Wohn- und Geschäftshaus Bâleo Erlenmatt, Basel/CH
Nach nur vier Jahren Bau- und Planungszeit konnte im Frühling 2019 das neue Wohn- und Geschäftshaus Bâleo Erlenmatt im gleichnamigen Entwicklungsgebiet im Basler Norden bezogen werden. Morger Partner Architekten realisierten eine markante Landmarke, die angesichts des eng gesteckten Rahmens durch ihren hohen Gestaltungsgrad überrascht.
Die Schweizerinnen und Schweizer sind ein Volk von Mietern. Rund 60 % aller Haushalte lebt in Mietwohnungen, der Anteil ist seit Jahrzehnten konstant. In den letzten Jahren wuchs die Bevölkerung vor allem in den Städten, günstiger Wohnraum ist Mangelware. Den höchsten Anteil an Mieterinnen und Mietern hat aktuell Basel mit über 80 %, dicht gefolgt von Genf am anderen Landesende.
Möglichkeiten, die latente Wohnungsknappheit zu lindern, bieten oftmals die großen, städtischen Areale ehemaliger Industrie- oder Bahnanlagen. Eines dieser Gebiete ist die Erlenmatt im Basler Norden. Einst befand sich hier ein Güterbahnhof der Deutschen Bahn. Mit dem Entscheid der Eigentümerin, den Standort nach Weil am Rhein zu verlegen, wurde die rund 20 ha große Fläche 1998 frei. Einige Zwischennutzungen und zwei städtebauliche Wettbewerbe später treffen auf der Fläche die beiden großen Schweizer Trends im Wohnungsbau aufeinander: Genossenschafts- vs. Investorenarchitektur.
Wohnhaus mit Mall
Die Erlenmatt besteht aus zwei von Nord nach Süd verlaufenden bebauten Längsstreifen, dazwischen liegt der knapp 6 ha große Erlenmattpark. Die Ostseite besetzt die exponiertere Lage, grenzt sie im Norden doch an die Autobahn, im Osten zusätzlich an die Bahngleise. Einen Teil der Baufelder erwarb 2010 die Stiftung Habitat. Sie teilte die Fläche in Parzellen auf, die sie teils selbst bebaut, teils zur Entwicklung an mehrere Genossenschaften weitergab. Die Bebauung orientiert sich an einem umfassenden Nachhaltigkeitsbegriff: Alternative Wohnformen sind erwünscht, die Ziele der 2 000-Watt-Gesellschaft verbindlich. Räumlich ist eine Erschließung über die Innenhöfe vorgegeben.
Für das 11 000 m² große Baufeld A an der markanten Südost-Ecke des Gebiets verfolgte der Kanton Basel-Stadt als neuer Eigentümer eine andere Strategie: Das Grundstück ging 2010 an das Generalunternehmen Losinger Marazzi, das es entwickelte und dann an einen Zusammenschluss von drei Immobilienfonds der Credit Suisse verkaufte. Nachdem erste Pläne für ein großes Einkaufszentrum wegen unsicherer Erfolgsprognosen scheiterten, führte der Investor 2014 einen Studienauftrag für ein Wohnhaus mit Mall durch, den das Basler Büro Morger Partner Architekten (ehemals Morger + Dettli) für sich entscheiden konnte.
Die Architekten reagierten auf die anspruchsvolle Lage mit einer mächtigen, fünf- bis achtgeschosshohen, trapezförmigen Großform. 317 Wohnungen finden darin Platz, ergänzt um Büros im EG, einer Retailfläche im Untergeschoss und zwei darunterliegenden Ebenen mit Parkplätzen. Die bis zu 130 m langen Fassaden bestehen aus eingefärbten Betonfertigelementen, der Farbton erinnert an den typischen Basler Sandstein. Ein schräg gestellter Querriegel teilt den Innenhof in zwei kleinere Einheiten.
Ins Auge stechen die konkaven Balkonbrüstungen der Außenfassaden, die sich jeweils zwischen den haushohen Pfeilern aufspannen. Anordnung und Form reagieren auf die Umgebung – auf der lärmexponierten Ostseite sind sie als gerade Elemente flach vor die Fassade gesetzt, auf der Seite zum südlich an den Park angrenzenden Triangelplatz als geschwungene Balkonbrüstungen eingesetzt.
