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Bodo Schröder studierte zunächst Architektur. Für jeden folgenden beruflichen Schritt hat er sich ganz bewusst einer neuen Herausforderung gestellt.
Zum Ende des Studiums hatte ich, wie sicher viele andere Studenten, schon davon geträumt, mal in einem bekannten Architekturbüro zu arbeiten, interessante Entwürfe zu gestalten und Wettbewerbe zu gewinnen. Auch dank meiner Arbeitserfahrung als studentischer Mitarbeiter in einem kleinem Architekturbüro und dem guten Ruf der RWTH Aachen habe ich nach meinem Studium 2011 die Chance erhalten, beim Architekturbüro Ingenhoven Architects anzufangen. Dort durfte ich gleich an Großprojekten, wie dem Google Headquarter in Palo Alto/USA, mitarbeiten. Nach vielen Wettbewerben, Studien und Teilprojekten wuchs in mir der Wunsch ein Projekt komplett durchzuplanen.
Diesem Wunsch konnte ich beim Stuttgarter Architekturbüro LAVA nachgehen, da dort gerade die Planung eines 20-stöckigen Hochhauses in Saudi Arabien, das «KASCT Headquarters», die Verwaltungszentrale einer Universität, beginnen sollte. Zudem war es mir wichtig, ein Projekt in einer BIM-Software zu planen, weil das Thema schon damals immer mehr aufkam. Da LAVA zu dem Zeitpunkt gerade auf BIM umstieg, passte das für mich ideal. Das Hochhausprojekt wurde von LAVA mit Hilfe der Fachplaner Battle McCarthy (Haustechnik) und Bollinger + Grohmann (Tragwerk und Fassaden) geplant. Aufgrund der komplexen Geometrie des Projekts und der verschiedenen zu lösenden räumlichen Details war die Planung mit BIM essentiell. Mit diesem Projekt gewann LAVA schließlich den European Prize for Architecture 2016.
Die Erfahrung, ein Projekt in fast allen Phasen durchzuplanen, ist sehr wichtig. Denn nur so weiß man, was wirklich realisierbar ist. Bei größeren Projekten lernt man zudem gut im Team zu arbeiten, da man „nur“ Teilbereiche eines Projekts entwirft.
Nach Abschluss des «KASCT Headquarters» wagte ich den Sprung zum Stararchitekten. Bei Santiago Calatrava in Zürich konnte ich meinen Fokus auf internationale Großprojekte weiter vertiefen. Die Arbeit bei Calatrava war für mich eine tolle Erfahrung und Herausforderung; gleich zu Beginn durfte ich den „Dubai Creek Tower“, den höchsten Aussichtsturm der Welt, mitplanen. Durch meine Erfahrung mit Großprojekten und der Planung mit BIM / 3D-Modellen konnte ich nach wenigen Monaten zunehmend Verantwortung übernehmen. Eine meiner Hauptaufgaben war es, die verschiedenen skulpturalen, oft noch abstrakten Entwurfsideen in Architektur umzusetzen. So habe ich fast täglich mit Santiago Calatrava persönlich Projekte besprechen und mit dem Team umsetzen können, was sehr inspirierend und vielfältig war.
Neben der Arbeit bei Calatrava erhielt ich die Chance privat verschiedene Projekte entwickeln zu dürfen. Bei einem größeren Projekt in der Nähe von Leipzig ging es, neben der Architektur, um die Abwicklung des Transaktionsprozesses für die Eigentümer und die Entwicklung des Grundstücks. Das ehemalige Mühlenareal stand mehr als 25 Jahre lang leer und sollte umgenutzt werden. Mit Hilfe eines guten, wirtschaftlich tragfähigen Entwicklungskonzepts konnte ich alle Stakeholder überzeugen und die Planung voranbringen. Insbesondere mit diesem Projekt habe ich mich immer mehr mit wirtschaftlichen Fragestellungen zu Immobilienbewertung, Steuern, Baukosten, Baupotenzial und Marktnachfrage für die Nutzung auseinandergesetzt.
