Rom MAXXI-Nationales Kunstmuseum des XXI Jahrhunderts
Das Museum neu erfinden – ein Kunst Campus für Rom



"Der Bauplatz des MAXXI besitzt eine einzigartige Form, die zwischen zwei bestehenden Gebäuden mäandert. Wir haben sie als unsere Vorgabe akzeptiert und gleichzeitig zu unserm Vorteil genutzt und erforscht, welche Möglichkeiten der linearen Verbindung wir haben, wenn wir bündeln, drehen und verdrillen, wenn wir Masse bilden und wieder zurücknehmen." Zaha Hadid

Das MAXXI, das erste staatliche Museum Italiens für moderne Kunst, liegt nördlich der Piazza del Popolo im gentrifizierenden Stadtviertel Flaminio, wo auf Konversionsflächen der ehemals stolzen italienischen Marine, die Stadt von Romulus und Remus von einer modernen Architekturgöttin wach geküsst wird.

Von der Straße über den Patio ins Haus

Auch wenn die meisten Kunst- und Architekturpilger mit der Straßenbahn ankommen und auf die große Runde Ecke des Zaha Hadid‘schen Betonbollwerk treffen, die vorrangig via Internet und anderen Medien um die Welt ging, sollte man sich lieber der postalischen Adresse Via Guido Reni 10, also der vermeintlichen Vorderseite, annähern und dort eine überraschende Beobachtung machen: Bevor es losgeht mit den Verdrehungen und den großen Gesten, verflechtet sich das MAXXI vorne an der Blockkante mit ehemaligen Kasernengebäuden und schiebt unaufgeregt einen Betonkeil als Aufstockung über alte Traufen, als sei er ein ergrauter Bauteil des Bestandes. Der eigentliche Eingang zum MAXXI liegt seitlich, an der Verbindung zwischen den Straßen Guido Reni und Luigi Poletto, an einem halböffentlichen Patio, dessen andere Seite wieder von Altbauten für Restaurant, Buchhandlung und den Museumsbüros gebildet wird und des Sommers zur belebten Außendependance des Museums werden könnte.

Zaha Hadid spricht von ihrem MAXXI als „Kunst-Campus, als eine Welt in die man ­eintaucht, und die weniger Objekt oder Bauwerk ist“. Eine überraschende Aussage für ­die Erfinderin der Signature Architecture. Ein kleines persönliches Zeichen setzt sie noch zur architekturgeschichtlichen Einordnung ­ihres Werkes. Das „Eingangsgebäude“ lagert auf einer Phalanx von spindeldürren Stahlsäulchen, ein Bild wie Le Corbusiers Villa Sauvigny auf Pilotis wird aufgerufen. Nur hat hier wohl ein Herkules mit der Faust drauf geschla­gen und dem Obergeschoss eine bauchige Delle versetzt; was drinnen für den Besucher unerwartete Raumerlebnisse und ungewöhnliche Wahrnehmungen ergeben.

Die Lobby, das Licht und die Technik

Mit dem Betreten der Lobby, spätestens mit dem Betreten der Drahtgitterstufen einer raumgreifenden sich wild windenden Treppenskulptur, beginnt eine Architektur, die den Eintretenden förmlich einsaugt und forttreibt.

Zuvor aber lohnt ein Blick nach oben zu den ­schmalen, hoch stehenden Deckenbändern, die im gesamten Haus zwischen Museum und Himmel hängen und Teil des effektiven Lichtdeckensystems geworden sind. Ohne sie gäbe es nicht dieses diffuse aber helle Lichtklima, das durchgehend den Charakter dieser Galaxie der Moderne im alten Rom bestimmt. Mit dieser Lichtdecke und ihren durch Glasfasern verstärkten Lamellen, mit diesen Betonschwertern wird architektonisch ein ästhetischer Aperçu gesetzt, der gleichzeitig ein kleines technisches Wunderwerk ist: Entwickelt und gesteuert durch Zumtobel Staff wurde eine Lösung mit eingebundenem Sonnenschutz – aus außen verschließ­baren Rosten, horizontal steuerbaren Verschattungspaneelen, sowie zu dimmenden Leuchtmitteln gefunden.