Arkaden im Erdgeschoss evozieren eine städtische Szenerie, was gut funktionieren würde, wären der angrenzende Triangelplatz nicht so überdimensioniert und die Außenraumgestaltung nicht so trostlos – Relikte der Annahme, dem einst geplanten „Urban Entertainment Center“ die nötige Freifläche gegenüber stellen zu müssen.
Vor einem Jahr wurde der Bau bezogen, erst langsam siedeln sich auch im Erdgeschoss Nutzer an. Dabei gäbe es hier spannende Räume zu entdecken, sind die 13 Wohnungen an West- und Nordseite doch als Atelierwohnungen ausgeführt: 2,5 Zimmer mit Küche, ebenerdig über den Aussenraum erschlossen, perfekt für die Kombination aus Wohnen und Arbeiten. Ebenfalls interessant – und sehr beliebt – sind die Einheiten auf der lärmgefährdeten Ostseite. Eine „Rue Interieur“ unterteilt den Riegel in eine Hof- und eine Straßenseite. Um auf letzterer überhaupt Wohnnutzungen zu ermöglichen, entwickelten die Architekten eine Grundrisstypologie mit Innenhöfen. Jeweils zwei 2,5-Zimmer-Wohnungen teilen sich ein solches Atrium, ein begrüntes Element zwischen den Balkonen wahrt die Privatsphäre. Das Schlafzimmer kann jeweils zum Innenhof hin belüftet werden, Schallschutzfenster auf der Ostseite sorgen dafür, dass der Verkehrslärm draußen bleibt.
Investoren-Qualitätsniveau steigern
So robust, wie sich der Bau nach außen hin präsentiert, so zugänglich zeigt sich der Innenhof. Er knüpft nahtlos an jenen des angrenzenden Grundstücks an. Das erlaubt einen schön gestalteten, geschützten Außenraum und eine durchgehende Erschließung zwischen den einzelnen Baufeldern, ist aber auch ein Grund, warum die Belebung der großzügigen Flächen ausserhalb nicht richtig in Gang kommt.
Zwei Durchgänge führen in den Hof. Von hier aus erreicht man die zwölf Treppenhäuser, die zu den Wohnungen führen. Die Hoffassaden sind mit Putz versehen und wirken weicher als ihr Pendant an der Außenseite; die Gliederung des Raums in zwei Einheiten und die Lochfassade brechen den großen Maßstab. Von den Atelier- und den Atriumstypologien abgesehen präsentieren sich die Wohnungen im Gegensatz zu den Raumexperimenten der genossenschaftlichen Nachbarn klassisch: 2,5- bis 4,5-Zimmer-Einheiten, gut geschnitten und oft über Eck angeordnet, so dass niemand den Nachbarn in die Wohnung schauen kann. Der Ausbaustandard variiert und entspricht der marktüblichen Ausstattung: Parkett aus Eiche, weißer Putz und graue Fliesen in den Bädern. Wo möglich, versuchten die Architekten, das Investoren-Qualitätsniveau zu steigern: „Details, wie die aufgesetzten Blendrahmen an den Wohnungstüren oder die Laibungssteine im Boden waren uns wichtig. Dafür machten wir uns stark“, so Martin Klein, verantwortlicher Partner bei Morger Partner Architekten.
Das Projekt erreicht die sozial erwünschte Durchmischung
Dass es dennoch um die Rendite geht, zeigen Großform und robuste Oberflächen. Kluge Grundrisse und durchdachte Details verweisen auf den architektonischen Anspruch.
So oder so, die Bewohnerinnen und Bewohner schätzen das Angebot, die Wohnungen sind fast alle vermietet. Letztlich verkörpert das Projekt die sozial erwünschte Durchmischung von Erlenmatt Ost: Der Mietpreis liegt im unteren Mittelfeld und auch der im Gegensatz zu den Genossenschaften deutlich höhere Grad an Anonymität dürfte seine Anhänger haben.
