der Versuch für eine neue Geschichtserzählung der Modernen Architektur. Und zwar eine, die hervorragende, realisierte und nicht realisierte Projekte, Ideen und Skizzen beinhaltet, die ihren ökologischen Einfluss oder den von Architektur allgemein thematisieren. Indem er einige der gängigen „Stars“ der Moderne außer Acht lässt und unbekanntere Akteure einführt, möchte Ibelings ein Netz aus guten Ideen aufspannen, anstatt einer evolutionären Erzählung zu folgen. Und diesen Perspektivwechsel bringt er seinen Leserinnen in lockerem Schreibstil näher.
Das Buch, das bisher nur auf Englisch erschienen ist, beinhaltet sieben thematische Kapitel. Sie beginnen mit einem einleitenden Text des Autors, auf den beispielhafte Projekte in chronologischer Reihung folgen. Projekte sind dabei nicht nur realisierte Gebäude, sondern auch Ideenskizzen, Bücher, Wettbewerbsbeiträge usw. So geht es beispielsweise im Kapitel „Architecture, Planet“ um die Entstehung einer globalen Denkweise. Es stellt Wissenschaftlerinnen, Denkerinnen und Designer vor, die immer auch die planetaren Zusammenhänge und Auswirkungen ihrer Ideen und Konzepte im Blick hatten oder sogar thematisierten. Wie zum Beispiel Patrick Geddes und das National Institute of Geography in Edinburgh von 1900 oder natürlich der Bericht des Club of Rome von 1972 „The Limits to Growth“. Andere Kapitel beleuchten den Zusammenhang von klimatischen Bedingungen und Stadtgestaltung und wie dies schon vor über 100 Jahren berücksichtigt wurde. Oder der Autor schaut auf ökosystemische Konzepte in der Architektur der Moderne, die Gebäude als Kreislauf oder als integralen Teil größerer Ökosysteme (Städte, Regionen, der ganze Planet) verstanden.
Handlich klein und auf Umweltpapier gedruckt kommt das Taschenbuch unprätentiös daher. Die Fotos und Abbildungen sind Schwarz/Weiß und ebenfalls eher klein. Die Aufmachung verdeutlicht das Anliegen des Autors, „eine grobe Skizze für ein zukünftiges Buch“ zu liefern, indem er Veröffentlichungen, Studien, Akteurinnen und Projekte als ersten Aufschlag zusammenträgt. Ein guter Anlass, sich mit dem Thema Architektur und Klima auseinanderzusetzen, bei dem es nicht nur um CO₂-Emissionen und Ressourcenverbrauch geht.