Neue Technologie und koordinierte Qualität
Zalando Campus, Berlin

Gemeinsam mit Fachplanern nutzte HENN beim Projekt Zalando Campus in Berlin Friedrichshain die Vorteile einer gemeinsamen, modellbasierten digitalen Planung – Building Information Modeling (BIM). Die Planungsmethode ermöglicht neue Arten von Kommunikation und Kollaboration.

Nahe der Spree, zwischen East Side Gallery und der Mercedes-Benz Arena entsteht der neue Zalando Campus. Das zentrale Herzstück ist dabei das neue Zalando Hauptquartier (Zalando HQ). Das Gebäude umfasst ca. 42 000 m² Bürofläche für bis zu 2 700 Mitarbeiter. Zalando ist ein junges Unternehmen der New Economy, das als Bauherr gestalterisch, technisch und organisatorisch neuen Lösungen aufgeschlossen gegenübersteht. Daher entschied sich der Bauherr, dieses Projekt in einer koordinierten, modellbasierten, digitalen Planung umzusetzen. „Wir hatten einen innovativen Bauherrn. Zalando erwartete, dass bei der Planung des Neubaus mit digitalen Technologien gearbeitet wird“, sagt Daniel Festag, verantwortlicher Projektleiter bei HENN. Der offene Gebäudecharakter, das unverkleidete Tragwerk und die sichtbare Führung der notwendigen Technik war das gestalterische Ziel der Architekten in Abstimmung mit dem Bauherrn. „Premium rough“ nennen die Planer dieses Erscheinungsbild. Dieses Ziel konnte nur in einer engen Abstimmung mit den Fachplanern erreicht werden – und mit einer dreidimensionalen, modellbasierten Planung.

Dreidimensional und modellbasiert Planen

Die Planer arbeiteten an drei aufeinander bezogenen, digitalen Gebäudemodellen für Architektur, Tragwerksplanung (TWP), auch Ingenieurmodell genannt, und technische Gebäudeausrüstung (TGA). Diese drei Modelle werden auf der gleichen Softwareplattform erstellt. Dabei erfolgt der Datenaustausch zwischen TWP, TGA und Architekten im nativen Datenformat. Für die Zusammenarbeit im Team werden die Teamwork-Funktionen der Software genutzt. Andere Fachplaner werden mit Standardgrafikformaten – z. B. DWG – angebunden.

Dass die Architekten gemeinsam mit BuroHappold Engineering, zuständig für Tragwerks- und  TGA-Planung, nicht an einem gemeinsamen Planungsmodell arbeiteten, geschah primär nicht aus technischen Gründen, sondern aus Gründen der Verantwortung und auch hinsichtlich der Haftungsfragen. Denn die modellbasierte Planung ist in der HOAI und in den einschlägigen Baunormen noch nicht berücksichtigt. Das digitale Planungsmodell besitzt jedoch in der BIM-Planung zu einem früheren Zeitpunkt als in der 2D-Planung einen wesentlich höheren Informationsgehalt. Dieser muss aber, innerhalb der üblichen Honorarsätze, oft mit zusätzlichem Personal und zusätzlichen Schulungen erreicht werden. BuroHappold jedoch hat bereits langjährige Erfahrung mit BIM. Ein Grund, warum die Ingenieure das Projekt gemeinsam mit den Architekten planten.

Optimierung des Arbeitsablaufs

Die Tragwerksplaner erstellten aus einem 3D-Modell ein vereinfachtes analytisches Modell – Single Analysis Model (SAM). Das auf die wesentlichen Elemente reduzierte Datenmodell optimiert die interdisziplinäre Zusammenarbeit und beschleunigt den Arbeitsablauf bei Planänderungen. Das Ingenieurbüro BuroHappold entwickelte das Single Analysis Model im eigenen Büro. Es diente den Planern für gesonderte und zugleich multidisziplinär verknüpfte bauphysikalische, thermische und statische Betrachtungen.

Ein klarer Vorteil besteht für Planer vor allem darin, dass sich Änderungen im Architektur- und Ingenieurmodell, z. B. der Kühllast oder der U-Werte von Bauelementen, automatisch auf das einzelne analytische Modell auswirken und vice versa. Kollisionen zwischen einzelnen Bauteilen und auch kritische Veränderungen klimatechnischer, bauphysikalischer und statischer Werte werden mittels eines sogenannten Solibri Model Checkers schnell erkannt und korrigiert. Die dadurch gewonnene Zeit investierten die Planer oftmals direkt in die Betrachtung zusätzlicher gestalterischer Alternativen.

Die Vorteile einer Planung mit BIM liegen in der Transparenz der Arbeitsprozesse für alle Planungsbeteiligten und Gewerke. Nicht zuletzt aber auch im Erreichen einer höheren Qualität und Sicherheit für den Bauherrn. So werden die Brüche in der digitalen Prozesskette geringer und mehrfaches Umwandeln von Daten und redundante Prozesse (Schritte) entfallen. Entscheidend ist die Koordination der einzelnen Fachmodelle. „Das Planungsteam muss daher intensiv und direkt untereinander kommunizieren“, sagt Thomas von Küstenfeld, BIM-Manager bei HENN. Die gemeinsame Lösung von Herausforderungen steht dabei im Vordergrund.

Wer kann´s?

Denn jeder Planungsbeteiligte trägt für sein Gewerk die Verantwortung. Wichtig wird dabei die Frage, wer für welchen Teil im 3D-Modell verantwortlich ist und wo die Schnittstellen liegen. Wenn diese Frage klar beantwortet ist, können gestalterische Probleme und Kollisionen frühzeitig erkannt und entsprechend behandelt werden. Dafür vereinbarten die Projektbeteiligten einen BIM Execution Plan (Projektleitfaden), der die verschiedenen Prozesse regelt. Dazu gehören der Datenaustausch, aber auch Umfang, Inhalte und Kommunikationswege.