Lösung des gordischen Knotens aus Zeit und Raum im Selbstversuch

Diese metallene Treppenskulptur dreht und verdrillt sich. Obwohl sie dunkel eingefasst ist, scheint sie wegen der durchsichtigen Stufen federleicht im Raum zu schweben. Wer sich entschließt, sie nicht zu betreten, landet im Ausstellungsteil von „MAXXI Architektur“, denn das Haus dient der Kunst und der Architektur. Treppenskulpturen sind schön anzusehen und gleichzeitig gute Aussichtspunkte. Aber von einem „Verweile doch, es ist so schön“ kann keine Rede sein. Wer die Treppe betritt, muss sich auf halber Höhe erneut entscheiden, wohin seine Museumsreise geht. Ab jetzt wechseln die Bilder im Zehntelsekundentakt. Ist man von Natur aus den Windungen und der Höhe zugeneigt, landet man in jenem oberen Galeriekopf, der so schön in den Hofraum hineinragt. Wer in der Mitte ohne Richtungsänderung die Treppe weiter verfolgt, wird zum großen Loop aufgefordert, der einmal über lange Rampen, dann wieder durch Galerien und durch Gänge führt, die, was ungewöhnlich für ein Museum ist, große Seitenfenster und damit Blicke ins alte Rom bieten.

Galaxie der Kunst – der Galerien Loop

Wenn es schon Schwerstarbeit kostet, in den Plänen die Grundrisse zu decodieren, die von der Richtungsbestimmung her logisch und klar erscheinen, kommt es durch die dritte Dimension zum wahren Kick. Rampen führen ins Unendliche und plötzlich wieder zurück. Die Mittel einer klaren Beschreibung und damit Bewertung versagen hier. Wo ist vorn, wo ist hinten? Bin ich oben oder schon wieder unten? Eine wahre Achterbahn für die Kunst. Dieses Museum hat keine Vorbilder - Assoziationen ja,aber - mit neuen Erkenntnissen in eigenwilliger Verknüpfung und so funktioniert das MAXXI in der Analyse als ein Spiegel der Verwirrungen und Irrungen unserer Zeit. Mit  Verwirbelungen, Störungen, Einmischungen. Aber es irritiert nicht nur, es gibt auch Halt. Die Zaha Hadid Architekten arbeiten erstaunlich solide das Element der Wand heraus. Die Wand ist Ufer eines Flusses, der Kunstmuseum heißt, in einer Mehrfachrolle als fester Untergrund, als Fenster zum Hof, als Leinwand, als Bildschirm, mal im Übergang zum Boden oder zu Decke. Zaha Hadid erkennt für sich in der Wand den „eigentlichen Kurator ihres Museums“.

Führt dieses Bauwerk die große Linie von Zaha Hadid Patrik Schumacher und dem gesamten Büro fort oder ist es etwas Besonderes?

Natürlich stehen für unser Büro immer der Wunsch und die Freude am Experiment an erster Stelle. So ist dann bezüglich der Aufgabe und des Ortes und der Konstruktion ­jedes neue Projekt tatsächlich speziell und gleich wichtig. Doch das MAXXI markiert tatsächlich innerhalb der Bürogeschichte einen Wendepunkt – der Entwurf stammt aus den späten 1990er Jahren, damals bestand das Büro aus 20 Leuten, jetzt sind es 340. Damals haben wir viele Wettbewerbe gemacht und gewonnen. Das MAXXI war ein großes Projekt für uns und das letzte, das noch in der alten Art entworfen wurde. Sie erinnern sich an diese wunderbaren perspektivischen Zeichnungen auf schwarzem Hintergrund, noch ohne digitale Renderings? Ich glaube, es war das letzte große Projekt, dessen Entwicklung noch hauptsächlich mit Modellen kontrolliert wurde und alle 20 Architekten im Büro haben damals an diesem Projekt gearbeitet.

Verglichen mit neueren Hadid-Projekten äußert sich das wie?

