Erweiterung Rigshospitalet, Kopenhagen/DK
Das Rigshospitalet ist das größte Krankenhaus Kopenhagens. Nachdem es in der Vergangenheit immer wieder erweitert wurde, erhielt es 2020 ein weiteres neues Gebäude – den North Wing. In dem 54 000 m2 großen Erweiterungsbau von Link Arkitekter wird deutlich, wie positiv sich eine durchdachte Tageslicht- und Wegeführung auf Patient:innen, Personal und Besuchende auswirken.
Text: Nina Greve, Lübeck
Das Rigshospitalet ist das größte Krankenhaus Kopenhagens, hochspezialisiert und als Universitätskrankenhaus auch der Lehre verpflichtet. Ursprünglich auf der Altstadtinsel gegründet, zog das Krankenhaus Anfang des 20. Jahrhunderts in den zentrumsnahen Stadtteil Østerbro, wo es in den 1960er- bis 80er-Jahren erweitert wurde. Besonders stark prägt den Standort die 16-geschossige Hochhausscheibe, die 1970 in Betrieb ging. Sie wurde nun auf dem nördlichen Teil des Grundstücks mit dem North Wing von LINK Arkitekter erweitert. Bereits 2011 war das Architekturbüro gemeinsam mit dem Planungsbüro 3xn sowie dem deutschen Architekturbüro Nickl & Partner als Sieger aus dem Wettbewerbsverfahren hervorgegangen. Auf dem World Architecture Festival 2021 wurde das Klinikgebäude zum besten neuen Gesundheitsgebäude weltweit gewählt. Im Kommentar der Jury heißt es unter anderem: „Dieses Gebäude verändert die Vorstellung davon, wie Krankenhäuser von Patienten und Besuchern erlebt werden können.“
Diagonalstützen aus Beton tragen die auskragenden Obergeschosse. Darunter liegt der zweigeschossige, freitragende Walk-Way. Über eine Brücke im 3.Obergeschoss (links im Bild) ist der North Wing an den Bestandsbau angeschlossen
Foto: Adam Mørk
In der Tat zeichnen den modernen und technisch innovativen Krankenhausbau optimal auf die Nutzer:innen zugeschnittene Grundrisse sowie eine darauf abgestimmte Wege- und Tageslichtführung aus. Das North Wing zeigt seine Qualitäten bereits beim Betreten des Gebäudes durch seine transparente, helle und doch lebendige Atmosphäre. Den Planer:innen ist es gelungen, einen Gebäudekomplex zu erstellen, in dem sich spielerische Elemente mit großer Klarheit zu Räumen verbinden, in denen einerseits die „Maschine Krankenhaus“ bestens funktioniert und dennoch dem humanistischen Blick auf die Genesung, trotz der Größe des Gebäudes, Rechnung getragen wird.
Prägend für die Aufenthaltsqualität des Krankenhauses sind die hellen
öffentlichen Bereiche
Foto: Adam Mørk
Kurze Wege und Tageslicht
Was macht ein Krankenhaus aus? Natürlich sollen sich die Menschen hier wohlfühlen, um möglichst rasch wieder gesund zu werden. Gleichzeitig aber muss es funktionieren. Das bedeutet, dass sehr viele Arbeitsprozesse störungsfrei und parallel ablaufen müssen. Der Anspruch der Bauherrn war zudem, möglichst flexibel in der Nutzung sein zu können, um auch langfris-tig für die Zukunft vorbereitet zu sein. Aus vielen Gesprächen der Planer:innen mit dem Personal des Krankenhauses wurde die Gebäude- und Grundrissstruktur entwickelt. „Aufgrund seiner Konstruktion ist das Gebäude sehr vielseitig und kann bei Bedarf leicht angepasst werden. So war es beispielsweise für uns während der ersten Welle der Covid-19-Pandemie schnell möglich, die Aufwachstation in eine Isolierstation umzuwandeln“, berichtet Helene Williams, eine der leitenden Krankenpflegerinnen im North Wing.
Flexibilität auf der einen und eine durchdachte Führung aller Verkehrsströme im Gebäude auf der anderen Seite waren die wichtigsten Aspekte des Entwurfs. Zentrales Element ist ein öffentlicher Walk-Way, der alle Gebäudeteile quasi zusammenschnürt und miteinander verbindet. „Dieser Hauptweg ist von den klinischen Bereichen getrennt und bietet die Möglichkeit, das gesamte Gebäude auf möglichst kurzem Weg durchqueren zu können, wodurch der Verkehr nur minimale Auswirkungen auf die klinischen Bereiche hat. Das ist bei der Gestaltung von Krankenhäusern eher selten“, betont Architekt Mikkel Manuel vom Büro LINK Arkitekter.
