Wir wollen gewinnen!

HFT Stuttgart beim Architekturwettbewerb Solar Decathlon 2010 vertreten. Von Rüdiger Sinn, Stuttgart

Wie meistern wir die Zukunft in bautechnischer Sicht und wie sehen Häuser in 20 Jahren aus? Fragen, die sich aufgrund der gegebenen Umstände wie Ressourcenverbrauch und Klimaveränderung seit langem Wissenschaftler aus aller Welt stellen. Schon lange weiß man, dass in der Kraft der Sonne, als fast unerschöpflichen Energieträger, die Zukunft steckt. Dementsprechend groß sind die Bestrebungen von Wissenschaftlern, solares Bauen weiterzu- entwickeln.

Die innovativsten Häuser, die ausschließlich mit solarer Energie versorgt werden, sollen nun in einem europäischen Wettbewerb gesucht und prämiert werden. Nach amerikanischem Vorbild werden Studierende von Hochschulen für Architektur und Bauwesen bis zum nächsten Jahr im Juni in einer Art Zehnkampf Häuser entwickeln, die mehr als nur Passivhaus-Standard erreichen. Für den „Solar Decathlon Europe 2010“ werden Energie-plus-Häuser angestrebt. Häuser also, die mehr Energie produzieren als sie verbrauchen.

Diesem ehrgeizigen Ziel darf sich auch die Hochschule für Technik (HFT) in Stuttgart stellen. In einer Vorauswahl qualifizierte sich das Team aus rund 40 Teilnehmern für die Endausscheidung. Die rund 20 Studierenden haben nun ein knappes Jahr Zeit, ein Haus für die Präsentation im Juni 2010 in Madrid zu planen und zu realisieren. Dabei sind zum einen Architekten gefragt, denn es gilt, das solare Bauen mit hohen gestalterischen Ansprüchen zu verknüpfen. Gleichzeitig wird aber auch Fächer übergreifend gearbeitet, das heißt, dass der Bachelorstudiengang Innenarchitektur und Bauphysik ebenfalls mit einbezogen wird. „Der Wettbewerb ist eine hervorragende Gelegenheit, den Studierenden einen wichtigen interdisziplinären, zukunftsrelevanten und praxisnahen Baustein in ihrer Ausbildung anzubieten“, sagte Professor Jan Cremers, Projektleiter des Teams Stuttgart. Auch das Institut für Gebäudeenergieforschung wird seine Kenntnisse einbringen.

Ein Teil des interdisziplinären Vorgehens bei dem Projekt ist auch die Einbeziehung von Unternehmen, die als Partner und Sponsoren auftreten. So wird das Haus in Holzständerbauweise gefertigt werden. Als Partner ist die Müller Holzbau GmbH aus Blaustein mit im Boot.

Der Entwurf und das Energiekonzept der Stuttgarter Studierenden ist eine Kombination von traditionellen Grundprinzipien aus der Architektur und modernen Materialien und Technologien. Ausgangspunkt ist ein kompakter und sehr gut gedämmter Kubus, der eine geringe Hüllfläche im Verhältnis zum umschlossenen Raum aufweist. Dadurch soll eine Minimierung der Transmissionswärmeverluste und damit auch des Energiebedarfs erreicht werden. Die Oberflächen des Volumens (Dach und Fassaden) wird wie eine zweite Haut großflächig mit Solarmodulen bestückt. Erste Simulationen ergaben, dass der Energiebedarf mit den Erträgen aus den Photovoltaik-Modulen nicht nur gedeckt werden kann, sondern auch noch Energie für das allgemeine Netz übrig bleibt, die dann eingespeist wird.

Um die Sonneneinstrahlung effektiv zu nutzen, ist als konstruktive Grundvoraussetzung der Bau in Nord-Süd-Ausrichtung geplant. Im Sommer sorgt ein Vordach für die nötige Verschattung. Der Kubus ist in einzelne Module unterteilt. Die entstehenden Fugen dienen dabei der Belüftung, der Vorwärmung im Winter und der passiven Kühlung (adiabate Verdunstungskühlung) im Sommer. Eine besondere Rolle spielt der Energieturm, der über die Dachfläche hinausragt und an Vorbilder aus dem arabischen Raum erinnert. Im Zusammenspiel von Wind und Verdunstungskühlung wollen die Studierenden so ein angenehmes Wohnraumklima zu jeder Jahreszeit erreichen. Der modulare Aufbau des Gebäudes soll zum einen die Weiterentwicklung zu einem Bausystem ermöglichen, zum anderen die Flexibilität beim Fertigen und bei der Montage erhöhen.

Zehn Punkte bis zum Erfolg

Bei der Bewertung und Gewichtung der einzelnen Bausysteme werden bei dem Wettbewerb zehn Punkte berücksichtigt. Dabei sind bei der Architektur, der elektrischen Energiebilanz, der Komfortbedingung und der Nachhaltigkeit die meisten Punkte zu holen. Aber auch Disziplinen wie die Konstruktion, Auswahl der Solarsysteme und innovative Bauweisen werden bei der Gesamtpunktzahl berücksichtigt.

Im April 2010 ist die Fertigstellung des Gebäudes geplant. In einer Testphase werden dann die Gebäudetechnik und die Regelung optimiert, bevor das Haus mit einer Grundfläche von 75 m² im Juni demontiert und in Madrid wieder aufgebaut wird, um es eine Woche lang der Öffentlichkeit zu präsentieren. Und damit die Studierenden auch nach dem Wettbewerb noch Freude an dem HOME+ (so der offizielle Name) haben, soll der Bau am Hochschulstandort für die Forschung und Lehre, aber auch als Veranstaltungsgebäude zur Verfügungen stehen.

Der Dekan der HTW Stuttgart, Professor Andreas Löffler, beglückwünschte die Studierenden zu dem aus seiner Sicht hervorragenden Entwurf und fasste die Präsentation mit wenigen Worten zusammen. „Wir wollen in Madrid nicht nur dabei sein, wir wollen gewinnen.“

Am Solar Decathlon 2010 sind insgesamt 20 Mannschaften aus Spanien, Großbritannien, Frankreich, Finnland, USA, Mexiko, Brasilien, China und Israel vertreten. Aus Deutschland sind neben der HFT Stuttgart auch die Bergische Universität Wuppertal, die Hochschule Rosenheim und die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin beteiligt.

Weitere Informationen zum internationalen Wettbewerb unter Solardecathlon.org

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