Firmensitz Kloboucká lesní, Brumov-Bylnice/CZ
Das Architekturbüro Mjölk plante für das Headquarter des tschechischen Holz- und Forstbetriebs Kloboucká lesní ein Langhaus mit Satteldach. Das Brettschichtholz dafür ist vor Ort produziert. Ein großes Dach erzeugt ein spannendes Gefüge aus Innen- und Außenräumen und sorgt für Energie sowie helle Büros.
Text: Isabella Marboe
Den Anfang macht ein rasch wachsender, blitzblauer Setzling auf schwarzem Grund: Die Website des tschechischen Holz- und Forstbetriebs Kloboucká lesní erzählt mit ihm die Geschichte vom Wald. Sie begleitet die Reise vom Samen bis zum Baum und weiter zum Nutzholz – Brett, Balken, Stützen, Sparren, Leimbinder. Kloboucká lesní betrachtet den Wald als organische Gesamtheit, die es zu bewahren gilt. Er ist die wichtigste Ressource des Unternehmens. Das Architekturbüro Mjölk hatte im Mai 2016 das neue visuelle Erscheinungsbild und auch den Webauftritt der Firma konzipiert. Ein Jahr später gestaltete Mjölk zusammen mit dem Unternehmen die Ausstellung „Making a Forest“ im Prager Landwirtschaftsmuseum. Sie war für zwei Monate gedacht, aber so erfolgreich, dass sie de facto zwanzig Monate zu sehen war.
Das Tragwerk besteht aus 32 zweistöckigen Rahmen aus Brettschichtholz. Im Achsabstand von 1,80 m aneinandergereiht bilden sie eine Art Langhaus mit rechteckigem Grundriss
Foto: BoysPlayNice
Ein Gebäude als Showroom
Seit 1998 verfolgt Kloboucká lesní einen Weg zu nachhaltiger Waldbewirtschaftung. Es kombiniert dabei altes, über Generationen tradiertes Wissen mit neuester Technologie. Pro Monat verarbeitet das Unternehmen rund 2 000 Festmeter Holz zu Leimbindern, dem Vorzeigeprodukt der Firma. Schnittreste werden zu Pellets, hier gibt es keinen Abfall. Als das Unternehmen 2019 auf seiner Produktionsstätte in Brumov-Bylnice ein Headquarter errichten wollte, beauftragte es Mjölk mit dem Interior Design. Die jungen Architekten waren jedoch der Meinung, der anvisierte Entwurf einer sehr pragmatischen Box entspreche nicht Kloboucká lesní und baten um zwei Wochen Zeit für einen alternativen Entwurf. „Kloboucká lesní ist ein Familienbetrieb, man kennt einander“, sagt Jan Vondrák, einer der zwei Mjölk-Gründer. „Wir planten also ein eingeschossiges Haus mit einem Atrium in der Mitte, wo sich alle treffen können.“ Der Chef des Unternehmens fand wiederum, dieser Entwurf repräsentiere die Firma nicht. Doch er gab Mjölk eine zweite Chance. „Da verstanden wir, dass das Haus so etwas wie ein Show-Room sein sollte,“ so Vondrák, „ein Referenzprojekt für den modernen Holzbau.“ Die Architekten verbanden die starke, archaische Form des Satteldachs mit einem schlanken, leistungsfähigen Tragwerk aus Leimholzbindern und modernster Gebäudetechnologie.
Das Gebäude ist an beiden Längsseiten von einem Wasserbecken umgeben. Je ein Steg führt in den offenen, überdachten Eingangsbereich, der die beiden Teile des Erdgeschosses erschließt
Foto: BoysPlayNice
Absoluter Blickfang
Das Firmengelände liegt in einer weiten, von Wäldern durchzogenen Feldlandschaft etwas vom südlichen Ortsende von Brumov-Bylnice entfernt, unweit der slowakischen Grenze. Viele aus dem kleinen Städtchen arbeiten in der Produktion. Im Norden wird das Areal von der Bahn begrenzt, die hier auch eine Station hat. Unweit davon verläuft die Autobahn, im Süden fließt der kleine Fluss Vlára durch üppiges Gebüsch. Das neue Headquarter steht sehr prominent an der Straße, die den Ort an die Autobahn anbindet, gleich bei der Bahn. Alle vorbeifahrenden sehen es. Das lange Haus mit dem weit herabgezogenen, auskragenden, spitzen Satteldach ist ein absoluter Blickfang: Sein Querschnitt erinnert an einen stilisierten Nadelbaum und ist durch die gläserne Dachfläche auch gut zu sehen.
Das Gebäude ist ein Gefüge aus Innenräumen und überdachten Außenräumen
Foto: BoysPlayNice
„Die Form ist von der traditionellen Scheune und vielen anderen regionalen Einflüssen abgeleitet. Es sieht nicht aus wie ein gewöhnliches Haus, sondern hat etwas Rätselhaftes“, sagt Jan Vondrák. „Wichtig war uns, einen Raum zu entwickeln, der sich mit der Zeit verändern kann. Niemand weiß, wie wir in zwanzig Jahren arbeiten und wie sich das Klima verändern wird.“ Nun bildet es eine hochmoderne, modulare, flexible Raumstruktur unter einem großen, spitzen Satteldach, die sich bei Bedarf auch verlängern ließe. Das verbaute Holz kommt aus der unmittelbaren Umgebung und wurde keine 100 m weiter im firmeneigenen Werk produziert. Dass die Konstruktion aus dem traditionellen Baustoff Holz besteht, liegt bei dem Bauherrn und Nutzer auf der Hand. Die modulare Struktur, das Energiekonzept und die Bauweise des Gebäudes bekennen sich zu Innovation und Zukunft.
