Eine gemeinsame DNA

Seit Januar 2009 ist die DBZ das offizielle Verbandsorgan des BDB. Was die ­beiden seither miteinander verbindet und welche Themen die Zukunft von Verband und ­Fachzeitschrift bestimmen, darüber haben Christoph Schild, Präsident des BDB, und Chefredakteur Michael Schuster gesprochen.

Christoph Schild
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Christoph Schild
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Lieber Christoph, wir blicken mit dieser Ausgabe auf 70 erfolgreiche Jahre DBZ zurück, doch beginnen möchte ich unser Gespräch mit einem Ausblick: Wie siehst Du die Zukunft der Berufsverbände im Allgemeinen und im speziellen Fall des BDB?

Die Berufsverbände und damit auch der BDB befinden sich nach wie vor in der Situation, um Mitglieder kämpfen zu müssen. Mitglieder, die heutzutage aufgrund der Digitalisierung und der damit einhergehenden sozialen Netzwerke nicht mehr selbstverständlich der Meinung sind, dass sie Mitglied in einem Berufsverband sein müssen. Genauso wenig, wie es selbstverständlich ist, dass man in einem Sportverein, einer Gewerkschaft, einer Partei oder in der Kirche Mitglied ist. Für den BDB habe ich allerdings die Hoffnung, dass wir aufgrund unserer Aufstellung vielschichtiger und somit für unterschiedliche Zielgruppen interessant sind. Beispielsweise bieten wir bereits Studierenden eine volle Mitgliedschaft an und nicht nur Berufstätigen. Aber wir konkurrieren, wie alle anderen Institutionen auch, mit den digitalen Netzwerken und müssen zeigen, welche Vorteile ein analoges Netzwerk bieten kann. Gerade der jüngeren Generation gegenüber müssen wir als BDB beweisen, dass wir den Verband neu denken können, dass wir nicht an den Strukturen der Vergangenheit hängen und auch gegenüber neuen, digitalen Möglichkeiten offen sind und diese nutzen.

Mir ging, bei dem was Du gerade gesagt hast, der Baumeistertag dieses Jahr in Koblenz durch den Kopf. Da hat man gemerkt, was das Besondere des Verbands ausmacht und wie sehr sich die Mitglieder gefreut haben, sich zu treffen und miteinander zu interagieren. Aber nochmal, wie bekomme ich so viele Menschen dazu, sich ehrenamtlich zu engagieren?

Ja, das sehe ich auch so, und diese Veranstaltungen machen uns auch Lust auf Mehr. Aber man muss auch ehrlich sagen, da gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen den Generationen, solche Treffen sprechen eher die Älteren an. Die Jüngeren, glaube ich, kann ich vor allem dadurch überzeugen, dass der Verband ihnen den Freiraum gibt, etwas zu bewegen und sich für eine bestimmte Sache einzusetzen. Während es früher letztendlich darum ging, bestimmte Ämter oder Funktionen in Vereinen oder Verbänden zu übernehmen, muss ich heute dafür sorgen, dass wir für zeitgemäße Inhalte stehen, die von den Mitgliedern aktiv mitgestaltet werden können. Wir müssen als Verband genau die Themen verkörpern, die für die Gesellschaft, für das Bauen und letztlich für die jungen Menschen so wichtig sind, dass sie sich dafür auch gemeinsam engagieren wollen. Und das gelingt uns mit den Themen Integrale und Kooperative Zusammenarbeit der Planungsberufe, Digitalisierung und KI oder Klimagerechtes Planen und Bauen, um einige der Schwerpunkte zu nennen, schon ganz gut.

Gibt es sowas wie die DNA des BDB?

Ich würde sofort sagen, es ist die Vielfalt, also die vielen verschiedenen Professionen, die bei uns im Verband vertreten sind. Das umfasst Ingenieure, Architektinnen, Innenarchitekten, Landschaftsarchitektinnen, Stadtplaner, aber auch Tragwerksplanerinnen, Vermessungsingenieure – die ganze Bandbreite, und zwar nicht nur die Selbständigen, sondern auch die Angestellten und die Studierenden. Diese ganzen Berufsgruppen auf Augenhöhe mitein­ander zu verbinden, das ist wirklich unser zentrales Anliegen, unsere DNA, wenn man so will.

Was unternimmt der BDB speziell im Bereich der Nachwuchsarbeit?

Zunächst einmal haben wir die Besonderheit, dass bereits Studierende Mitglied im BDB werden können. Das wird auch wahrgenommen. Aber wir stellen fest, dass es dann oft einen Bruch gibt und die Leute, wenn überhaupt, erst zu einem späteren Zeitpunkt wiederkommen. Um hier mehr Kontinuität zu schaffen, müssen wir unser Augenmerk noch stärker auf die sogenannten Young Professionals richten. Wir können sie zum Beispiel beim Berufseinstieg unterstützen und ihnen helfen, ihren Weg zu finden. Oder wir können Mentor für den Einstieg in die Selbstständigkeit sein. Dieser Schritt ist für viele heute nicht mehr selbstverständlich und hier können wir durchaus Hilfestellung leisten.

