Planen mit Energie
Beginn einer neuen
Planungskultur?

Die Energieplanung ist eine vergleichsweise neue Methode zur Optimierung von Gebäuden. Im Wesentlichen folgt der neue Planungsprozess dem Grundsatz „Form follows Function“. Energieplanung ist eine Weiterentwicklung der integralen Planung und schließt diese mit ein. Optimierung kann verschiedene Ziele verfolgen – das Raumprogramm, die Baukosten, die Gestaltung, die energetische Performance und im besten Fall alles zusammen. Bauen oder Sanieren ist immer und grundsätzlich multiplen Zielen verhaftet. Das Thema Energie, als messbare und relativ genau quantifizierbare Größe für Qualität bietet sich hier jedoch als eine Leitlinie an.

Seit spätestens 1995, also mit Beginn der Änderung der Wärmeschutzverordnung, nimmt die Bedeutung des Wärmeschutzes in der Gebäudeplanung zu. Seit 1995 floss neben der Dämmung von Gebäuden auch die Energiebilanz in den Wärmeschutz ein. Solare Gewinne durch die Fenster und die

inneren Gewinne durch die Nutzung des Gebäudes wurden nun ebenso berücksichtigt wie die Wärmeverluste der Gebäudehülle. Durch die erneute Novellierung des Wärmeschutzes kam 2002 die Gebäudetechnik hinzu, als deren Bedeutung für den Energieverbrauch erkannt worden war.

Die Planungskultur hat sich seitdem jedoch nur marginal verändert. Der Architekt entwirft das Gebäude, unterstützt vom Statiker, der oft auch die Wärmeschutzberechnungen übernimmt. Die Gestaltung der technischen Ausstattung kommt meist vom Haustechniker, dem der Statiker die Dämmwerte für die Heizungsplanung liefert. Zu diesem Zeitpunkt ist jedoch in vielen Fällen eine sinnvolle Optimierung des Energieverbrauchs kaum noch möglich. Diese Problemstellung ist Grund genug, den Planungsprozess einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Additive Optimierung

Die Planungskultur für alle Gebäudetypen des Hochbaus baut im Prinzip auf den Säulen Städtebau, Landschaftsplanung, Architektur, Statik und der Haustechnik auf. Der Architekt war und ist fast immer der erste Ansprechpartner und häufig der „Motor“ des Projekts. Er entwickelt nach den Vorstellungen und Wünschen des Bauherrn ein gestalterisches Konzept. Ist dieser einverstanden, wird unterschwellig ein Meilenstein gesetzt: Ab jetzt wird dieser Entwurf weiter verfolgt, ab jetzt beginnt gegebenenfalls die integrale Planung – aber der Entwurf bleibt unangetastet.

Eine energetische Optimierung beginnt in den meisten Fällen erst jetzt, wird auf den Entwurf appliziert. In der Regel entsteht der Entwurf ohne Einbeziehung eines Energiesachverständigen. Energetisches Entwerfen –  also Entwerfen unter Berücksichtigung der energetischen Grundlagen –  ist aber notwendig, weil in der Entwurfsphase die Weichen in Sachen Energie und Baukosten bereits gestellt werden. Diese Notwendigkeit wird in der Regel heute immer noch nicht erkannt. Der Optimierungsprozess beginnt also häufig leider erst zu einem Zeitpunkt, an dem das größte Potential bereits vergeben ist.

In der bisherigen Planungskultur war immer der Architektenentwurf entscheidend für die Entwicklung der Baukosten. Viele, oft erst in einer späteren Planungsphase entstehende Aufwendungen, z. B. für Haustechnik, sind jedoch entwurfsbedingt, obwohl sie zum Zeitpunkt der Entwurfserstellung für den Architekten noch gar nicht erkennbar waren. Das führt oft genug zu kostenbedingten Kom­promissen, die weder Bauherrn noch Architekten zufriedenstellen. Die Einbeziehung eines Energieplaners bereits in der Entwurfsphase verhindert solche Mehrkosten, weil frühzeitig Defizite aufgezeigt und Vorschläge zur Optimierung gemacht werden können. Denn die Baukosten für energieeffiziente Gebäude müssen nicht höher sein als für konventionelle Gebäude.

Eine mögliche Abhilfe verspricht der integrale Planungsansatz. Integral Planen meint die frühe Einbeziehung aller Planungsbeteiligten und die gleichzeitige und ganzheitliche Bearbeitung der Planungsaufgabe. Genau hier hakt es aber noch in der Praxis, wenn trotz gemeinsamer Planungsprozesse die gewohnten Entscheidungsstrukturen beibehalten werden. Gemeinsam planen heißt nämlich auch, gemeinsam entscheiden.