Die einzelnen Etagen haben jeweils unterschiedliche Farbgebungen, um die Orientierung im Gebäude zu unterstützen. Über die Atrien der Wendeltreppen fällt Tageslicht in die Flure
Foto: Adam Mørk
Die optimierten Ablaufstrukturen kommen nicht nur den Angestellten, sondern auch den Patient:innen zugute. Sie profitieren im North Wing zudem von der möglichst umfassenden Ausnutzung des Tageslichts. „Wir haben in den Patientenzimmern versucht, möglichst viel natürliches Licht über große Fensteröffnungen und teilweise über Einschnitte in den Decken in die Räume zu holen“, so Architekt Manuel. Durch das Zurücksetzen der Decken fällt das Tageslicht länger und teilweise wie durch ein Oberlicht in die Räume und leuchtet diese sehr gut aus. „Die helle Umgebung verbessert die Lebensqualität der Patienten während ihres Krankenhausaufenthaltes deutlich“, bestätigt auch Krankenpflegerin Williams.
Bis auf wenige Ausnahmen handelt es sich bei den Patientenzimmern um Einzelzimmer mit eigenem Bad. Das hat für das Personal den Vorteil, dass mehr Platz für Hilfsmittel und Geräte in den Zimmern vorhanden ist
Foto: Adam Mørk
Gebäudeform und Konstruktion
Die Form des insgesamt 231 m langen Gebäudekomplexes wird auch von den Architekt:innen gerne mit der Zick-Zack-Linie eines EKGs verglichen, die von der beschriebenen Achse des Hauptverkehrswegs gekreuzt wird. Die mäandernde Schlangenlinie entsteht durch einzelne Riegel, die sich leicht einander zu- beziehungsweise voneinander abgeneigt gegenüberstehen. Diese Anordnung generiert immer wieder Ausblicke, die auch der Orientierung dienen und dadurch Stress und Ängste bei den Patient:innen abbauen.
Die Nordfassade entlang des öffentlichen Fælledparkens ist lebendig und durch die Struktur der Baukörper abwechslungsreich. Dennoch stört hier nichts die Gesamtstruktur: ein dreigeschossiger Sockel, ein zurückspringendes viertes Obergeschoss sowie in den höheren Geschossen die Kopfseiten der leicht schräg stehenden Riegel. Die Statik folgt einem klassischen Tragwerkssystem mit Stützen beziehungsweise Kernwänden sowie Decken und Trägern aus Stahlbeton. Auf der Rückseite nach Süden hingegen fallen große, über vier Geschosse reichende Diagonalstützen aus Beton auf, die drei weitere Geschosse tragen. An gleicher Stelle schiebt sich der zweigeschossige Walk-Way aus dem Gebäudekomplex, freitragend, dank eines riesigen Stahlgitterträgers. „An dieser Stelle des Grundstücks befindet sich unterhalb des Terrains in einer bunkerartigen Betonkonstruktion die Bestrahlungsstation des Krankenhauses, weshalb wir uns dafür entschieden haben, diesen Bereich nicht komplett zu überbauen, sondern lediglich auf Einzelfundamenten zu gründen“, erläutert Architekt Manuel. Auch in der von den Betonstützen gehaltenen Auskragung versteckt sich eine solche Stahlgitterkonstruktion in der Fassade. Dadurch konnten dahinter offene und flexible Grundrisse ohne tragende Stützen und Wände entstehen.
Städtebaulich war sehr wichtig, dass sich die Gebäudehöhen an das Umfeld anpassen. So ist der östliche Gebäuderiegel gegenüber der Wohnbebauung am Blegdamsvej lediglich dreigeschossig, während sich die Nutzung im westlichen Riegel auf sieben Stockwerke verteilt.