Wie gesagt müssen wir zudem die Themen vertreten, die den jungen Menschen wichtig sind, damit sie beispielsweise gute Arbeit bekommen oder als junges Büro bessere Chancen haben, bei Wettbewerben oder bei Vergabeentscheidungen Aufträge zu bekommen.

Wie beurteilst Du die aktuelle Qualität der Architekturausbildung, werden die jungen Absolventinnen wirklich so schlecht auf den Beruf vorbereitet?

Dem möchte ich eigentlich widersprechen. Wir sehen zum Beispiel im Rahmen unseres Student:innen-Förderpreises exzellente Leistungen an den Hochschulen. Dort werden die Themen diskutiert und bearbeitet, die auch uns beschäftigen. Das muss man erst einmal anerkennen. Ein Manko, das sich durch die Umstellung auf Bachelor und Master vielleicht noch verstärkt hat, ist die mangelnde Praxisorientierung in der Ausbildung. Und das meine ich nicht nur in Bezug auf den Büroalltag, sondern auch im Hinblick auf das Handwerk. Das ganze System ist inzwischen sehr verschult, es fehlen längere Phasen für Praktika im Büro und im Handwerk. Und mir persönlich fehlt in der Ingenieurausbildung auch der Blick für die Gestaltung. Für die spätere Zusammenarbeit im Team ist ein solches Verständnis für die Sichtweise der anderen unerlässlich. Da sehe ich noch Optimierungsbedarf. Auf der anderen Seite muss man aber auch sehen, dass die Studierenden im digitalen Planungsprozess oft weiter sind, als sie es dann im Büroalltag erleben. Viele Büros haben da noch Nachholbedarf.

Kommen wir zur Praxis: Im Rahmen des Baumeistertags hat der BDB ein Forderungspapier zum Klimaschutz beim Planen und Bauen veröffentlicht. Ein wesentlicher Punkt: Wertschätzung des Bestands. Wie können wir dieses Thema voranbringen?

In erster Linie sind wir selbst dafür verantwortlich, Bauherren und Nutzern den Wert des Bestands zu vermitteln. Wir müssen Ideen und Lösungen aufzeigen und damit auch vorherrschende Denkstrukturen aufbrechen. Denn wir alle sind noch mit dieser Haltung aufgewachsen, Altes ständig durch Neues, vermeintlich Besseres zu ersetzen. Davon müssen wir wegkommen! Unsere Aufgabe muss es sein, den Wert, der im Bestand steckt, zu erkennen und damit weiterzuarbeiten.

Ein zweiter Punkt ist der Erhalt im Sinne des klimagerechten Planens und Bauens. Um weitere Emissionen zu vermeiden, müssen wir zu einer Art Bonussystem für die Bestandserhaltung kommen. Es muss sich also mehr lohnen zu erhalten als abzureißen und neu zu bauen.

Wie könnte so ein Bonus aussehen?

Für einen solchen Bonus müssen wir zu einer Bemessung der Grauen Energie kommen. Konkret bedeutet dies, dass die in einem Gebäude gebundenen CO2-Emissionen ebenso in eine Bewertung einfließen müssen wie die Kos-ten für Abriss und Neubau.

Stichwort Kreislauffähiges Bauen. Baustoffe sind dabei ein entscheidender Hebel. Welche Anforderungen müssen sie zukünftig erfüllen? Was müssen Hersteller ändern?

Das fängt nicht bei den Baustoffen an, sondern beim Bauen selbst. Das Zurück- und Weiterbauen müssen wir bereits bei der Planung mitdenken. Daraus ergeben sich dann auch die Anforderungen an die Baustoffe. Wichtig ist vor allem, genaue Informationen zu haben, über den CO2-Fußabdruck beispielsweise. Dafür brauchen wir offene Datenbanken. Und die nächste wichtige Information ist, wie kann ich ein Produkt in den Kreislauf zurückführen. Da spielt z. B. das Thema Demontage und mögliche Wiederverwendung eine Rolle; das müsste die Industrie idealerweise schon vordenken.

Ein weiteres wichtiges Thema – der Wohnungsbau. Welche Maßnahmen müssen jetzt dringend ergriffen werden, damit die Politik die gesteckten Ziele auch nur annähernd erreicht?

Es gibt einige Rahmenbedingungen, die zum Rückgang des Wohnungsbaus geführt haben. Ich nenne hier die enormen Baukosten, die schnell gestiegenen Zinsen sowie die Förderbedingungen. Die Bundesregierung hat zu Recht den Fokus mehr auf das Umbauen gelegt. Aber wenn man die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die den Wohnungsbau zum Erliegen gebracht haben, bekämpfen will, muss man Geld in die Hand nehmen, um entsprechende Anreize zu schaffen.