Es ging schon um ähnliche Dinge – um Verbinden und Fließen. Man kann aber den heutigen Entwürfen ansehen, dass dort durch den Computer im Finish die Oberflächen vielrunder und detaillierter entworfen oder überprüft worden sind. Beim MAXXI sieht man den Wänden an, dass sie in erster Linie konstruktive Elemente sind.

Der Zusammenfluss von Boden, Wand und Decke wie beispielsweise im Pheno in Wolfsburg ist hier nicht so stark vorangetrieben, geben Sie damit der Kunst eine bessere Chance, sich gut zu präsentieren?

Die Kunst ist nicht mehr wie vor zehn Jahren ein pures Objekt. Kunst kann heute alles sein: Performance, Projektion, Sound, Installation. Das Gebäude kann nicht mehr nur wie eine Kunstbox funktionieren, die auch auf den ersten Blick für jeden verständlich ist. Das Museum ist kein Container mehr, sondern eine große Erfahrung. Natürlich ist das für die Kuratoren und Direktoren eine Herausforderung, etwas Neues zu tun und darin liegt gerade für Rom eine große Chance. Das MAXXI ist ein Museum für das 21. Jahrhundert und prinzipiell muss die Kunst jünger als das Jahr 2000 sein. Als wir mit dem Bau begannen, gab es noch keine wirkliche Sammlung. Also mussten wir unsere Räume und Landschaften für die modernste Kunst neu definieren.

Kann man das, was sie entworfen haben, mit speziellen Begriffen und Themen umschreiben?

Erstens wollten wir auf den Ort und die Umgebung eingehen. Wir haben einige Bestandsgebäude und die alten Höhenlinien eingehalten, wir richten die neue Hauptfassade nicht zu den alten Straßenräumen aus, sondern zu einer neuen Querpassage. Kontextuell gilt dies auch für die Beziehungen von innen nach außen, es gibt viele Situationen in den Gängen in den auskragenden Bauwerksteilen, wo man das Gefühl hat, nicht zu wissen, ob man drinnen oder draußen ist... Die andere Idee, die wir hauptsächlich verfolgten, ist mit dem Stichwort Licht umschrieben. Wir holen das Licht von oben, weil wir glauben, dass das natürliche Tagelicht das Beste für die Kunst ist. Tageslicht ist in der Regel auch das Licht, bei dem Künstler arbeiten. In den letzten 15 Jahren hat man häufig eine Schachtel mit Kunstlicht für die Kunst gebaut, wir halten nichts davon. Das natürliche Licht ist für Kunstwerke das Beste was es gibt. Leider lässt es sich nicht gut kontrollieren, die Kunstwerke müssen häufig geschützt werden, einmal, was die Lichtmenge betrifft- zum anderen, um die Präsentation, also um den Schattenwurf usw. zu verhindern. Das also haben wir durch eine aufwendige Steuerung (Teil des BMS, des Building Managment Systems) der Lichtdecke erreicht. Das dritte Stichwort ist sicher die die Führung der Besucher, man kann sichsämtliche Galerien in einer einzigen Schleife erobern, man kann natürlich auch abkürzen.

Gab es Besonderheiten bei der Konstruktion?

Aufgrund der riesigen Flächen von Sichtbeton mussten wir hier besonders auf die Oberflächenqualität achten und waren, wie ich glaube, sehr erfolgreich. Italien hat eine sehr gute Tradition beim modernen Betonbau, Pier Luigi Nervis Palacio dello Sport für Rom 1960 steht ja nur einige 100 m entfernt. Wir haben uns beim Ortbeton und speziell vorgefertigten dreidimensionalen Elementen wie auch beim selbst verdichtenden Beton sehr viel Mühe gegeben, beispielsweise mit speziellem Schalholz aus Skandinavien, das mit Phenolharzen behandelt wurde. Man muss ja auch sehen, der Beton ist hier nicht nur die Oberfläche, sondern auch das konstruktive Feature, also mussten wir teilweise mit 14 m hohen Schalungselementen umgehen. Wie auch die riesigen Betonteile und Stücke jeweils in einzelne Bauteile gegliedert werden mussten.

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