Jungbrunnengestärkt
„Licht Luft Scheisse“. Eine klare Provokation in Richtung Fachdiskurs, die im Untertitel dann sachlich anschließt: „Perspektiven auf Ökologie und Moderne“. Licht Luft Scheisse nimmt Bezug auf Licht Luft Sonne, diesen Dreiklang der Architekturmoderne Le Corbusiers, der damit zusammenfasste, was vor 100 Jahren das Ziel aller Arbeit sein sollte: die Überwindung eines als krankmachend verstandenen Massenwohnungsbaus.
Tatsächlich geht dieses Diktum der Moderne auf etwas ältere soziale Bewegungen zurück, auf die Gartenstadtbewegung beispielsweise und andere, sich als Reformbewegungen verstehende Gruppierungen, Vereinigungen etc. Das mittels drei Bänden publizierte, dreiteilige Ausstellungs- und Veranstaltungsprojekt aus dem Bauhaus-Jahr 2019 dokumentiert die Arbeit dreier Institutionen, Inititativen und Vereine, die sich alle drei mit dem Thema der Ökologie im weitesten auseinandergesetzt haben; und Ausstellungen machten wie „Archäologien der Nachhaltigkeit“, „Aus den Ruinen der Moderne wachsen“ und „Über Natur“. Das alles in die vorliegenden drei dicken und schmaleren Bände zu bekommen, war offensichtlich nicht leicht, für uns Leser:innen bleibt zuallererst der Sprung mitten hinein.
Um dann, im lockeren und neugierigen Schwimmen in der Text- und Bilderflut selbst eine Art von Archäologie zu betreiben und Hunderte von Geschichten über Projekte in der Geschichte ans Licht zu heben. Und deren zeitgenössische künstlerische Bearbeitung zu erleben, auch deren Bedeutung für unsere Wahrnehmung der Ökologiegeschichte insgesamt. Und über die Chronologie der Ereignisse am Ende dann doch die Ökologie als ein wesentliches Projekt der Moderne zu erkennen und es als solches zu akzeptieren. Die Ausstellungen sind längst passé, die Texte und Abbilder und die in die Ausstellungen getragenen Ergebnisse bleiben.
Also, Eintrittskarte lösen und hineinspringen und – tatsächlich jungbrunnengestärkt – die Arbeit am Studium des mittlerweile viel zu viel und viel zu eindimensional geschmähten Projekts Moderne erneut aufnehmen. Be. K.
3 Bde. mit Banderole. adocs, Hamburg 2020, insges. 984 S., zahlr. sw-Abb.30 €, ISBN 978-3-943253-33-7