Forschungspavillon in der Berlinischen Galerie

In der am 16. Februar 2024 gestarteten Ausstellung „Closer to Nature. Bauen mit Pilz, Baum, Lehm“ steht unter anderem der Experimentalbau MY-CO SPACE zur Schau, der den Besucherinnen und Besuchern Pilz als Baumaterial näher bringt. Daneben finden sich in der Ausstellung Pläne aus dem Wettbewerb für das Berliner Futurium sowie von der Kapelle der Versöhnung an der Bernauer Straße. Außerdem entwickelte Martin Rauch (Lehm Ton Erde Baukunst) eigens eine Installa­tion aus Stampflehm. Die Hauptattraktion innerhalb des Ausstellungsraums ist der Pavillon aus Pilzmyzel und einem Holzskelett, den ein Berliner Forschungsteam auf Initiative des Fachgebiets für Angewandte und Molekulare Mikrobiologie der TU Berlin unter Leitung der Professorin Vera Meyer entwickelte. Das SciArt Kollektiv MY-CO-X ist ein Zusammenschluss aus Künstlerinnen und Künstlern, Architektinnen und Architeken sowie Pilzbiotechnologinnen und Pilzbiotechnologen Berliner Universitäten. Die Mikrobiologin und Pilzforscherin Vera Meyer ist Teil des Forschungsteams und plädiert dafür das Potenzial von Pilzen für das Bauen ernst zu nehmen. „Aufgrund des Klimawandels hat die Gesellschaft gar keine andere Chance, das Bauen und Wohnen komplett neu zu denken. Ich möchte mit MY-CO PLACE das Thema Bauen mit Pilzen in der Öffentlichkeit sehr viel präsenter zu machen.“ 

Das Team konzipierte die Struktur aus Holz und Pilz ursprünglich für eine Open-Air-Ausstellung im September 2021. Dann stand die Skulptur eine Zeit lang in der Nähe der TU Berlin, um Seminare mit Studierenden dort stattfinden zu lassen, bis sie nun für einige Monate in der Berlinischen Galerie ausgestellt ist. Grundlage für die organische Form des MY-CO SPACE ist ein digitales Modell. Sein Skelett symbolisiert einen stark vergrößerten pilzlichen Fruchtkörper mit seiner Lamellengeometrie. Auf der tragende Holzstruktur liegen 330 sechseckige Pilzpaneele, die mit ihrer Haptik ein Blickfang in der Ausstellung sind.

Grundsätzlich werden die Pilz-Pflanzen-Verbundmaterialien hergestellt, indem Reststoffe aus der Agrar- und Forstwirtschaft wie Stroh, Schäben und Sägespäne geeigneten Pilzarten als Nährstoffe angeboten werden. Dann beginnen die Pilze auf ihnen zu wachsen und bilden dabei ein dreidimensionales Netzwerk aus, das als Myzel bezeichnet wird. Dies wächst kontinuierlich weiter und verbindet alle Stoffe miteinander. So entsteht ein leichtes, aber stabiles und gut dämmendes Verbundmaterial, dass im Bauwesen viele Anwendungen finden kann.

In diesem Fall kamen für die Paneele Hanfschäben als Nährstoff und der Zunderschwamm, ein regionaler Pilz mit guten Eigenschaften für das Bauen, zum Einsatz. Der Pilz konnte vier Wochen lang innerhalb eines sechseckigen Rahmens wachsen und sich mit dem Hanf verbinden. Dabei wandelt der Pilz die Pflanzen in seine eigene Bio­masse um und es entsteht die weißliche Oberfläche der Paneele. Der Prozess wird beendet, indem die Paneele für zwei Tage bei 60 °C im Ofen getrocknet werden. Dann sind die Elemente einsatzbereit. „Mit diesem dämmenden Verbundstoff wollen wir Styropor, das auf der Basis von Erdöl hergestellt wird, ersetzen. Auch Rigipsplatten, die bislang für Innenwände verwendet werden, sollen durch Pilzmaterialien ersetzt werden“, sagt die Mikrobiologin Vera Meyer. Die Ausstellung in der Berlinischen Galerie läuft noch bis zum 14. Oktober 2024, die nächsten Führungen finden am 15. und 18. April, jeweils um 14 Uhr statt. NaS

www.berlinischegalerie.de/ausstellungen/aktuell/closer-to-nature

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