Energieverbrauch ist planbar

Entwerfen ohne parallele Energieplanung ist heute nicht mehr zeitgemäß. Die Energieplanung, wie sie von Büros wie Wortmann & Scheerer betrieben wird, stellt ein selbstständiges Gewerk in der Planungskultur dar. Der Energieplaner unterstützt alle Gewerke, indem er das zukünftige Gebäude durch die „energetische Brille“ sieht. Er berät den Architekten schon im Vorentwurf, indem erste Wärmeschutzberechnungen den Entwurfsprozess flankieren. Diese werden immer mehr verfeinert, bis das Gebäude fertig ist. Parallel können Simulationsrechnungen integriert werden, um Kühllasten zu minimieren oder Tageslichtkonzepte zu entwickeln. Das senkt nicht nur die Energie-, sondern meist auch die Investitionskosten. Vor allem aber wird die Behaglichkeit optimiert. So wird

Qualität planbar.

Nicht nur der Architekt profitiert durch den Spezialisten, auch der Haustechniker. Der Energieplaner wägt aus allen Möglichkeiten der Wärme- und Kälteversorgung in Abhängigkeit variierender Wärmeschutzkonzepte sinnvolle Varianten gegeneinander ab. Er bewertet die technischen Möglichkeiten hinsichtlich der Investitions- und der Betriebskosten, bezieht Förderprogramme ein und untersucht ökologische Aspekte. Das Ergebnis der Energieplanung ist eine rundum mit dem Architekten und Statiker abgestimmte, optimierte Lösung als Konzept mit einer klar formulierten Planungsaufgabe an den Haustechniker.

Energieplanung in Bauprozess und Betrieb

Neben dem Hauptmoderator, dem Architekten, übernimmt der Energieplaner im Zuge der weiteren Planung parallel die Aufgabe des Energiemoderators. Welche Auswirkung hat der Stromverbrauch eines Lüftungsgeräts auf das Gesamtkonzept? Wie kann das Konzept optimiert werden? Passt das noch in den Gestaltungsrahmen? Bis zur Fertigstellung ist das energetische Konzept aus dem Vorentwurf durch viele Faktoren gefährdet. Sämtliche Planungen werden daher vom Energieplaner auf den Aspekt der Energieeffizienz hin geprüft und falls notwendig, angepasst.

Während der Bauphase fungiert der Energieplaner als Sachverständiger. Der Gesetzgeber fordert seit 1996 stichprobenhafte Kontrollen für den Wärmeschutz auf der Baustelle. Auch eine Kontrolle der technischen Anlagen unter dem Aspekt der Energieeffizienz ist sinnvoll. Nach Fertigstellung und Inbetriebnahme beginnt mit dem Monitoring eine weitere Leistung des Energieplaners. Passt der Energieverbrauch mit den Hochrechnungen nach der Wärmeschutzverordnung überein oder gibt es Abweichungen? Worin liegt die Ursache für Abweichungen? Ist eine Anlage optimal eingeregelt oder eine gezielte Einweisung der Nutzer notwendig?

Energieplanung in der Praxis

Der Stadtteil Düsseldorf-Garath ist in den 1960er-Jahren als Großsiedlung errichtet worden. 2005 schrieb die Rheinwohnungsbau GmbH Düsseldorf im Rahmen des Projekts „50 Solarsiedlungen in NRW“ einen Architekturwettbewerb zur Bestandsoptimierung oder Neubau aus. Die Großsiedlung sollte nicht nur den neuesten energetischen Richtlinien entsprechen, sondern auch die optisch sehr unterschiedlichen Stadtteile Urdenbach und Garath miteinander verbinden. Jeweils einen ersten Preis erhielten das Büro Druschke und Grosser aus Duisburg sowie das Büro HGMB aus Düsseldorf. Durch die Kombination der beiden Architekturentwürfe mit dem Energiekonzept des Bochumer Büros Wortmann & Scheerer konnten die strengen Auflagen des Projekts „50 Solarsiedlungen in NRW“ erfüllt werden. Nach erfolgreicher Umsetzung der Solarsiedlung mit 103 Wohneinheiten in zwei Bauabschnitten (die DBZ berichtete in ihrer Ausgabe 7|2010 im Energie Spezial) wird zurzeit der 3. Bauabschnitt mit 65 Wohneinheiten als Klimaschutzsiedlung NRW errichtet.

Solare Gewinne

Die Berechnung der Verschattungen ist eine wichtige Aufgabe in der hocheffizienten Hochbauplanung. Gelingt es, eine günstige Besonnung der Fassaden und damit hohe passivsolare Gewinne zu erzielen, ist Bauen schlichtweg billiger. Eine solche energetische Optimierung ist auf städtebaulicher Ebene eine Pflichtübung. Im Bestand, wo die städtebauliche Struktur bereits vorgegeben ist, benötigt man die Verschattungsberechnung zur Ermittlung der sogenannten „Fassadenintensitäten“. Diese zeigen, welche Fassade in welchem Geschoss wie stark verschattet wird. Der Architekt nutzt diese Information zur Platzierung und Dimensionierung der Fens-teröffnungen, denn ein besonntes Fenster hat eine positive, ein verschattetes eine negative Energiebilanz. Für die Berechnungen wird z. B. das Programm SolCity eingesetzt. Die „Fassadenintensitäten“ gehen auch in die Berechnungen nach PHPP ein.