⇥Tina Cieslik, Bern
Baudaten
Objekt: Erlenmatt Baufeld A
Standort: Erlenmattstrasse 51–93, Signalstrasse 1–13, 19, 21, Erlenstraße 81, 4058 Basel/CH
Typologie: Wohn- und Geschäftshaus
Bauherr: Credit Suisse Real Estate Fund LivingPlus, www.credit-suisse.com; SIAT Immobilien AG, www.siatswiss.com und INTERSWISS Immobilien AG, vertreten durch Credit Suisse Asset Management (CH) AG
Bauherrenvertretung: Dietziker Partner Baumanagement AG,
Basel/CH, www.dietziker-bm.ch
Totalunternehmer: Losinger Marazzi AG, www.losinger-marazzi.ch
Architekten: Morger Partner Architekten AG, Basel/CH,
www.morgerpartner.ch
Mitarbeiter (Team): Meinrad Morger, Martin Klein, Henning König (Partner), Mareen Hoppe (Projektleitung), Eric Kilchherr, Julien Rey, Katharina Cigan, Jakob Lilienthal, Silvana Janett, Dennis Knabe, Laura Ehme
Bauzeit: Juli 2016 – April 2019
Fachplaner
Bauingenieur: Schnetzer Puskas Ingenieure AG, Basel/CH,
www.schnetzerpuskas.com
Elektroingenieur: Aare Elektroplan AG, Olten/CH, www.aepag.ch
HLKK-Ingenieur: Energieatelier AG, Thun/CH, www.energieatelier.ch
Projektdaten
Anzahl Wohnungen: 317
Wohnungstypen: 2,5–4,5-Zimmer-Wohnungen
Gebäudegrundfläche: 6 700 m²
Gebäudehöhe: ca. 18–26 m
Geschosse: 5–8 Geschosse ober-irdisch, 3 Geschosse unterirdisch
Geschossfläche: 56 900 m²
Nutzfläche: 42 500 m²
Hauptnutzfläche: 29 200 m²
Energielabel: Minergie zertifiziert (nach Minergie Eco Standard), SNBS Gold
Hersteller
Dach: Hoffmann + Stetter,
www.hoffmann-stetter.ch; Tecton-Fladag AG, www.tecton.ch; Cupolux, www.cupolux.ch
Fenster: Hasler Fenster Projektkunden AG, www.haslerfenster.ch
Fassade: FP Prefa, www.mfp-prefa.ch; Wicona, www.wicona.com
Wand: Anliker AG Bauunternehmung, www.anliker.ch
Decke: AGG Systemdecken AG,
www.systemdecken.ch
Boden: Bernasconi Boden Decke Wände, www.bernasconi.ch; Sabag AG, www.sabag.ch; Külling AG,
www.kuelling-ag.ch
Dämmung: Pilato AG, www.pilato.ch
Sonnenschutz: Warema Renkhoff SE, www.warema.de
Aufzug: OTIS AG, www.otis.com
Türen: Zargag, www.zargag.ch
Tore: Minder AG, www.minderag.ch
Brandschutzkonzept / Fluchtwegkonzept: Visiotec Consulting AG, www.visiotec.ch
Heizung: Urs Metzger AG,
www.urs-metzger-ag.ch
Lüftung: E. Kalt AG Klima- und Energietechnik, www.ekaltag.ch
Zutrittssysteme: EVVA Sicherheitstechnologie AG, www.evva.com
Sicherheit: Securiton AG Alarm- und Sicherheitssysteme, www.securiton.ch; Hager AG, www.hager.ch
Sanitär: Duravit AG, www.duravit.de
Beleuchtung: Regent Lighting,
www.regent.ch; Ifö Electric,
www.ifoelectric.com; XAL GmbH, www.xal.com; Lux-Vision AG,
www.luxvision.ch
Die großmaßstäbliche Blockstruktur basiert auf einem städtebaulichen Gesamtkonzept. Die Innenhöfe als halböffentliche Außenräume sind Adressbildung und schaffen Begegnungsorte für die insgesamt hohe Anzahl der Bewohner. EG- und Mallnutzungen im UG dienen den Bewohnern, aber auch dem gesamten Wohnumfeld. Die BFT-Fassade verleiht dem Komplex eine ruhige und elegante
Gesamterscheinung.«
⇥DBZ Heftpartner Molestina Architekten