Durch die Auseinandersetzung mit wirtschaftlichen Themen rund um Entwicklungskonzepte im Immobilienmarkt habe ich zunehmend festgestellt, dass Architekturprojekte und -studien oftmals nicht an gestalterischer Qualität scheitern, sondern an wirtschaftlichen Themen. Insbesondere im frühen Projektstadium sind immobilienmarktbezogene Fragen immens wichtig und können über den Erfolg entscheiden. Beispielsweise kann eine Marktanalyse wichtige Hinweise geben, ob die vorgesehene Nutzung nachgefragt ist. Um mich professionell mit den Themen zu beschäftigen, habe ich mich entschieden, fast zehn Jahre nach meinem Diplomabschluss, einen berufsbegleitenden Master in Immobilien am Center for Urban & Real Estate Management (CUREM) der Universität Zürich zu absolvieren. Der Master dauert drei Semester und richtet sich fast ausschließlich an Berufserfahrene der Bau und Immobilienwirtschaft. Mit Hilfe des Studiums konnte ich meine Kompetenzen im Bereich Wirtschaft vielfältig ergänzen und mein Netzwerk in der Immobilienwirtschaft erweitern. Der Austausch mit Kollegen aus verschiedenen Berufszweigen, wie Architektur, Bauherrenvertretung, Totalunternehmen, Investoren, Banken und Versicherungen, ist inspirierend und hilfreich.
Aktuell arbeite ich auf „Bauherrenseite“ in der Projektentwicklungsabteilung einer Rentenversicherung in der Schweiz. Ich kann dabei meine vielseitige Berufserfahrung nutzen und die erlernten Themen aus dem Weiterbildungsstudium anwenden.
Die Arbeit eines Projektentwicklers enthält viele Elemente des Architekturberufs. Sie umfasst aber vor allem auch die wirtschaftlichen Themen des Immobilienmarkts und schafft damit ein interessantes Spannungsfeld. Es braucht viel Kreativität, um Kapital, Nutzungsidee und Grundstück zusammenzubringen. In der Zusammenarbeit mit den Architekten und Planern behält man dabei viel Einfluss auf die Gestaltung. Darüber hinaus hat man stets einen ganzheitlicheren Blick und kann übergeordnete Werte schaffen.
Es ist wichtig, sich stetig weiterzubilden und neugierig zu bleiben. Man kann dabei einerseits seinen Horizont erweitern und andererseits für Arbeitgeber noch attraktiver werden. In den ersten Berufsjahren entscheidet sich in der Regel, ob man sich mehr zum Generalist oder Spezialist entwickelt. Man sammelt wertvolle Projekterfahrungen, welche oft schon in eine bestimmte Richtung gehen, z. B. Wohnungsbau oder Bauen im Bestand. Passend dazu empfehle ich fünf bis zehn Jahre nach dem Masterabschluss eine Weiterbildung zu machen. So kann man eine eingeschlagene Richtung vertiefen oder in eine neue gehen. Außerdem macht es Sinn, mit regelmäßigen Weiterbildungen von wenigen Tagen oder Wochen „am Ball des Geschehens“ zu bleiben.
Wer sich selbstständig machen möchte, muss einiges an Berufserfahrung mitbringen. Auch die Akquisition von Projekten ist sehr wichtig, denn der Markt ist heiß umkämpft. Oftmals muss man schon Referenzprojekte vorweisen, um überhaupt an einem Wettbewerb oder einer Studie mitmachen zu können. Über Wettbewerbe akquirieren die meisten Büros ihre größeren Projekte.
Man sollte seine Alleinstellungsmerkmale kennen – was kann ich besser als andere Architekten? Eine gute Strategie ist es, sich auf eine Objektart (z. B. Neubau vs. Bestand, Wohnen vs. Büro) oder auf bestimmte Projektphasen zu fokussieren (Entwurf vs. Ausführungsplanung). Außerdem braucht man in der Baubranche viel Geduld. Projekte verlaufen oftmals nicht stringent „nach Zeitplan“, da Bau- und Planungsprozesse von vielen verschiedenen Faktoren abhängig sind, wie z. B. politisches Meinungsumfeld, Anforderungen von Planungsämtern, Baukosten, Markt- und Nachfrageschocks. Je größer ein Projekt ist, desto schwieriger werden Prognosen zu Terminen und Kosten. Ein Beispiel ist der neue Bahnhof „Stuttgart 21“ von Ingenhoven Architects – wer hätte gedacht, dass das Projekt nach dem Wettbewerbsgewinn 1997 heute immer noch nicht fertig ist!?