Einmal Abrechnungsverhältnis, immer Abrechnungsverhältnis!

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.11.2022 – 22 U 37/22

Ein Vorschussanspruch der Besteller:in wegen Mängeln des Werks setzt grundsätzlich die Abnahme voraus. Allerdings ist die Abnahme als Voraussetzung der Mängelrechte bei Vorliegen eines Abrechnungsverhältnisses entbehrlich.

Der Sachverhalt:

Der Auftraggeber (AG)  ist seit 2014 Eigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks. Im Zuge von Sanierungsarbeiten an dem Objekt beauftragte der AG den Auftragnehmer (AN) mit der Ausführung eines Wärmedämmverbundsystems an dem Wohnhaus. Der AG nahm die Leistung des AN wegen Mängeln nicht ab und wies den AN darauf unter anderem hin, dass die Bitumenabdichtung und Perimeterdämmung im Erdbereich nicht vorgenommen worden sei, sondern nur überirdisch, sowie dass die Dämmplatten des Wärmedämmverbundsystems nicht wie in der Auftragsbestätigung aufgeführt verdübelt worden seien. Er machte zunächst vorgerichtlichen Schadensersatz in Höhe der Kosten der Neuherstellung von rund 26.000 Euro abzüglich einer Werklohnforderung des AN von rund 10.000 Euro geltend. Im Laufe des Gerichtsverfahrens stellte der AG seine Forderung auf Kostenvorschuss um. Der AG machte seine Werklohnforderung per Widerklage geltend. Der vom Landgericht beauftragte Sachverständige bestätigte lediglich einen Bruchteil der vom AG behaupteten Mängel. Das Landgericht sprach dem AG lediglich einen kleinen Teil seiner Forderung von rund 1.500 Euro zu und verurteilte ihn zur Zahlung des Werklohns an den AN. Der AG legte Berufung ein, der AN Anschlussberufung. Auch weiterhin vertritt der AG den Standpunkt, die Werkleistungen des AN seien insgesamt mangelhaft und ihm stehe daher ein Anspruch auf Kostenvorschuss für den vollständigen Austausch des Wärmedämmverbundsystems zu. Zudem sei die Werklohnforderung des AN wegen Mängeln noch nicht fällig.

 

Die Entscheidung:

Ohne Erfolg! Der Senat weist darauf hin, dass bereits dem Grunde nach zweifelhaft sei, ob dem AG Vorschussansprüche zustehen könnten.

Diese Zweifel leiten sich allerdings nicht daraus ab, dass der Kläger eine Abnahme des Werks in Abrede stelle. Zwar setzte ein Vorschussanspruch grundsätzlich die Abnahme voraus. Die Abnahme als Voraussetzung der Mängelrechte sei jedoch unter den Voraussetzungen eines Abrechnungsverhältnisses entbehrlich. Ein Abrechnungsverhältnis liege vor, wenn die Besteller:in nicht mehr die Erfüllung des Vertrags verlangen könne und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen sei. Mache die Besteller:in gegenüber der Unternehmer:in nur noch Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes geltend oder erkläre er/sie die Minderung des Werklohns, so finde eine Abrechnung der beiderseitigen Ansprüche statt. Dies gelte jedenfalls für den Fall, dass die Unternehmer:in das Werk als fertiggestellt zur Abnahme anbietet. Verlange die Besteller:in Schadensersatz statt der Leistung, sei der Anspruch auf die Leistung ausgeschlossen.

Nichts anderes gelte, wenn die Besteller:in im Wege der Minderung nur noch eine Herabsetzung des Werklohns erreichen wolle. Auch in diesem Fall gehe es ihm/ihr nicht mehr um den Anspruch auf die Leistung und damit um die Erfüllung des Vertrags. Der Vorschussanspruch allein sei nicht geeignet, das Abrechnungsverhältnis zu begründen. Verlange die Besteller:in einen Vorschuss für die zur Beseitigung des Mangels im Wege der Selbstvornahme erforderlichen Aufwendungen, erlösche sein Erfüllungsanspruch nicht. Die Besteller:in sei berechtigt, auch nach einem Kostenvorschussverlangen den (Nach-) Erfüllungsanspruch geltend zu machen. Ein Vorschussverlangen könne daher nur zu einem Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis führen, wenn die Besteller:in den (Nach-) Erfüllungsanspruch aus anderen Gründen nicht mehr mit Erfolg geltend machen könne. Das sei etwa der Fall, wenn die Besteller:in ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringe, unter keinen Umständen mehr mit der Unternehmer:in, die ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen, also endgültig und ernsthaft eine (Nach-)Erfüllung durch ihn/sie ablehnt, selbst für den Fall, dass die Selbstvornahme nicht zu einer mangelfreien Herstellung des Werks führe. In dieser Konstellation könne die Besteller:in nicht mehr zum (Nach-) Erfüllungsanspruch gegen die Unternehmer:in zurückkehren.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze sei im vorliegenden Fall ein Abrechnungsverhältnis begründet worden. Der Kläger habe Schadensersatz beansprucht. Dass er nachfolgend Kostenvorschuss beansprucht habe, ändere am Eintritt des Abrechnungsverhältnisses nichts. Das Abrechnungsverhältnis sei nicht nur Voraussetzung der Geltendmachung von Mängelansprüchen, es führe auch zum Eintritt der Fälligkeit der Werklohnforderung und zum Beginn der Verjährung der Mängelansprüche. Es wäre sinnwidrig, wenn diese Rechtswirkungen dadurch nachträglich entfielen, dass der Besteller statt Schadensersatz Vorschuss beanspruchen würde.