Aber wurden nicht gerade die Förderprogramme der KfW gestoppt?

Ja, das meinte ich mit der Fokussierung auf das Umbauen. Die Neubauförderung wurde zurückgefahren und auf Maßnahmen im Bestand verlagert. Mehr gibt die fiskalische Situation im Moment nicht her. Deshalb müssen auch andere Dinge greifen: Wir müssen einfacher bauen, suffizienter werden, weniger Fläche verbrauchen und mehr verdichten – auch in den Einfamilienhausgebieten. Das sind ganz schön dicke Bretter, die da zu bohren sind … Deshalb wäre ich dafür, dass sich Bund und Länder erst einmal auf den sozialen Wohnungsbau konzentrieren. Das sollte auch uns als Planern zu denken geben. Und vielleicht ließen sich auch Anreize jenseits von Fördermaßnahmen schaffen. Ähnlich wie in Skandinavien könnten Transformationsprozesse an Steuererleichterungen, z. B. die Grunderwerbssteuer, gekoppelt werden. Oder man könnte den gesamten Förderbereich der Wärmewende über die Mehrwertsteuer regeln. Etwas mehr Kreativität täte hier gut.

Kommen wir zurück zum BDB und zur DBZ. Was gefällt Dir persönlich an der DBZ richtig gut und worüber möchtest Du in Zukunft noch mehr lesen?

Ich finde unsere Partnerschaft mit der DBZ ideal, gerade weil sie keine klassische Zeitschrift für Entwerfende ist. Wie gesagt, wir sind ein sehr vielschichtiger Verband und genau das spiegelt sich auch in der DBZ wider. Mir gefällt, dass der Fokus nicht nur auf News liegt, sondern dass der Blick mehr in die Tiefe geht. Dass berichtet wird, was hinter den Projekten steckt. Das könnte man sicher auch noch weiter ausbauen. Natürlich bleibt der erste Blick immer an den schönen Bildern hängen, aber gerade von den Inge­nieuren weiß ich, dass sie gerne mehr ins Detail gehen und die Projekte auch anders betrachten. Diese Vielschichtigkeit auch in den Beiträgen zu zeigen, finde ich wichtig und ich bin begeistert, dass die DBZ diese DNA auch in sich trägt.

Das ist schön zu hören. Aber welche Erwartungen hast Du an die DBZ in Zukunft?

Ich habe vor allem die Hoffnung, dass die DBZ es schafft, zu zeigen, dass Print nicht tot ist. Dass sie das Medium sein wird, dass man auch in Zukunft gerne noch in den Händen halten möchte.

Ich auch. (lacht)

Dann sind wir uns einig. Und ich glaube, die Hoffnung ist nicht unberechtigt. Aber natürlich müssen auch die Inhalte stimmen. Ich erwarte, dass die DBZ aktuelle Themen aufgreift, diese aber im Sinne des Integralen Planens und Bauens aller am Bau beteiligten Disziplinen beleuchtet und die Hintergründe aufzeigt. Außerdem sollte das Heft einen Lerneffekt bieten, auf Themen eingehen, die ich vielleicht vorher noch nicht kannte, die aber für mich und meine Arbeit wichtig werden.

Siehst Du uns also auch ein Stück weit als Trendscout?

Ja, schon, aber nicht auf die oberflächliche Art, die man von Instagram oder Pinterest kennt. Ganz im Gegenteil. Mir geht es nicht um viele schöne Bilder, sondern wie gesagt um die Hintergründe, die Prozesse, die hinter den Projekten stecken. Welchen Anteil alle Beteiligten am Gelingen eines Projektes hatten und warum. Das sind für mich die entscheidenden Fragen. Und mir ist auch klar, das ist aufwendig, aber das macht eben auch den Unterschied. Ihr seid eine Redaktion mit einem großen Know-how, das ist entscheidend. Wir haben eine große Wertschätzung für eure gute journalistische Arbeit und wir sind stolz auf unsere Kooperation.

Ein perfektes Schlusswort, lieber Christoph, vielen Dank.↓

Christoph Schild im Gespräch mit
Michael Schuster

Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Christoph Schild im Gespräch mit
Michael Schuster
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Interview: Michael Schuster/DBZ.
Für den BDB habe ich die Hoffnung, dass wir aufgrund unserer Aufstellung vielschichtiger und somit für unterschiedliche Zielgruppen interessant sind.
Als Verband muss ich heute dafür sorgen, dass wir für zeitgemäße Inhalte stehen, die von den Mitgliedern aktiv mitgestaltet werden können, wie z. B. integrale Zusammenarbeit, KI oder klimagerechtes Planen und Bauen.
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