Transparenz und Ökologie
Europäische Investitionsbank Luxemburg

Die Europäische Investitionsbank (EIB)

wurde 1958 als Bank der Europäischen Union gegründet und ist heute einer der größten öffentlichen Kreditgeber. Das Grundstück für den Erweiterungsbau für die EIB liegt im Europäischen Quartier auf dem Kirchberg-Plateau in Luxemburg in direkter Nachbarschaft zum bestehenden Gebäude der EIB aus dem Jahr 1980. Aus dem Realisierungswettbewerb für den Neubau ging das Team um ingenhoven architects, Düsseldorf, mit einem überzeugenden Entwurf als Gewinner hervor.

Die Bank ist gleichzeitig Bauherr und Nutzer des neuen Gebäudes. DS-Plan unterstützte die Architekten bei der anspruchsvollen Aufgabe im Sinne einer integralen Planung mit den Leistungen Fassadenplanung, Bauphysik und Energiedesign.

Der Entwurf der Architekten sieht eine zylindrische Glashülle vor, die sich über sieben mäanderförmig angeordnete Gebäuderiegel spannt. Dadurch entstehen zwischen den jeweils neungeschossigen Riegeln große Atrien, die auf der Südseite als temperierte Bereiche und auf der Nordseite als unbeheizte, thermische Pufferzonen ausgebildet werden. Die Glashülle sorgt für eine kompakte Gebäudeform und ermöglicht die passive Nutzung der Sonnenenergie im Winter. Im Sommer werden die Atrien durch Öffnungen in der Glashülle natürlich belüftet und so die unerwünschten solaren Gewinne abgeführt. Die oberirdischen Abschnitte der Riegel werden als Büros genutzt und bieten Raum für rund 750 Büro­arbeitsplätze. Ferner befinden sich Schulungs- und Konferenzbereiche, Restaurants und Cafe­­terien sowie eine mehrgeschossige Tiefgarage im Gebäude. Die gesamte Bruttogeschossfläche beträgt etwa 74 000  m². Mit den Bauarbeiten wurde 2004 begonnen. Im Sommer 2008 wurde das Gebäude bezogen. Das Gebäude wurde hinsichtlich der Nachhaltigkeitskriterien eines Green Building nach BREEAM (Building Research Establishment’s Environmental Assessment Method) regelmäßig überprüft. Eine abschließende Bewertung mit der Note „Excellent“ erfolgte im März 2009. 


Fassadentechnik

Die vier wesentlichen Konstruktionsgruppen der Fassade bestehen aus dem bogenförmig gekrümmten Glasdach und der Seilfassade der Atrien sowie aus der einschaligen Bürofassade zum Atrium und der doppelschaligen Bürofassade nach außen. Bei der EIB wurden adaptive Sonnenschutzmaßnahmen konsequent in den Bürofassaden angeordnet, während die Atriumfassaden ganzjährig gleichermaßen transparent sind. Dadurch ist eine gute Tageslichtversorgung der Büros gewährleistet und bei gutem sommerlichen und winterlichen Wärmeschutz bleibt die individuelle Eingriffsmöglichkeit auf Fensterlüftung, Sonnen- und Blendschutz gesichert.

Das gekrümmte Glasdach bildet den Hauptteil der klimatischen Hülle der Atrien und wurde deshalb als wärmegedämmte Aluminiumkonstruktion mit einer Zwei-Scheiben-Isolierverglasung ausgeführt – in den nördlichen Atrien als Wärmeschutzverglasung, in den horizontalen Abschnitten der südlichen Atrien als neutrale Sonnenschutzverglasung. Die Sonnenschutzwirkung wird in Teilbereichen durch Lichtlenkspiegelraster im Scheibenzwischenraum weiter verbessert. Etwa 30 % der dreieckigen Glaselemente wurden in einer neu entwickelten Sonderkonstruktion als elektromotorisch betätigte Klappen ausgebildet.