Verschiedene Künstler:innen gestalteten die Atrien des North Wing, beispielsweise Olafur Elliasson mit einer Helix-Installation
Foto: Adam Mørk
Nutzungsverteilung
In Dänemark wird seit etwa 15 Jahren ein grundlegender Strukturwandel der Gesundheitsversorgung angestrebt. Ein wesentlicher Aspekt dessen ist die Reduzierung der stationären Medizin auf hochspezialisierte Zentren, was mit einem verstärkten Ausbau der ambulanten Versorgung einhergehen muss. Die fachärztlichen Ambulanz-Praxen sind in Dänemark in der Regel in den Krankenhäusern organisiert. Und so galt es auch im North Wing, Ambulanzpraxen auf der einen und stationäre Versorgung auf der anderen Seite in einem Gebäudekomplex so unterzubringen, dass jederzeit auch eine Verschiebung der Nutzungen möglich ist. Ebenso gehören Räume der Lehre und Forschung mit zu dem umfassende Raumprogramm.
Eine der Wendeltreppen wurde von Erik A. Frandsen mit einem bunten
Mosaik gestaltet
Foto: Adam Mørk
Konzipiert ist das Gebäude so, dass im westlichen Teil des North Wing die Ambulanzpraxen sowie Forschungslabore untergebracht sind, während in den übrigen Bereichen die Patientenzimmer für stationäre Aufenthalte, OPs mit den dazugehörigen Vor- und Nachbereitungsräumen, eine Intensivstation sowie Räume der diagnostischen Bildgebung (Röntgen, CT, MRT) angeordnet wurden. Wesentlich sind bei der Gebäudeorganisation die gemeinsamen, öffentlichen Bereiche. Hierzu gehören neben der zentralen Walk-Way-Achse das große, belebte Foyer im Erdgeschoss sowie die verglasten Atrien, die innerhalb der V-förmigen Zick-Zack-Figur entstehen. Die beiden gewendelten Treppen in zwei der Atrien wurden dabei von Künstler:innen gestaltet und unterstreichen das gesundheitsfokussierte Gestaltungskonzept.
Lageplan, M 1 : 10 000
1 Parkhaus
2 Forschung (Universität Kopenhagen)
3 Psychiatrie
4 Grundstück für ein neues Kinderkrankenhaus
5 Zentralküche
6 Werkstatt
7 Patientenhotel
8 Zentralkomplex
9 Hörsäle
10 Apotheke
11 Südflügel
12 Strahlenbehandlung (unterirdisch)
Grundriss 2.OG, M 1 : 2 000
1 Büro
2 Empfang
3 Atrium
4 Blutentnahme
5 Küche
6 Café
7 Röntgen
8 SPECT
(Einzelphotonen-Emissionscomputertomographie)
9 CT
10 MRT
11 Luftraum
12 Bestand (unterirdisch)
13 Operation
14 Perioperative Betten
15 Aufwachraum
16 Intensivstation
17 Patientenzimmer
18 Auditorium
19 Medizintechnik
20 Audiologie
21 Ambulanz
Schnitt A-A, M 1 : 1 000
1 Glasfassade
2 Technik
3 Atriumtreppe mit Stahldrahtschutz
4 Glasdach Atrium
LINK Arkitektur, Kopenhagen/DK
Mette Dan-Weibel, Head of Life Science
Mikkel Manuel, Projektarchitekt
www.linkarkitektur.com
Foto: LINK Arkitektur
Foto: LINK Arkitektur
Projektdaten
Objekt: Rigshospitalet Kopenhagen, North Wing
Standort: Kopenhagen/DK
Typologie: Universitätsklinikum
Bauherrin: Region Hovedstaden
Nutzer: Zentrum für Orthopädie + Neurowissenschaftliches Zentrum
Architektur: LINK Arkitektur, Kopenhagen/DK,
www.linkarkitektur.com
Assoziierte Architekten: 3xN, Kopenhagen/DK,
ww.3xn.com; Nickl & Partner, München,
www.nickl-partner.com; Kristine Jensens Tegnestue, Frederiksberg/DK, www.landskabsarkitekter.dk
Bauzeit: 10/2014 – 01/2020
Grundstücksgröße: 25 739 m² (15 150 m² nur Nordflügel)
Brutto-Geschossfläche: 88 900 m² (55 000 m² nur Nordflügel)
Brutto-Grundfläche: 6 900 m² (nur Nordflügel)
Baukosten gesamt: 1 855 MDKK – ca. 241 Mio € (alle drei Gebäude)
Konstruktionskosten: 1 081 MDKK – ca. 140 Mio € (alle drei Gebäude)
Fachplanung
Tragwerk, TGA, Licht, Energiedesign, Brandschutz, Akustik: Sweco, Stockholm/SE, www.swecogroup.com
Landschaftsplanung: LINK Arkitektur; Kristine Jensens Tegnestue