Hier dürfte dem Vorschussanspruch indessen entgegenstehen, dass der Kläger wegen der von ihm verfolgten Mängelansprüche schon Schadensersatz erhalten habe. Denn der Kläger habe wegen der Mängel bereits Schadensersatz in Höhe der Kosten der Neuherstellung des WDVS begehrt und – das sei entscheidend – die Aufrechnung mit dem Werklohnanspruch der Beklagten erklärt.

Der Aufrechnung stehe nicht entgegen, dass eine solche nicht ausdrücklich erklärt worden sei. Die nach dem Gesetz nicht formgebundene Aufrechnungserklärung müsse nicht ausdrücklich erfolgen.

Die Aufrechnung habe zur Folge, dass Forderung und Gegenforderung erloschen seien. Der Aufrechnung stehe nicht entgegen, dass der Kläger den Schadensersatzanspruch wegen Mängeln des Werkes nicht nach den fiktiven Kosten der Mängelbeseitigung bemessen darf.

In welcher Höhe dem Kläger danach ein Schadensersatzanspruch zugestanden habe, könne dahinstehen. Maßgeblich ist, dass dem Kläger – seinen Vortrag unterstellt – ein Schadensersatzanspruch zugestanden habe, der daher durch Aufrechnung erloschen sei.

Wenn aber der Kläger (zumindest teilweise) wegen des Schadensersatzanspruchs infolge der Aufrechnung bereits befriedigt sei, könne er nicht nachträglich wegen der gleichen Mängel Vorschuss beanspruchen. Zwar habe der Besteller, der Schadensersatz verlangt hat, grundsätzlich weiterhin das Recht, Vorschuss zu verlangen. Mit der Erfüllung des Schadensersatzanspruchs erlösche aber das dem Besteller eingeräumte Wahlrecht. Sei der Schadensersatzanspruch vollständig erfüllt, gebe es keine Grundlage mehr für den Besteller, andere Mängelrechte geltend zu machen. Ebenso sei der Fall zu beurteilen, dass der Schadensersatzanspruch teilweise erfüllt sei. Wolle man hier ein Wahlrecht einräumen, so liefe dies auf eine dem Gesetz fremde Kombination des teilweise durch Erfüllung erloschenen Schadensersatzanspruchs mit einem Vorschussanspruch hinaus.

 

Praxishinweis:

Macht also die Besteller:in gegenüber der Unternehmer:in nur noch Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes geltend oder erklärt er/sie die Minderung des Werklohns, findet eine Abrechnung der beiderseitigen Ansprüche statt. Das gilt jedenfalls für den Fall, dass die Unternehmer:in das Werk als fertiggestellt zur Abnahme anbietet. Beansprucht die Besteller:in Kostenvorschuss, nachdem er/sie Schadensersatz statt der Leistung beansprucht hat, ändert das am Eintritt des Abrechnungsverhältnisses nichts. Einer Aufrechnung steht nicht entgegen, dass die Besteller:in den Schadensersatzanspruch wegen Mängeln des Werks nicht nach den fiktiven Kosten der Mängelbeseitigung bemessen darf. Die Besteller:in hat stets die Möglichkeit, den Schaden nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen in der Weise zu bemessen, dass er/sie im Wege einer Vermögensbilanz die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten, im Eigentum des Bestellers stehenden Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel ermittelt.

Die Entscheidung ist im Ergebnis teilweise nachvollziehbar soweit das Gericht die Berufung des AG zurückgewiesen hat. Unterstellt man die Begründung des Gerichts als richtig, ein Vorschussanspruch des AG habe nicht bestanden, hätte es konsequenterweise auf die Anschlussberufung des AN das erstinstanzliche Urteil auch insoweit aufheben müssen, als dies dem AG anteilig Kostenvorschuss zugesprochen hat.

Hier liegt also zwar ein logischer Bruch vor, aber dessen ungeachtet wird sich jede Besteller:in in Zukunft schon eingangs genau überlegen müssen, ob er/sie Schadensersatz oder Vorschuss auf Fremdleistung begehrt.


Autoren: Rechtsanwalt Axel Wunschel, Licencié en droit, Wirtschaftsmediator und Lehrbeauftragter der TU Darmstadt sowie Rechtsanwalt Tobias Leithold LL.M.  (Wollmann & Partner)


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