Das Tragwerk des Glasdaches besteht aus einem Stahlprimärtragwerk mit teilweise gebogenen Stahlträgern und einem Sekundärtragwerk aus den bereits erwähnten Aluminiumprofilen und wurde von Werner Sobek Ingenieure, Stuttgart, entwickelt. Die dreieckigen Glasscheiben werden auf dem Sekundärtragwerk mit Alu-Klemmhaltern gehalten und mit Silikonfugen abgedichtet. Die vertikale Fassade der Südatrien wurde als Seilfassade geplant. Die Scheiben der Wärmeschutzverglasung werden mit Klemmtellern aus Aluminiumguss an den vertikalen Seilen gehalten und mit Silikonprofilen bzw. mit dauerelastischem Silikon abgedichtet. Der Anschluss der beweglichen Seilfassade an die starren Riegelfassaden erfolgt über gleitfähige Verbindun­gen mit speziell entwickelten Bürstendichtungen.

Die einschalige Bürofassade zum Atrium wurde als voll elementierte Holzrahmenfassade mit außen liegendem, textilem Sonnenschutz konzipiert, die Außenfassade der Büro­riegel dagegen doppelschalig ausgeführt. Die konstruktiv und statisch minimierte Aluminiumfassade erhielt eine Verglasung aus Verbundsicherheitsglas. Der Sonnenschutz ist hier als seilgeführter, elektromotorisch angetriebener Lamellenraffstore windgeschützt im permanent durchlüfteten Doppelfassadenraum angeordnet und wird zentral gesteuert. Eine individuelle Übersteuerung durch den Nutzer ist jederzeit möglich.

 

Raumklimakonzept Büros

Die Anordnung der Büroriegel und Atrien sowie die Qualität des Wärmeschutzes der Glashülle führen zu Lufttemperaturen, die in den unbeheizten Atrien im Winter kaum unter 5 °C fallen. Für die angrenzenden Büroriegel halbieren sich dadurch in etwa die Transmissions­wärmeverluste. In Kombination mit den hoch­effizienten Rotationswärmetauschern der Lüftungsanlagen ergibt sich ein deutlich reduzierter Heizenergiebedarf für die Büros. Alle Büros sind mit einem außen liegenden Sonnenschutz ausgestattet, der je nach Fassade entweder im Doppelfassadenraum oder im Atrium angeordnet ist und eine effektive Verschattung ermöglicht. Eine Optimierung der Gebäudehülle mit dem Ziel, die äußeren Einwirkungen sowohl im Heiz- als auch im Kühlfall zu minimieren, ist ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zu einem nachhaltigen Gebäudekonzept.

Aufgrund der sehr gut isolierenden Gebäudehülle wurden die Büroräume in den Riegeln nur mit Bauteilkühlung und maschineller Lüftung ausgestattet. Die maschinelle Lüftung liefert dabei die hygienisch erforderliche Luftmenge. Zusätzlich erhielten die Büros Öffnungsflügel zur natürlichen Lüftung, die von den Nutzern individuell bedient werden können. Bei normaler Büronutzung ist durch dieses Konzept bereits ein guter, thermischer Komfort gewährleistet. Zur individuellen Regelung der Raumkonditionen wurden Bodeninduktionsgeräte entlang der Fassade vorgesehen. Diese werden je nach Bedarf ein­gesetzt und ermöglichen als regelungstechnisch flinkes Element die wirksame Einflussnahme des Nutzers auf das Raumklima sowie die bedarfsgerechte Erweiterung der Kühlmöglichkeit bei Räumen mit erhöhter Kühllast. Ins­gesamt steht ein flexibles Konzept zur Raumkonditionierung zur Verfügung, das einen hochwertigen thermischen Komfort bietet.  

 

Raumklimakonzept Atrien

Die großen Lufträume im Neubau der EIB sind als zwei unterschiedliche Typen konzipiert: nach Süden orientierte Atrien, die im Winter beheizt werden können, und nach Norden orientierte unbeheizte Wintergärten. Atrien und Wintergärten werden ganzjährig natürlich belüftet. Im Winter erfolgt dies nach dem Prinzip der Stoßlüftung. Innerhalb weniger Minuten wird dann das Luftvolumen erneuert. Im Sommer werden die Fassadenklappen großflächig und permanent geöffnet, um die unerwünschten solaren Gewinne aus den großen verglasten Lufträumen durch natürliche Lüftung abzuführen. Die Öffnungsquerschnitte für die natürliche Lüftung werden im Sommer und im Winter in Abhängigkeit von der Temperatur im Atrium, der Umgebungs­temperatur und der Windgeschwindigkeit eingestellt.