Der Erschließungskern aus Stahlbeton steift zusammen mit dem Keller und den Holz-Beton-Hybriddecken das Tragwerk aus
Foto: BoysPlayNice
Modulare Leimbinder
Die Tragkonstruktion besteht aus 32 zweistöckigen, recht-eckigen Rahmen aus Brettschichtholz. Sie wurden im Achsabstand von 1,80 m zu einer Art Langhaus mit rechteckigem Grundriss aneinandergereiht. Die Flächen zwischen den Stützen wurden zum größten Teil mit Glas, aber auch mit Fenstern, Holzfassaden und Akustikpaneelen ausgefacht. Das schafft unterschiedliche Atmosphären, außerdem lassen sich mit Zwischenwänden und Möbeln zusätzlich einzelne Räume abteilen und Raumgruppen bilden. Dieser quaderförmige, zweigeschossige Baukörper mit einer Grundfläche von 56 x 18 m umschließt alle beheizbaren Innenräume.
Der sehr kompakte Erschließungskern besteht aus einem Lift im Auge der rechteckig gewendelten Haupttreppe aus Beton. Er bildet gemeinsam mit dem Keller den statischen Kern. Hybriddecken aus Beton und Holz steifen das Tragwerk aus und verbessern die Akustik. Diagonalstreben aus Stahl nehmen die Windkräfte auf. Jedes Material kommt dort zum Tragen, wo es am wirksamsten ist. Das Holz setzten die Architekten so sparsam wie möglich ein: Die Leimbinder haben einen Querschnitt von 56 x 20 cm und eine Spannweite von 9,3 m, aus dem Verschnitt wurden vor Ort die Holzmöbel hergestellt.
Die Leimbinder der Erdgeschossdecke kragen zu beiden Seiten um etwa 5 m aus. Sie bilden die Basis des spitzwinkeligen Satteldachs, das sich über den zweigeschossigen Quader mit den Innenräumen stülpt. Im Süden ist es mit Solarpaneelen gedeckt, im Norden mit Glas. So wird die Konstruktion sichtbar und das Haus lässt sich nachts sehr effektvoll belichten. In dem halboffenen Raum zwischen Dach und Innenräumen kann zudem die Luft zirkulieren und durch Dachflächenfenster entweichen.
Im ersten Obergeschoss bildet ein umlaufender, an den Enden offener Gang eine klimatische Pufferzone zwischen Dach und Innenräumen
Foto: BoysPlayNice
Ein Satteldach für alle Fälle
Das weit auskragende Dach bietet dem Büro und den etwa 50 Menschen, die hier arbeiten, schöne überdachte Freiräume. In seinem Schutz können sie im Erdgeschoss am Wasser flanieren oder sitzen, im ersten Stock gibt es einen umlaufenden Gang und unter dem First einen offenen Dachstuhl. Dieser ist in der Mitte mit einer kleinen Küche, Pflanztrögen und Holzbänken gestaltet und kann zwischen Herbst und Frühjahr genutzt werden. Hier fanden schon Workshops und ein Open Air Kino statt.
Das große Satteldach stülpt sich über den Quader mit den beheizbaren Innenräumen. Der Raum unterm Dach ist an den Giebelseiten offen. Er wird von Herbst bis Frühling unter anderem für Workshops genutzt
Foto: BoysPlayNice
Der Regen rinnt einfach in die zwei Wasserbecken ab, die entlang der Längsfassaden angelegt sind. In ihnen treiben Seerosen, kräuselt sich der Wind und spiegelt sich das Gebäude. Ein Steg führt hier von beiden Seiten direkt durchs Haus, ein zweiter von Norden her zum Treppenhaus. Die reflektierende Wasseroberfläche lenkt Sonnenlicht ins Büro, lässt Feuchtigkeit aufsteigen und kühlt. Im Winter, wenn es friert, wurde sie auch schon zum Eislaufen genutzt. Am allerschönsten aber ist es, wenn der Regen wie ein Wasserfall auf beiden Seiten des Gebäudes herunterrinnt.
Grundriss Erdgeschoss, M 1 : 750
Grundriss 1. Obergeschoss, M 1 : 750
Mjölk Architekti
Jan Mach, Jan Vondrák
www.mjolk.cz
Foto: Mjölk Architekti
Projektdaten
Objekt: Kloboucká lesní Headquarter
Standort: Brumov-Bylnice/CZ
Typologie: Büro
Bauherr: Kloboucká lesní,
www.klobouckalesni.cz
Nutzer: Kloboucká lesní
Architektur: Mjölk architekti, Liberec/CZ, www.mjolk.cz
Bauleitung: Petr Vlček, Prag/CZ, www.stavitelstvi-vlcek.cz
Generalplanung: Pavel Srba, Valašská Polanka/CZ,
www.srbaprojekt.cz
Bauzeit: 2019 – 2022
Grundstücksgröße: 9 118 m²
Nutzfläche gesamt: 1 034 m²
Fachplanung
Tragwerksplanung: Lostade, Ostrava/CZ, www.lostade.cz
Landschaftsarchitektur: Atelier Partero, www.partero.cz
Hersteller
Innenwände: Woodyglass,
www.woodyglass.cz
Möbel: Wiesner-Hager Möbel GmbH, www.wiesner-hager.com; TON, www.ton.eu
Fenster: Janošík okna-dveře,
www.janosik.cz
Sonnenschutz: Styltech Climax, www.styltech.cz
Sprinkleranlage: Minimax GmbH, www.minimaxp.cz
Polierte Gussböden: AAP Hranice, www.aaphranice.cz