Über die Aufgaben der ArchitektenEin Gespräch mit Richard Henning, HGMB Architektenwww.hgmb.de
DBZ: Herr Henning, welchen Anteil nimmt energieeffizientes Bauen in der Projektarbeit Ihres Büros ein und welchen Stellenwert hat das Thema insgesamt in Ihrem Büroalltag?
Energieeffizienz bei Gebäuden ist für uns eine Selbstverständlichkeit und damit ein zentraler Punkt bei allen unseren Entwurfsüberlegungen – genauso wie städtebauliche Einbindung, Gestaltungsqualität, Funktio-nalität und Wirtschaftlichkeit. Ich sehe es
als Kernaufgabe des Architekten, alle diese Qualitäten zu entwickeln und im Gleichgewicht zu halten.
Mit der Klimaschutzsiedlung in Düsseldorf-Garath konnten Sie jetzt bereits das dritte Projekt mit der Rheinwohnungsbau GmbH in Düsseldorf verwirklichen. Der Bauherr wirbt damit, im energieeffizienten Wohnungsbau Maßstäbe zu setzen. Wie wichtig ist ein solcher Bauherr für die Umsetzung von Energiekonzepten in der Architektur?
Die Rheinwohnungsbau nimmt das Thema des energieeffizienten Wohnungsbaus sehr ernst, was ich ganz phantastisch finde. Trotz Förderung durch öffentliche Gelder darf man nicht vergessen, dass für die hohen energetischen Aufwendungen auch Mehrkosten im Unternehmen verbleiben. Als wir vor 12 Jahren mit der Planung der Solarsiedlung am Düsseldorfer Medienhafen
begonnen haben, waren kontrollierte Lüftungsanlagen im Mietgeschosswohnungsbau noch etwas äußerst Ungewöhnliches – auch für uns als Architekten. Da galt es auf einmal, viel Technik bei stark begrenzten Platzverhältnissen unterzubringen. Der Bau einer Solarsiedlung in der Stadt, für ganz normale Nutzer, mitten in eine bestehende städtebauliche Struktur hinein, war damals noch Neuland. Da hat die Gesellschaft wirklich „Pioniergeist“ bewiesen. Mit diesem und den nachfolgenden Projekten konnten wir zeigen, dass energetisch optimiertes Wohnen im Passiv- und 3-l-Standard an jeder Stelle in der Stadt machbar ist, unabhängig von den städtebaulichen Strukturen vor Ort – und das bei bezahlbaren Mieten und sogar im geförderten Wohnungsbau.
In den genannten drei Projekten haben
Sie auch mit dem Büro Wortmann und Scheerer als Energieplaner zusammengearbeitet. Wie kam es dazu und was hat das für Ihre Entwurfs- und Planungsarbeit bedeutet? Welchen Nutzen ziehen Sie als Architekt aus der Zusammenarbeit?
Herr Hummelsbeck, Geschäftsführer der Rheinwohnungsbau, hat uns damals zusammengebracht. Zwar hatte ich mich schon vorher intensiv mit dem Thema des energieeffizienten Bauens auseinandergesetzt, doch jetzt ergab sich zum ersten Mal die Möglichkeit, Städtebau, Architektur und TGA im intensiven Dialog mit der Fachplanung wirklich von Anfang an zu entwickeln und aufeinander abzustimmen – mit dem gemeinsamen Ziel, ein optimales Gesamtergebnis zu erreichen. Das war wirklich spannend und hat viel Spaß gemacht!
In Düsseldorf-Garath war es unsere Aufgabe, in einem problematischen Umfeld eine bestehende städtebauliche Situation zu optimieren. Unsere Planung sollte ausgewogen und nachhaltig sein, nicht nur wirtschaftlich, nur energetisch optimiert oder nur schön. Dazu haben wir etliche Entwurfsvarianten gezeichnet, Kostenvergleiche angestellt und den Planungsbeteiligten präsentiert. Das hat zu vielen leidenschaftlichen Diskussionen geführt. So hatten wir z. B. eine Variante mit Vorstellbalkonen statt der schließlich ausgeführten, halbeingezogenen Balkone. Nachdem wir das Ganze aber in der Perspektive dargestellt hatten, waren wir alle der Meinung, dass hier Wohnwert und Gestaltung den Vorrang haben müssen. Das Ergebnis war dann ein guter 3-l-Standard, der sich als die an dieser Stelle beste und angemessenste Lösung herausstellte.
Wie wichtig finden Sie das vorgestellte integrale Planungskonzept für energieeffizientes Bauen, also die Zusammenarbeit schon in der Entwurfsphase eines Projektes? Ist das ein Modell für eine bessere Architektur? Welche Herausforderungen sehen Sie darin oder welche Kritik haben Sie an dem Konzept?
Durch eine frühzeitige, abgestimmte Entwurfsplanung mit allen Beteiligten können Konzepte entstehen, die genau die Punkte ausgewogen berücksichtigen, die ich schon genannt habe: städtebauliche Einbindung, gute Architektur, Funktionalität, Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit. Die Frage, welcher Energiestandard mit angemessenen Mitteln zu erreichen ist, stellt sich immer schon ganz zu Beginn, weil jede architektonische Entscheidung Auswirkungen auf Energieeffizienz, Nutzbarkeit und Wirtschaftlichkeit hat.
Ich stimme mit Herrn Wortmann darin überein, dass der Architekt schon zu einem frühen Zeitpunkt den Energieplaner in seine Überlegungen einbeziehen sollte – auch auf die Gefahr hin, dass dadurch vielleicht erste eigene Ideen in Frage gestellt werden. Gleiches gilt übrigens auch für den Tragwerkplaner: Durch eine optimierte Statik kann die Wirtschaftlichkeit von Bauvorhaben enorm verbessert werden. Die Planungsziele müssen zu Beginn klar definiert werden und
daran müssen sich alle Beteiligen immer wieder messen lassen. Das bedarf eines in-
tensiven Informationsaustauschs unter allen Beteiligten, es wird zu einem frühen Zeitpunkt viel diskutiert, ausprobiert, verglichen und abgewogen. Da wird der Architekt in seiner Rolle als Organisator wirklich gefordert! Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass sich durch diesen Prozess sehr gute und praktikable Gesamtlösungen entwickeln lassen.
Herr Henning, wir bedanken uns für das Gespräch!
Das Interview führte Inga Schaefer für die DBZ