Die Wintergärten fungieren als thermische Pufferräume und werden weder aktiv beheizt noch gekühlt. Aufgrund des eher niedrigen Temperaturniveaus im Winter und der daraus resultierenden geringeren Temperaturdifferenzen der Luft im Atrium sind hier keine Maßnahmen gegen abfallende Kaltluft vorgesehen. Die Temperierung der Südatrien erfolgt im Winter durch eine Fußbodenheizung. Diese wird im Sommer auch zur Kühlung eingesetzt.

Zur Reduzierung der Komfortbeeinträchtigung durch Kaltluftabfall an der vertikalen Glasfassade wird die Scheibeninnentemperatur durch parallel zur Fassade angeordnete Strahlungsflächen angehoben. Diese sind in die Stege integriert, die die Büroriegel miteinander verbinden, und führen der Seilfassade langwellige Wärmestrahlung zu. Sie stellen gleichzeitig ein schnell zu regelndes Element zur Beheizung des Atriums dar. Eine Standardlösung mit beheizten Fassadenprofilen oder Konvektoren in unterschiedlichen Höhen war hier aufgrund der filigranen Kon­struktion als Seilfassade nicht möglich. Zusätzlich befindet sich am Fuß der Fassade ein horizontales Umlenkschwert aus Glas in Verbindung mit Bodenkonvektoren entlang der Fassade. Durch das Maßnahmenpaket werden Komfortbeeinträchtigungen durch Kaltluftabfall deutlich reduziert und in der Eingangshalle ein vergleichsweise hohes Komfortniveau erreicht. Die Maßnahmen wurden am virtuellen 3D-Modell des Atriums mittels einer Strömungssimulation entwickelt. Unterschiedliche Lösungsansätze wurden überprüft und so die für das Projekt optimale Lösung erarbeitet. Sie ermöglicht einen hohen Komfort und gleichzeitig eine harmonische architektonische Gestaltung.

 

Steuerungskonzept Fassadenklappen

Die Steuerung beispielsweise eines Heizkessels ist eine über Jahre immer weiter entwickelte Komponente, die normalerweise vom Kesselhersteller mitgeliefert wird und zuverlässig funktioniert. Dies ist anders bei der Steuerung von Fassadenklappen zur natürlichen Lüftung. Diese sehr projektspezifische und gewerke­übergreifende Aufgabe hat typischerweise Prototyp-Charakter. Deshalb besteht immer ein hohes Risiko, dass die Steuerung nach der Inbetriebnahme nicht zuverlässig bzw. im erforderlichen Umfang funktioniert. Im ungünstigsten Fall lässt sich dieser Mangel nach­träglich nur mit großem Aufwand oder überhaupt nicht mehr korrigieren. Dieses Risiko lässt sich deutlich reduzieren, wenn die Anforderungen an die Klappensteuerung zur richtigen Zeit, gewerkeübergreifend und kompetent dokumentiert werden.

An die Steuerung der Fassadenklappen der Atrien der EIB ergaben sich Anforderun­gen aus dem Raumklimakonzept und aus dem Entrauchungskonzept. Diese wurden im Steuerungskonzept für die Fassadenklappen textlich und in Form von Ablaufdiagrammen zusammengefasst. Das Steuerungskonzept war der Ausschreibung beigefügt und diente dem Generalunternehmer als Grundlage für die Ausführungsplanung und Programmierung der Steuerungen. Es gewährleistete die Fortführung der Konzeptionen in der Ausführung und sensibilisierte alle Beteiligten für die typischen Schnittstellenprobleme. Die Steuerung der Fassadenklappen zur natürlichen Lüftung erfolgt in Abhängigkeit von der Außentemperatur, der Raumlufttemperatur im Aufenthaltsbereich und der Windgeschwindigkeit. Die Klappen sind dazu in vier Gruppen unterteilt, die je nach Situation für die natürliche Lüftung des Atriums freigegeben werden, denn bei Wind und/oder niedrigeren Umgebungstemperaturen werden kleinere Querschnitte für die natürliche Lüftung benötigt als an einem warmen Sommer­tag. 

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