Die Planer kommunizierten über die herkömmlichen Kanäle. Es wurden keine zusätzlichen kollaborativen, virtuellen Environments (CVE´s) oder Webservices verwendet. Denn das Dokumenten- und Dokumentations­management, die Planprüfung und -freigabe sowie die Revisionsverwaltung erfolgten nach den bisher gewohn-ten Prozessen. Für die Architekten stellt die modell­basierte Arbeitsweise in diesem Bereich derzeit noch die gleichen Anforderungen an das Projekt wie die klassische 2DPlanung.

Ein wesentlicher Unterschied zur herkömmlichen 2D-Planung liegt aber in der kurzfristigeren Koordination. Zweiwöchentlich wurde an alle Fachplaner ein Work-in-Progress-Modell übergeben. Damit entwickelte der Planungsprozess Ähnlichkeiten zu einem agilen Projektmanagement.

Als äußerst vorteilhaft für das BIM Management beim Projekt Zalando HQ hat sich erwiesen, dass die Projektpartner seit 2014, also über den gesamten Bearbeitungszeitraum, konstant geblieben sind.

BIM, ein zielorientierter Prozess

HENN sind für die Leistungsphasen 1 – 4 beauftragt. Ein Generalübernehmer wird die Ausführungsplanung ab LPH 5 übernehmen. Das Leistungsverzeichnis wird noch nicht direkt aus dem digitalen Gebäudemodell generiert, jedoch werden daraus bereits alle Kosten berechnet. Der Arbeitsprozess passt sich in Tiefe, Detaillierung, Anwendung von Werkzeugen und Kommunikation an die Anforderungen jeder Leistungsphase an. So kann für jede Leistungsphase der richtige Detaillierungsgrad geschaffen und die optimale Kombination von Softwarekomponenten ausgewählt werden.

Wichtige Perspektiven digitaler Planung sehen die Architekten für die Zukunft. Das ist einerseits die Verbesserung von Baustellenlogistik, Abfolge- und Fertigungsprozessen, andererseits aber auch die Qualitätssicherung und noch nicht ausgeschöpfte Möglichkeiten im Facility Management. Aber auch in der Kostenplanung haben digitale Werkzeuge noch Potential.

Die Architekten zeigen sich zufrieden mit ihren BIM-Erfahrungen. Durch die Umstellung der Arbeitsprozesse können die Anforderungen und Erwartungen des Bauherrn besser erfüllt werden. Die Steigerung der Effizienz durch BIM sehen sie aber in einem dynamischen Entwurfsprozess als schwer messbar. „Sind die Ziele klar, müssen die Wege dorthin beschrieben und getestet werden. BIM muss man sich erarbeiten. Am Ende steht ein neuer Prozess des Arbeitens, den man lernen und verinnerlichen muss“, betont Thomas von Küstenfeld. In diesem Jahr hat HENN bereits vier neue Projekte auf der Basis neuer Prozesse begonnen. Dr. Wolfgang Höhl, München

Baudaten
Objekt: Zalando Campus
Standort: Valeska Gerd Straße/Mildred Harnack Straße, 10243 Berlin Typologie: Bürogebäude
Bauherr: Portokali Property Development SE & Co. KG
Nutzer: Zalando SE
Architekt: HENN, Berlin, www.henn.com
Mitarbeiter: Martin Henn, Christian Bechtle, Daniel Festag, Klaus Ransmayr, Alejandro Konrad, Sabine Sorglos, Ulrike Schwickerath, Lida Alibegovic, Marta Galdys, Paul Langley, Jakob Drömmer, Eike Schwarzbach, Sevda Celebi, Tiffany Taraska Planungszeit: LP 1 – 4: März 2015 – Januar 2016
Fachplaner
Bauphysik/Akustikplanung: Müller BBM, Planegg, www.muellerbbm.de                                            Tragwerksplanung/Techn. Gebäudeausrüstung: BuroHappold Engineering, Berlin, www.burohappold.com
Fassadentechnik: Kucharzak Fassaden Engineering, Berlin, www.kfe-online.de
Brandschutz: hhpberlin, Berlin, www.hhpberlin.de
Lichtplanung: Bartenbach GmbH, Aldrans/AT, www.bartenbach.com
Innenarchitekt: (Wettbewerb) Kinzo, Berlin, www.kinzo-berlin.de
Landschaftsarchitekt: Atelier Loidl, Berlin, www.atelier-loidl.de
Projektdaten
Gebäude A
Grundstücksgröße: 7 150 m²
Hauptnutzfläche gesamt: 28 319 m²
Brutto-Rauminhalt: 158 676 m³
Arbeitsplätze:
1 623
Gebäude B
Grundstücksgröße: 2 950 m²
Hauptnutzfläche gesamt: 12 967 m²
Brutto-Rauminhalt: 66 734 m³
Arbeitsplätze: 844
Baukosten Gebäude A und B gemäß Bauantrag:
KG 300 (brutto/netto): 37,57 Mio. €
KG 400 (brutto/netto): 18,36 Mio. €
Gebäudehülle
U-Wert Außenwand = 0,25 W/(m²K)
U-Wert Bauwerksohle = 0,4 W/(m²K) U-Wert Dach = 0,15 W/(m²K) Uw-Wert Fenster = 1,00 W/(m²K)
Ug-Wert Verglasung = 0,7 W/(m²K)
Planungssoftware
Autodesk Revit Autodesk Navisworks Solibri Model Checker
BIM Anwendung
closed BIM
Virtuelles Gebäudemodell
3D Modell: Modelldarstellung in den drei Dimensionen des Raums + Kostenberechnung
x

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