Im Mittel ergibt sich für den 3. Bauabschnitt in Düsseldorf-Garath eine Reduzierung der solaren Einstrahlung von ca. 12 %. Wegen der geringen Abweichung der Gebäude von der optimalen Südausrichtung belaufen sich die Verluste auf weniger als 1 %. Der gemäß Planungsleitfaden NRW geforderte Wert von maximal 20 % Einstrahlungsverlusten wird damit eingehalten.

Entwurfsoptimierung

Die neuen Gebäude des 3. Bauabschnitts bilden den Abschluss zur Bestandsbebauung. Die Balkone und Terrassen sind alle nach Süden oder Westen orientiert. Die Grünfläche vernetzt die Häuser miteinander und wirkt damit als kommunikationsfördern­der Nachbarschaftstreffpunkt. Die als Treppen­haus entwickelte „Fuge“ unterstützt durch ihre Transparenz die Vernetzung der vorderen mit den hinteren Grünflächen.

Die entwurfsbegleitende Energieberechnung detektierte die Fuge als Hürde auf dem Weg zum Passivhaus. Die Optimierung des Vorentwurfs ergab als Basisberechnung einen Heizwärmebedarf von 18,8 kWh/m²a. Für ein Passivhaus ist ein oberer Grenzwert von maximal 15 kWh/m² a zulässig. Die kleine Differenz hat weitreichende Folgen, denn das Land NRW fördert die Passivhausbauweise mit 3 400 €/ Wohneinheit. Die Energieeinsparung von 3,8 kWh/m²a zwischen Basisverbrauch und Sollwert rechtfertigt für sich allein genommen zwar keine Mehrinvestitio-

nen, aber die Förderung macht hier Anstrengungen wieder interessant.

Die Differenz wurde also zum Anlass genommen, weitere Optimierungen zu verfolgen. In Variante 1 wurden die Fenster im Norden verkleinert. Dies bringt zwar eine Reduk-

tion des Heizwärmebedarfs um 0,9 kWh/m²a, Passivhausstandard wird jedoch nicht erreicht und ge­stalterisch wirkt sich die geschlossene Nordfassade negativ auf den Straßenraum aus. Variante 2 optimierte die Loggien als vorgestellte Balkone. Die Verbesserung auf 16,7 kWh/m²a ist für Passivhausstandard aber immer noch zu viel. Bei etwa gleichbleibenden Baukosten steigt die Wohnfläche, der Energiebedarf sinkt, leider entfällt aber auch der für die Bewohner angenehme Schutz der Loggia und die Strukturierung der Fassade leidet gestalterisch. Auch die Kombination beider Varianten brachte kein Passivhaus-Ergebnis. Auf der Suche nach weiterem Einsparpotential wurde mit einem Alternativentwurf belegt, dass an diesem Standort unter Einhaltung der baurechtlichen Gegebenheiten ein Passivhaus zwar machbar ist (mit 14,9 kWh/m²a). Dazu musste aber auf die Fuge verzichtet werden, außerdem verfügte der Entwurf über ungeliebte Laubengang-

erschließungen.

Die Bewertung der Varianten und der Mehr- oder Minderkosten ergab, dass die angedachten Überlegungen zwar wirtschaftlich, aber gestalterisch nicht optimal sind. Nach Abwägen aller wirtschaftlichen, energetischen und gestalterischen Faktoren wurde entschieden, den Passivhausstandard nicht weiter zu verfolgen. Die Nordfenster wurden daraufhin wieder vergrößert, die Loggien wieder einpflegt. Mit einer geringfügigen

Reduzierung der passivhaustauglichen Dämmung und ohne Passivhausfensterrahmen konnte KfW-55-Standard erzielt werden. Bei der Bewerbung zur Klimaschutzsiedlung NRW wurde dieses Ringen um die ganzheitlich beste Lösung von der Auswahlkommission explizit begrüßt und der Status als Klimaschutzsiedlung verliehen.

Insgesamt wird an diesem Beispiel deutlich, dass die Bedeutung einer frühzeitigen Einbindung der Energieplanung in die Entwurfsplanung für den Energieverbrauch nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

Energiekonzept
Das energetische Konzept sieht mit weniger als 30 kWh/m²a einen guten 3-Liter-Standard vor und führt den geringen Energie­verbrauch der Solarsiedlung Düsseldorf-Garath fort. Die Mehrfamilienhäuser sind mit einer Zu- und Abluftanlage mit hocheffektiver Wärmerückgewinnung ausgestattet. Die Grundrisse sind so gestaltet, dass die Verteilung der benötig-ten Schächte in den Wohnungen einfach und kostengünstig möglich ist. Die Beheizung und Warmwasserbereitung erfolgt über die hier primärenergetisch günstig produzierte Fernwärme. Durch das Energiekonzept mit Dämmstandard und Anlagentechnik wird der für Klimaschutzsiedlungen zulässige Grenzwert für CO2-Emissionen von 9 kg CO2/m²a in allen Gebäuden eingehalten.
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